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Mobbing, Mätzchen, Manipulationen: Wie korrupt ist Österreichs Dressursport?
14.11.2019 / News

Im Kampf um einen Einzel-Startplatz für die olympischen Dressurbewerbe von Tokyo sind Victoria Max-Theurer (li.) und Ulrike Prunthaller direkte Konkurrenten – denn es gibt nur einen Startplatz pro Nation.
Im Kampf um einen Einzel-Startplatz für die olympischen Dressurbewerbe von Tokyo sind Victoria Max-Theurer (li.) und Ulrike Prunthaller direkte Konkurrenten – denn es gibt nur einen Startplatz pro Nation. / Fotos: Julia Rau/Team myrtill

Wieder gibt es Aufregungen um den OEPS und um eine verweigerte Startgenehmigung für Österreichs bestplatzierte Dresssurreiterin in der FEI-Weltrangliste. Ist es vorstellbar, dass ein Sportverband die in Reichweite liegende Olympia-Qualifikation einer österreichischen Athletin sabotiert? Leider ja – im OEPS scheint mittlerweile alles möglich. Ein Kommentar von Leo Pingitzer.


Eigentlich haben viele dieses Thema bereits gründlich satt, und eigentlich hätte Österreichs Dressursport wirklich andere Sorgen – aber es gibt im OEPS scheinbar eine unsichtbare Kraft, die – um ein Wort Goethes zu variieren – stets das Böse will, und das auch locker schafft.

Was ist geschehen? Bartlgut-Bereiterin Ulrike Prunthaller wollte nichts anderes als an einem internationalen Dressurturnier teilnehmen, nämlich dem CDI4*/CDI-W Stuttgart, GER, 13.–16. Nov. 2019, dem ,Stuttgart German Masters', eines der besten und bekanntesten Hallenturniere der Welt. Ulrike Prunthaller hatte die Nennung für Stuttgart bei weitem zeitgerecht beim OEPS abgegeben, um „etwaigen Unsicherheiten und Diskussionen vorzubeugen", man ist diesbezüglich nämlich leidgeprüft. Doch anstatt einer Bestätigung der Nennung erfolgte eine glatte Absage – man habe entschieden, die verfügbaren beiden Startplätze an andere ReiterInnen zu vergeben, hieß es.

Ulrike Prunthaller – aktuell nach wie vor die bestplatzierte österreichische Dressurreiterin lt. FEI-Weltrangliste (Platz 61) – fiel aus allen Wolken, denn Stuttgart war als Weltcup-Turnier ein zentraler Bestandteil ihrer Turnierplanung und sportlich von immenser Bedeutung, geht es doch für sie um wertvolle Weltranglisten-Punkte und die Sicherung eines Einzel-Startplatzes für Österreich bei den Olympischen Dressurbewerben 2020 in Tokyo – der Traum jeder Athletin bzw. jedes Athleten.

Wie es das Schicksal will, hat Ulrike Prunthaller dabei aber Konkurrenz aus dem eigenen Land – denn um den begehrten Quotenplatz für Olympia bemüht sich (ausgerechnet!) auch noch Victoria Max-Theurer, die Tochter der OEPS-Präsidentin. Im aktuellen (einschließlich der Resultate bis 31. Okt. 2019) Oualifikations-Ranking der Gruppe B – in der zwei Einzelstartplätze (aus unterschiedlichen Nationen) für Tokyo 2020 vergeben werden – liegt Ulrike Prunthaller mit Bartlgut's Quebec derzeit auf Rang 2 mit 970 Punkten, Victoria Max-Theurer mit Benaglio auf Rang 5 mit 948 Punkten. Den ersten Platz hält die für Frankreich startende Morgan Barbancon mit Sir Donnerhall II (974 Punkte), doch auch der Luxemburger Nicolas Wagner mit Quater Back Junior FRH (ex aequo Platz 3, 970 Punkte) und die Schweizerin Birgit Wientzek Pläge mit Robinvale (Platz 4, 952 Punkte) haben noch alle Chancen auf ein Olympia-Ticket für ihr Land. Sie alle können noch bis 31. Dezember 2019 Punkte sammeln – dann endet die Qualifikationsfrist und die letzten freien Plätze für Tokyo werden vergeben.  

