Kommentare 

Zur Übersichtzurück weiter

Gastkommentar: Die Brandkatastrophe von Leibnitz muss ein Weckruf sein!
26.03.2020 / News

Der verheerende Brand zerstörte große Teile des bekannten Einstell- und Turnierstalls Bergmühle.
Der verheerende Brand zerstörte große Teile des bekannten Einstell- und Turnierstalls Bergmühle. / Quelle: Youtube-Video

Der furchtbare Brand im Reitstall Bergmühle bei Leibnitz, bei dem mehrere Pferde zu Tode kamen, macht einmal mehr deutlich, dass Pferdebetriebe Gefahrenzonen erster Güte sind – was leider immer noch nicht tief genug ins allgemeine Bewusstsein gedrungen ist.  Ein Gastkommentar von Martin Haller.

 

Die bedrückenden Bilder des Unglücks verbreiteten sich über die sozialen Medien in atemberaubender Geschwindigkeit. Binnen weniger Stunden wusste ganz Österreich von der verheerenden Brandkatastrophie bei Leibnitz, dem ein Großteil des bekannten Einstell- und Turnierstalls Bergmühle und nach Medienberichten insgesamt neun Pferde zum Opfer fielen. Angesichts der erschütternden Nachricht über die qualvoll gestorbenen Pferde ging beinahe unter, dass fast gleichzeitig in Perbersdorf (SO-STMK.) ein weiterer Landwirtschaftsbetrieb brannte, wobei zum Glück Mensch und Tier unbeschadet blieben und lediglich großer Sachschaden entstand.

Beide Unglücksfälle sind ein trauriger Beleg dafür, dass tierhaltende Betriebe einer besonderen Brandgefahr ausgesetzt sind – und dass selbst Ställe, die für straffes Management und tadellose Substanz bekannt sind, nicht vor derartigen Katastrophen gefeit sind. „Murphy’s Law" (,If something can go wrong, it will' – Wenn was schiefgehen kann, dann wird es das) kann scheinbar durch nichts außer Kraft gesetzt werden.

Im Fall der Bergmühle (Betreiber Gerfried Puck, Eigentümer Familie Hainzl) kamen auch noch mehrere negative Faktoren hinzu: Just an dem Tag wehte ein stark böiger und drehender Wind, der die Flammen rasend schnell verbreitete und bis in angrenzende Waldstücke und an das benachbarte Kloster Seggau herantrug, immerhin rund 500 Meter weit. Als ob dies nicht genug gewesen wäre, hatte die Corona-Krise bewirkt, dass sich selbst tagsüber (der Brand brach um ca. 14 Uhr aus) nur ganz wenige Personen auf dem Stallgelände aufhielten und damit die Hilfskräfte vor Ort nicht ausreichten. Und zu allem Unglück gab es in der Nähe des Betriebs keinen Hydranten, was den Einsatz von Tankfahrzeugen erforderlich machte. Das schicksalhafte Zusammenspiel dieser Faktoren begünstigte die Katastrophe in der denkbar ungünstigsten Weise, erschwerte die Arbeit der rund 250 Feuerwehrmänner und -frauen mit knapp 60 Fahrzeugen enorm – und verschärfte die tragischen Folgen. Das Inferno tötete sieben Pferde an Ort und Stelle, zwei weitere starben etwas später an den Folgen, eines davon bereits in der Tierklinik.

Selbstverständlich ist dies nicht der Ort und schon gar nicht die richtige Zeit für moralinsaure Belehrungen und überflüssige Besserwisserei. Zulässig und auch sinnvoll erscheint einzig und allein ein allgemeiner Appell, der jeden von uns angeht und der angesichts der Katastrophe vielleicht mehr Gehör findet als sonst: Wir alle müssen uns bewusst sein, dass ein Pferdebetrieb eine Gefahrenzone erster Güte darstellt und einem besonders hohen Risiko ausgesetzt ist, wie ich schon an anderer Stelle geschrieben habe. Zu keiner Sekunde darf vergessen werden, dass man angesichts der großen Menge an leicht brennbaren Stoffen vor Ort (Heu, Stroh, Sägespäne, Treibstoffe etc., meist gelagert in hölzernen und/oder alten Gebäuden) förmlich auf einem Pulverfass sitzt – und schon ein einziger Funke genügt, um ein Inferno auszulösen. Und jeder Pferdefreund soll und muss alles dazu beitragen, jegliche potentielle Gefahrenquelle und insbesondere Feuer von Ställen und Reitanlagen akribisch und konsequent fernzuhalten, um unsere Pferde und sonstigen Tiere vor jeglicher Unbill zu bewahren.

