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Kommentar: Der ganz normale Wahnsinn des österreichischen Dressursports
26.01.2021 / News

Leo Pingitzer schreibt für ProPferd.at.
Leo Pingitzer schreibt für ProPferd.at. / Foto: Archiv/Petr Blaha

Am 20. Jänner begann die offizielle Qualifikations-Periode für die olympischen Dressurbewerbe von Tokyo – und schon am 21. Jänner folgte die erste öffentliche Aufregung über mögliche unfaire und unsportliche Manipulationen dabei: ein Sittenbild des österreichischen Dressursports, wie Leo Pingitzer in seinem Kommentar meint.

 

Es ist schon wieder passiert: Zum wiederholten Male durfte – wie in sozialen Netzwerken berichtet und am Sonntag (24. Jänner) auch von der ,Kronen Zeitung’ aufgegriffen – Dressurreiterin Ulrike Prunthaller bei einem sportlich wichtigen Turnier nicht starten, weil die Nennung, die sie rechtzeitig abgegeben hatte, nicht vom Veranstalter akzeptiert worden war. Dabei handelte es sich um das CDI3*/CDI-W in der Salzburger Messehalle (21.–24. Jänner 2021) – und Veranstalter Josef Göllners Begründung gegenüber der ,Kronen Zeitung’ ist einigermaßen verblüffend: „Das hat nichts mit der Reiterin zu tun, aber ich will Wenzel Schmidt nicht in meinem Haus haben!“ (Anm.: Wenzel Schmidt ist Besitzer des Dressurstalls Bartlgut und Arbeitgeber von Ulrike Prunthaller.)

Dass ein durchaus bekannter österreichischer Turnierveranstalter allen Ernstes einen solchen Satz von sich gibt – und das auch noch weitgehend unwidersprochen und ungestraft – sagt viel über den Zustand des heimischen Pferdesports aus, ganz besonders der Dressur. Wer auf die ProPferd-Berichterstattung der letzten Jahre zu diesem Thema blickt, gewinnt zwangsläufig den Eindruck, dass hier ein Geist von Sektierertum und Cliquenwirtschaft herrscht wie wohl in keiner anderen Dressurnation der Welt. Der aktuelle Fall fügt sich nahtlos in dieses Sittenbild ein – und allen Ernstes konnte man auch die Wortmeldung lesen, dass ein solches Vorgehen wie von Josef Göllner doch das gute Recht (!) eines jeden Veranstalters sein müsse.

Hier ist ein scharfes und kategorisches Veto angebracht: Es hört sich jeglicher Sport auf, wenn ein Veranstalter einer Dressurreiterin einen wichtigen Startplatz verweigert, weil er bzw. sonst irgendwer in seinem Umfeld ein Problem mit deren Dienstgeber hat! Wieso wird eine Reiterin sportlich dafür bestraft, weil ein Veranstalter ihren Arbeitgeber „nicht in seinem Haus“ haben möchte (sein Sponsorgeld hat er aber in der Vergangenheit schon gern genommen)? Hier wird eine Sippenhaftung eingeführt, die unerträglich ist und in unserer Gesellschaft und ganz besonders im Sport nichts verloren hat.

Um es nochmals klarzustellen: Es ging hier nicht um irgendeine bedeutungslose Veranstaltung in Hintertupfing – sondern um ein wichtiges Dressur-Weltcupturnier in Österreich, das noch dazu in die entscheidende Qualifikationsperiode für die Olympischen Spiele in Tokyo fällt, die der OEPS von 20. Jänner bis 1. August 2021 festgelegt hat. Es ging auch nicht um irgendeine Hobbyreiterin, sondern um Ulrike Prunthaller, ein Mitglied des Dressur-Olympiakaders und in der aktuellen FEI-Weltrangliste immerhin die zweitbeste österreichische Dressurreiterin hinter Victoria Max-Theurer. Für Ulrike Prunthaller ging es also möglicherweise um eine wertvolle Chance zur Olympia-Qualifikation – denn wer kann heute schon seriös voraussagen, wieviele vergleichbare Turniere in den nächsten Wochen und Monaten noch möglich sein werden?

