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"Wissen über die klassische Reitkunst wünschenswert"
21.07.2022 / News

Leo Pingitzer schreibt für ProPferd.at.
Leo Pingitzer schreibt für ProPferd.at. / Foto: Archiv/Petr Blaha

Seit einigen Tagen ist die Ausschreibung für die neue Geschäftsführung der Spanischen Hofreitschule-Lipizzanergestüt Piber öffentlich. Der Wortlaut lässt für die Zukunft des Traditionsinstituts nicht Gutes erwarten. Ein Kommentar von Leopold Pingitzer.


Öffentliche Ausschreibungen genießen – auch und ganz besonders in Österreich – nicht gerade den besten Ruf, denn sie stehen vielfach im Verdacht, bloß eine Alibi-Aktion zur Erfüllung lästiger gesetzlicher Pflichten zu sein, während die tatsächlichen Entscheidungen in den Hinterzimmern von Ministerien oder Parteibüros fallen und meist schon feststehen, bevor die erste Bewerbung überhaupt eingetroffen ist.

Ob das auch im konkreten Fall – der Ausschreibung der Funktion einer Geschäftsführerin/eines Geschäftsführers der Spanischen Hofreitschule-Lipizzanergestüt Piber – möglicherweise so ist, entzieht sich natürlich unserer Kenntnis. Der Wortlaut der Ausschreibung lässt aber bei Insidern die Alarmglocken läuten – und für die Zukunft des Traditionsinstituts leider nichts Gutes erwarten.

Welche Qualifikationen sich der Vorsitzende des Aufsichtsrats – der für die Ausschreibung verantwortlich zeichnet und an den Bewerbungen auch persönlich zu richten sind – von der künftigen Geschäftsführung erwartet, kann man seit einigen Tagen im Amtsblatt der Wiener Zeitung nachlesen. Dort wird auf die Aufgaben der Gesellschaft Spanische Hofreitschule-Lipizzanergestüt Piber gem. § 2 Abs. 1 des Spanische Hofreitschule-Gesetzes verwiesen, in der die ersten beiden Punkte lauten:

1. Ausübung und Bewahrung der klassischen Reitkunst („Hohe Schule“) sowie der historischen Tradition der Spanischen Hofreitschule;
2. dauerhafte Erhaltung und traditionsgemäße Zucht der Pferderasse Lipizzaner, Zucht und Bereitstellung bestgeeigneter Hengste für die Spanische Hofreitschule;

Welche Kenntnisse, Fähigkeiten und Qualifikationen erwartet man sich aber von jener Person, die exakt diesen gesetzlichen Auftrag erfüllen soll? Dazu heißt es weiter, wir zitieren:

„Zur Umsetzung dieser Aufgaben werden von Bewerberinnen bzw. Bewerbern für diese Funktion insbesondere folgende Kenntnisse und Fähigkeiten erwartet:
– betriebswirtschaftliche Kenntnisse zur Führung eines Unternehmens vergleichbarer Größe mit mehrjähriger Berufserfahrung;
– besondere Kenntnisse im Bereich Produktentwicklung und Vermarktung;
– Erfahrung in der Etablierung klarer Führungsprozesse und einer klaren Führungskultur;
– hervorragendes Auftreten und Repräsentation nach außen, auch auf internationaler Ebene;
– Erfahrung im Umgang mit Medien und der Öffentlichkeit;
– Authentische und erfahrene Führungskraft;
– persönliche Identifikation mit den Unternehmenszielen;"

Und als bezeichnenderweise allerletzten Punkt dieser Aufzählung wird noch hinzugefügt:

– Wissen über die klassische Reitkunst wünschenswert.

Nicht nur die Reihenfolge der verlangten bzw. gewünschten Qualifikationen lässt tief blicken, sondern auch das kleine Wörtchen ,wünschenswert'. Da steht nicht etwa ,unbedingt erforderlich' oder ,unabdingbar' – nein, so wichtig ist das Wissen um die klassische Reitkunst für den Job auch wieder nicht, da gehen alle anderen sieben Punkte (betriebswirtschaftliche Kenntnisse, Kenntnisse im Bereich Produktentwicklung und Vermarktung usw:) eindeutig vor. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats ist vielmehr der Ansicht, dass es nicht schlecht wäre, wenn der/die künftige Geschäftsführer/in der Spanischen Hofreitschule auch etwas von klassischer Reitkunst verstünde – dass es an diesem Punkt aber auch nicht scheitern soll.

Also nochmals zum Mitschreiben: Die künftige Geschäftsführung hat vor allem anderen den gesetzlichen Auftrag der Gesellschaft zu erfüllen, nämlich die Bewahrung der klassischen Reitkunst und die historische Tradition der Spanischen Hofreitschule sicherzustellen und die traditionsgemäße Zucht und Erhaltung der Lipizzaner-Schulhengste zu gewährleisten. Aber das Wissen, was ,klassische Reitkunst' überhaupt ist, wie sie zustandekommt und welcher Voraussetzungen und Rahmenbedingungen sie bedarf – all das wird von der künftigen Geschäftsführung nicht unbedingt verlangt, ist allenfalls ,wünschenswert', aber kein Muss, meint der Vorsitzende des Aufsichtsrats? Hallo?