Ein mehr als enges Rennen also, bei dem am Ende jeder Punkt zählen wird – und bei dem Ulrike Prunthaller und Victoria Max-Theurer direkte Konkurrenten um einen möglichen Olympia-Startplatz sind: eine mehr als delikate Situation, ganz besonders auch für den OEPS. Der wäre als verantwortungsvoller Sportverband selbstverständlich verpflichtet, die beiden aussichtsreichsten Reiterinnen absolut gleich zu behandeln und auch nur den geringsten Anschein irgendeiner Bevorzugung oder Parteilichkeit zu vermeiden – nach dem Motto: Möge die Bessere gewinnen! Das sollte man jedenfalls meinen – und wir wagen die Behauptung, dass dies in jedem normalen, einigermaßen funktionierenden Sportverband kein Thema und schon gar kein Problem wäre. Doch im OEPS gehen die Uhren offenkundig anders, wie der Fall Stuttgart nun zeigt: Hier entsteht der starke Eindruck, als wolle man Ulrike Prunthaller bei ihren Olympia-Ambitionen systematisch behindern.

Die Vorkommnisse der letzten Wochen – und nun die aktuellen rund um das Stuttgarter Turnier – lassen kaum eine andere Interpretation zu. Schon bei Ulrike Prunthallers – ebenfalls rechtzeitiger und absolut regelkonformer – Nennung für das Weltcup-Dressurturnier in Budapest-Fót (27.–29. Sep. 2019) machte der OEPS Mätzchen nach Leibeskräften: Auch hier erteilte man zuerst keine Startfreigabe, nahm aber nach einem scharfen Anwalts-Brief die abschlägige Nachricht zurück und sprach von einem „Missverständnis". (Eigenartig ist nur, dass derartige ,Missverständnisse' offenbar immer nur bei Ulrike Prunthaller passieren.) Nach langem Hin und Her konnte Prunthaller immerhin mit zwei Pferden in Budapest-Fót starten – doch es war eine Nervenschlacht und ein kostspieliges juristisches Scharmützel.

Nun folgte beim Stuttgarter Hallenturnier das gleiche unappetitliche Spiel: Die Nennung Prunthallers werde nicht akzeptiert, ließ der OEPS ungerührt wissen – und blieb diesmal auch nach einem anwaltlichen Schreiben hart: Die Bartlgut-Bereiterin werde nicht entsendet, das „zuständige Gremium" habe stattdessen Victoria Max-Theurer und Astrid Neumayer für die beiden Startplätze genannt, was vom Veranstalter auch akzeptiert worden sei. Später fand sich sogar noch ein Startplatz für Victoria Max-Theurers Freund Stefan Lehfellner – Ulrike Prunthaller aber musste zuhause bleiben und wurde so um die Chance gebracht, wichtige Punkte für die Weltrangliste zu erreiten.

Eine Begründung für die verweigerte Stuttgarter Nennung wurde weder dem Anwalt des Bartlguts noch ProPferd auf eine entsprechende Anfrage hin übermittelt – das hat der OEPS offenbar nicht notwendig, und er ist auch niemandem Rechenschaft schuldig. Rein regeltechnisch ist gegen derartige OEPS-Manöver nichts zu machen, man sitzt schlicht und einfach am längeren Ast und kann auch jede öffentliche Kritik locker aussitzen. Doch mit sportlichem Anstand und Fair-Play – die eigentlich die oberste Maximen für das Handeln jedes Sportverbandes sein sollten und sein müssen – hat das alles längst nichts mehr zu tun: Der OEPS setzt sich kühl lächelnd dem Vorwurf aus, die Tochter der Präsidentin zu protegieren – und ihre aussichtsreichste Konkurrentin zu sabotieren, und das möglicherweise zum Schaden des heimischen Dressursports, denn mit seinen seltsamen Spielchen setzt der OEPS letztlich einen olympischen Einzel-Startplatz für Österreich völlig unnötig aufs Spiel.