Josef Göllners Rechtfertigung ist aber nicht nur unsportlich und unmoralisch – sie ist auch sachlich verfehlt. Denn ein Veranstalter hat nicht per se die alleinige Befugnis, nach Gutdünken Teilnehmer des Veranstalterlandes anzunehmen oder abzulehnen, wie es ihm jeweils passt – dabei hat auch der jeweilige Nationale Verband ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Zur Frage „Können Veranstalter Athleten und Pferde des Nationalen Verbandes, der Gastgeber des Turniers ist, ablehnen?“ meint die FEI zwar grundsätzlich: „Ja, das können sie.“ Aber es gibt eine wichtige Einschränkung, die da lautet: „Der Nationale Verband, der Gastgeber des Turniers ist (host NF), kann jedoch – ebenso wie der Veranstalter (OC) – auf das Anmeldesystem der FEI und somit auf alle Teilnehmer zugreifen. Das bedeutet, dass der Nationale Verband abgelehnte Einträge stornieren und im Namen des Veranstalters akzeptieren kann.“ Alles nachzulesen in der interessanten Rubrik ,Häufig gestellte Fragen’ (FAQ) zum FEI Entry System.

Mit anderen Worten: Die Position des OEPS, in dieser Causa die Hände in Unschuld zu waschen und den Schwarzen Peter ganz allein dem Veranstalter zu geben („Vom Veranstalter wurde uns mitgeteilt, dass er die Nennung nicht akzeptiert.“) ist lt. FEI-Darstellung so nicht haltbar: Wenn der OEPS gewollt hätte, dann hätte er Ulrike Prunthaller sehr wohl für das Salzburger Turnier nennen können – offensichtlich wollte man das aber nicht, und dies, obwohl beim Salzburger CDI-W ein Startplatz für eine zweite Österreicherin zur Verfügung gestanden wäre. Offenbar lässt man lieber einen Startplatz für Österreich ungenutzt, anstatt ihn Ulrike Prunthaller zu überlassen, dieser Eindruck drängt sich unweigerlich auf.

Jedenfalls wirft es kein gutes Licht auf den OEPS, dass er all dem tatenlos zusieht bzw. all das billigend in Kauf nimmt. Es ist enttäuschend, möglicherweise aber bezeichnend, dass sich der neue OEPS-Sportdirektor Christian Steiner, auf den manche doch einige Hoffnungen gesetzt haben, in dieser Causa bislang nicht zu Wort gemeldet hat: Er müsste einem solchen Treiben entschieden Einhalt gebieten und sportliche Fairness und Chancengleichheit durchsetzen – davon war bislang aber nichts zu sehen oder zu hören, auch nicht von Seiten irgendeines Landespräsidenten. Hat es denn allen die Sprache verschlagen?  Unter normalen Umständen müsste jeder Sportverband bei einer solchen Aussage, wie Josef Göllner sie getätigt hat, sofort dazwischenfahren – schon allein, um einen Imageschaden abzuwenden und das öffentliche Bild des Pferdesports zu korrigieren. Doch leider ist man in Österreich von normalen Verhältnissen weit entfernt – hier herrscht buchstäblich der ganz normale Wahnsinn.

Wie verrückt das alles längst geworden ist, kann am besten ein kleines Gedankenexperiment verdeutlichen: Man stelle sich nur eine Sekunde lang vor, dass beispielsweise einem Vincent Kriechmayr der Start bei einem wichtigen Weltcup-Rennen – beispielsweise dem Kitzbüheler Hahnenkammrennen – verweigert würde, weil der Veranstalter – der Kitzbüheler Ski Club – vor 20 Jahren mit Kriechmayrs Vater gestritten hat. Können Sie sich vorstellen, was da los wäre – in der Öffentlichkeit, in den Medien, im Österreichischen Ski-Verband? Genau solche Absurditäten passieren aber in Österreichs Dressursport am laufenden Band. Einem Außenstehenden kann man das alles längst nicht mehr erklären – ohne für völlig verrückt gehalten zu werden. Doch solange sich das alle gefallen lassen, wird sich an diesem Wahnsinn auch nichts ändern, meint
Ihr

Leopold Pingitzer

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