Dazu gehört leider auch ein Thema, das immer wieder für Diskussionen und sogar Auseinandersetzungen sorgt, nämlich das Rauchen. Es ist erst wenige Monate her, dass Österreich – als eines der letzten Länder der EU – ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie eingeführt hat. Angesichts der besonderen Gefahrenlage sollte dies auch für jeden Pferdebetrieb Vorbild sein, getreu dem geflügelten Wort: Wer in der Nähe oder gar auf solchen Anlagen raucht, ist ein potenzieller Brandstifter – nur ist das Feuer eben noch nicht ausgebrochen!

Weiters müssen wir als Pferdehalter jede geeignete Vorsichtsmaßnahme treffen, um ein entstandenes Feuer bekämpfen und seine Ausbreitung verhindern zu können. Dies umfasst die Installation von Feuermeldern ebenso wie die Bereitstellung von Feuerlöschern, Feuerdecken, Notfallplänen, Übungsalarms, Videokameras, Sprinkleranlagen, Löschteiche, Fluchtwege usw. usw. Weitere Tipps und Details können gerne hier nachgelesen werden.

Vor allem sind wir gefordert, in diesen schwierigen Zeiten dafür zu sorgen, dass unsere vierbeinigen Freunde nie unbeaufsichtigt sind, und zwar zu keinem Zeitpunkt. Der Begriff „Stallwache“ ist heutzutage vielfach unmodern bzw. sogar unbekannt geworden. Gerade jene Stallbetreiber, die überwiegend auf Boxenhaltung setzen, sollten um die Wichtigkeit der Überwachung wissen; wenn sie nicht personell ausführbar ist, so kann die Technik gewisse Alternativen bieten. Und wir sollten dafür sorgen, dass alle Boxen und Paddocks von außen leicht zugänglich sind und als Fluchtweg dienen können. Eine Paddockbox, die man nur über die Stallgasse im Gebäude verlassen kann, ist nicht zweckdienlich; ein Ausgang vom Paddock direkt ins Freie ist eine kostengünstige, nachrüstbare Variante.

Nach Angaben der Feuerwehr kam es beim Brand der Bergmühle auch noch zu Behinderungen der Einsatzkräfte durch Schaulustige, was man gar nicht scharf genug verurteilen kann, denn es ist zynisch und hochgradig unsolidarisch, wenn in Zeiten eines allgemeinen Ausgehverbots eine Masse von Gaffern die Rettungsarbeit behindert, weil ihnen daheim schon zu fad war. Mögen ihnen sämtliche Zähne ausfallen – bis auf einen, damit sie auch noch ordentlich Zahnweh kriegen können!

Immerhin hat die „Katastrophe Bergmühle“ aber auch die Hilfsbereitschaft unter den Pferdeleuten aufgezeigt: Viele Nachbarn haben versucht zu helfen und sind gekommen, um überlebende und freilaufende Pferde aufzulesen und in Sicherheit zu bringen. Auch das soll an dieser Stelle gesagt sein.

Die beiden katastrophalen Brände sollen und müssen für uns alle Mahnung und Weckruf sein, unser Bewusstsein für die Gefahr wach zu halten, unsere Vorsicht zu erhöhen und unser Sensorium für das größte anzunehmende Unheil zu schärfen. Das gilt für Corona, alle sonstigen Bedrohungen unserer schönen, weil einzigen Welt – und auch und vor allem für die Sicherheit und Gesundheit unserer Tiere, die uns auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind. Alle, die völlig unschuldig den Verlust eines geliebten Pferdes hinnehmen müssen, deren Hab und Gut in den zwei Feuern unterging, mögen unser ehrliches, tiefes Mitgefühl annehmen.

Martin Haller

Martin Haller ist Fachjournalist & Buchautor und betreibt einen Pferdehof in der Steiermark.

Kommentare

Bevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...
Zur Übersichtzurück weiter

 
ProPferd.at - Österreichs unabhängiges Pferde-Portal − Privatsphäre-Einstellungen