Diese bemerkenswerte Widersprüchlichkeit ist natürlich nichts anderes als ein Spiegelbild jener Widersprüchlichkeit, mit der das Landwirtschaftsministerium seit nunmehr 21 Jahren mit dem aus der Bundesverwaltung ausgegliederten Reitinsitut umgeht: Formell und lt. Bundesgesetz ist zwar die Bewahrung der klassischen Reitkunst und die traditionsgemäße Lipizzanerzucht das oberste Ziel, doch in Wahrheit verfolgt man ein anderes, nämlich die ,Spanische' mit möglichst wenig Verlust und im Idealfall kostenneutral zu betreiben. Und für dieses Ziel – das hat die Vergangenheit bewiesen – war man bereit, sehr weit zu gehen: Die drastische Erhöhung der Anzahl der Vorführungen auf Kosten der Pferdegesundheit ist nur das augenfälligste Beispiel dafür. Dies hielt zuletzt auch der Rechnungshof-Bericht vom Oktober 2021 explizit fest und schrieb, dass es „aufgrund des wirtschaftlichen Drucks zu einer Einsatzfrequenz der Hengste kam, die sich zulasten der Gesundheit der Pferde auswirkte." Dass es parallel dazu auch zu einem erheblichen Qualitätsverlust in den Vorführungen gekommen ist, wird von zahlenreichen Experten bestätigt und ebenfalls auf den wirtschaftlichen Druck zurückgeführt (siehe auch unser großes Interview zu diesem Thema).

Man kann es leider nicht anders sagen: Ganz offensichtlich sind die gesamten öffentlichen Diskussionen infolge des Rechnungshof-Berichts und die zahlreichen Wortmeldungen und Warnungen von Experten am zuständigen Landwirtschaftsminister und am Vorsitzenden des Aufsichtsrats spurlos vorübergegangen. Wer darauf gehofft hatte, dass es angesichts der offenkundigen „Bankrotterklärung eines Systems" (Dr. Erasimus) nun zu einer anderen Führungskultur und einem Neubeginn an der Spanischen kommen könnte, muss angesichts dieser Ausschreibung ernüchtert feststellen: Man hat nichts gelernt – man macht weiter auf der Schiene ,Betriebswirtschaft/Produktentwicklung/Vermarktung', anstatt endlich die Erhaltung der klassischen Reitkunst in den Focus zu rücken und das reiterlich schwer angeschlagene Institut zu sanieren.

Und einmal mehr kommt man zur Einsicht, dass die Spanische Hofreitschule schlicht im falschen Ministerium beheimatet ist und längst in das Kulturressort transferiert werden müsste, wo man den kulturellen Stellenwert dieser Institution zweifellos besser verstehen und wertschätzen würde. Aber ob wir das noch erleben werden – ich bezweifle es ...

Ihr

Leopold Pingitzer

Kommentare

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1) ulrikethiel: Man muss es nun wirklich leider konstatieren. Es ist zu spät. Genau das, wovor Brigadier Handler immer gewarnt hatte ist ind en letzten Jahrne gelungen. Es ist kein Institut der klassischen Reitkunst mehr. Es ist kein Institu für Reiter und Pferde mehr, in der die Doirektiven von zweibeinigen und vierbeinigen Professoren weitergegeben werden. Es gibt dort keine Pferde und Bereiter mehr, die das noch könnten. Es sit, wie im bewerbungsschreiben von Fau Klima zi trefflich umschreiben Eine tolle INstitution des Pferdesp[orts geworden. MIt einer Beraterin die selbst übelste Rollkurreiter beschäftigt und mit traurigen Publikumsauftritten, die nicht mal ein Abklatsch dessen ist, was man in den 80ern und noch 90ern dort sehen konnte. Die HOfreitschule als in violett angestrahlte Touristenattraktion ohne Reitkunst. So gesehen w re es wohl besser sie ganz auf zu lassen, was kja irgendwann wegen der Haltungsbedinguingen in der SPanischen selbst, ohne die früheren Möglcihkeiten am Rande von wien im Lainzer Tiergarten ohnehin wohl bald im Sinne des Tierschutzes passieren wird. Trairig aber leide rwohl unvermeidlich.
Donnerstag, 21. Juli 2022

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29.10.2021 - Finanzprobleme, überforderte Hengste: Harsche Rechnungshof-Kritik an Spanischer Hofreitschule10.11.2021 - Rechnungshof-Kritik zur Spanischen: "Die Bankrotterklärung eines Systems!"
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