Denn am Ende könnte es sein, dass sich ein lachender Dritter über die Verbands-Eskapaden freut – und die beiden Quotenplätze der Gruppe B beispielsweise an die aktuell führende Französin Morgan Barbancon und an den Luxemburger Nicolas Wagner gehen: Beide haben – nona – die volle Rückendeckung ihrer nationalen Föderation, während die Ambitionen der lange Zeit aussichtsreichsten (weil punktebesten) Österreicherin vom heimischen Verband offenkundig hintertrieben werden. Kann es wahr sein, dass dem OEPS lieber wäre, dass keine österreichische Dressurreiterin in Tokyo dabei ist – als dass dies Ulrike Prunthaller ist? Sind wir wirklich schon soweit gekommen? Wäre es sportlich mit rechten Dingen zugegangen, hätten selbstverständlich die beiden österreichischen Startplätze für Stuttgart an Ulrike Prunthaller und Victoria Max-Theurer gehen müssen. Das hat möglicherweise auch OEPS-Sportdirektor Ing. Franz Kager so gesehen, der inmitten dieser Turbulenzen seinen Job gekündigt hat und per Ende des Jahres ausscheiden wird. In der Szene wird seither heftig spekuliert, dass er bei diesem Psycho-Kleinkrieg am Rücken von SportlerInnen nicht mehr zusehen konnte bzw. wollte.

Nach der wieder einmal verpassten Mannschafts-Qualifikation in der Dressur – die bei der diesjährigen EM durchaus in Reichweite lag, wäre man dort geeint und in stärkster Besetzung angetreten – wäre der Verlust eines Dressur-Einzel-Startplatzes bei Olympia jedenfalls mehr als nur ein sportlicher Kollateralschaden, sondern eine Blamage ersten Ranges: Bereits seit 2004 hat es Österreich nicht mehr geschafft, eine Mannschaft für die olympischen Reitbewerbe (Springen, Vielseitigkeit, Dressur) zu qualifizieren – konnte aber immer zumindest eine/n Einzelreiter/in entsenden. Für Tokyo 2020 kann man nur hoffen und beten ... Sollte man auch noch dieses Minimal-Ziel verfehlen, wäre das ein weiterer Tiefschlag für Österreichs Reiterei, die ohnehin mit dramatischen Problemen zu kämpfen hat: So sind z.B. die Geldpreise in der Dressur auf einen neuen Tiefpunkt gefallen – 2018 wurden lt. OEPS-Statistik gerade noch 20.178,– Euro ausgeschüttet, 2008 waren es noch 80.364,– Euro. Bei den Reit- und Fahrlizenzen ist es genau das gleiche – im Jahr 2018 schrumpften sie auf gerade noch 8.587 (inkl. Startkarten) – 2009 waren es noch 10.922. Die Turnierstarts stagnieren ebenso wie die Zahl der Turniere – mit einem Wort: Österreichs Pferdesport ist meilenweit von seiner früheren Dynamik und Anziehungskraft entfernt. Und die aktuellen Ereignisse werden es bestimmt nicht besser machen ...

Absolut unverständlich bleibt vor allem, wieso Elisabeth Max-Theurer, die in letzter Konsequenz als OEPS-Präsidentin die Verantwortung für all das übernehmen muss, zulässt bzw. billigend in Kauf nimmt, dass ihre Tochter in der Öffentlichkeit als Reiterin dasteht, deren Olympia-Ticket offenbar der Protektion des Verbandes und der Behinderung ihrer wichtigsten Konkurrentin bedurfte. Dabei müsste doch gerade sie – als Gewinnerin der umstrittenen Boykott-Olympiade 1980 in Moskau, die von den wichtigsten Dressurnationen nicht beschickt worden war – am allerbesten wissen, dass ein derartiger sportlicher Beigeschmack lange anhält und in Wahrheit nie völlig verschwindet. Aber scheinbar werden nicht alle aus einem (Image-)Schaden klug, meint
Ihr

Leopold Pingitzer

PS: Sagen Sie mir ruhig Ihre Meinung: redaktion@propferd.at

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