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Berittene Polizei in Österreich: eine Debatte auf traurigem Niveau
26.06.2018 / News

Berittener Polizist in New York: Die ,Berittenen
Berittener Polizist in New York: Die ,Berittenen' sind ein wichtiger Sympathieträger für viele Polizeibehörden – und ein Bindeglied zur Gesellschaft. / Foto: Michaela Windberger

Das Thema ,berittene Polizei“ sorgt in Österreich für Schlagzeilen am laufenden Band – doch die öffentliche Diskussion darüber hat ein erschreckend niedriges Niveau und wird von Emotionen und Vorurteilen geprägt. Ein Kommentar von Leopold Pingitzer.

 

Es ist in der Tat fast schon kurios, was sich in den letzten Tagen rund um das Thema ,berittene Polizei’ in Österreichs Medien abgespielt hat: Nahezu im Stundentakt überschlugen sich die Schlagzeilen der Tageszeitungen und News-Portale: „Berittene Polizei: Kickl will nur braune oder schwarze Pferde“ (Tiroler Tageszeitung), „Finanzierung für berittene Polizei gesichert“ (Kronen Zeitung), „Berittene Polizei: Vorerst nur vier Pferde zum Kauf angeboten“ (Der Standard), „Kickl hat zu wenig Pferde für seine berittene Polizei“ (Heute) oder „Berittene Polizei: Erstes Pferd bestand Untersuchung“ (OÖ Nachrichten) sind nur eine kleine Auswahl. Was um Himmels willen ist geschehen, das die Republik so in Wallung gebracht hat?

Antwort: Eigentlich nichts. Tatsächlich war die inhaltliche Substanz hinter diesem Schlagzeilen-Stakkato erstaunlich gering: Das Innenministerium hatte schlicht die erste, rechtlich vorgeschriebene Stufe der Pferdebeschaffung in Form einer öffentlichen Ausschreibung absolviert und dabei vier Bewerbungen erhalten – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das Projektteam kann nun – hoffentlich in Ruhe und ohne Paparazzi an ihren Fersen – bei Züchtern und Händlern im In- und Ausland die restlichen benötigten Pferde aussuchen und möglichst rasch mit deren Ausbildung beginnen. Das gilt auch für das zweibeinige Personal: Hier haben sich auf den polizeiinternen Aufruf insgesamt 72 Bewerber für die zu besetzenden 11 Planstellen (drei sind bereits vergeben) gemeldet – 60 davon sind Frauen.

Im August soll die gemeinsame Ausbildung beginnen. Die von manchen Medien beschworene Gefahr, dass man bis dorthin nicht 12 bis 14 geeignete Pferde beisammen haben wird, erscheint eher gering – denn in nahezu allen Ländern Europas gibt es ein Überangebot an Pferden, und die gestellten Anforderungen sind weder überzogen noch unerfüllbar. Das mit Abstand wichtigste Kriterium ist – wie Polizeireiter und Ausbildner einhellig bestätigen – ein ruhiges, ausgeglichenes Temperament und ein eifriger, lernwilliger Charakter. Diese Voraussetzung ist für ein Polizeipferd unverzichtbar – alles andere kann trainiert und erlernt werden.

Das mediale Getöse lässt freilich nichts Gutes erahnen – und sollte für die verantwortlichen Personen im Innenministerium eine Warnung sein: Sie täten gut daran, sich in den nächsten Wochen und Monaten eher schützend und abschirmend vor das Projektteam und die Polizeireiter zu stellen, als diese bei jeder sich bietenden Gelegenheit vor die Kameras und Mikrophone zu zerren. Das Team rund um Ausbildungsleiter Obstlt. Roland Pulsinger hat eine überaus schwierige und anspruchsvolle Herausforderung zu bewältigen, nämlich nach fast sieben Jahrzehnten Pause wieder eine Reiterstaffel in Österreich auf die Beine zu stellen – mit allem, was an Know-how, Logistik, Organisation, Infrastruktur, Ausrüstung etc. dafür erforderlich ist. Das ist keine Kleinigkeit, und es kann dabei nur allzu leicht zu Problemen, Verzögerungen oder Zwischenfällen kommen. Das Team braucht dabei vor allem Ruhe und Konzentration – und die Rückendeckung des Ministeriums.

Für Unruhe werden ohnehin andere sorgen: Wie die letzten Tage und Wochen bereits gezeigt haben, steht das gesamte Projekt unter kritischer Beobachtung diverser Tierschutz-Organisationen. Deren Bedenken sind zweifellos ehrenhaft und auch ernst zu nehmen – doch gerade im Falle der berittenen Polizei erscheinen sie, objektiv betrachtet, jedenfalls übertrieben. Den Polizeipferden wird es hervorragend gehen – gerade weil sie derart im Focus der Medien stehen und diese förmlich auf negative Schlagzeilen warten, wie manches Beispiel („Kickl hat zu wenig Pferde für berittene Polizei“) zeigt. Zudem wird jeder Experte bestätigen, dass eine berittene Einheit nur dann funktioniert, wenn zwischen Pferd und Reiter ein tiefes, unerschütterliches Vertrauensverhältnis herrscht: Der Reiter muss sich auf sein Pferd verlassen können – und das Pferd auf seinen Reiter, und dieses Grundvertrauen darf durch keine negativen Erlebnisse untergraben oder gar zerstört werden. Die vielkritisierte Desensibilisierung der Pferde in Form eines Gelassenheitstrainings wird daher sanft und schrittweise erfolgen, wie sich das gehört, um das starke, positive Band zwischen Mensch und Tier nicht zu gefährden.

Um das Wohlbefinden der Polizeipferde muss man sich also keine großen Sorgen machen – eher schon darüber, dass sie auf ihren späteren Patrouillen zuviele Streicheleinheiten und zuviele Leckerlis von entzückten Passanten oder Touristen abbekommen (eine kleine Tafel ,Bitte nicht füttern’ sollte zur freiwilligen Sonderausstattung gehören). Andreas Freundorfer, der Chef der Münchner Reiterstaffel, weiß aus langjähriger Erfahrung, dass das Wohl des Pferdes eine unabdingbare Voraussetzung für seine volle Einsatzfähigkeit ist: „Fühlt sich ein Pferd nicht wohl, kann es keine Leistung erbringen“, meinte er gegenüber News.at. Daher sei es für die Münchner Polizeipferde selbstverständlich, zwei Monate Sommerurlaub auf der Alm zu genießen – das sollte auch für die österreichischen Pferde gelten.

Neben tierschützerischen Bedenken werden in diversen Foren vor allem auch die hohen Kosten als Argument gegen eine berittene Polizeieinheit ins Treffen geführt. Das hat – zumindest in gewissem Umfang – auch seine Berechtigung: Selbstverständlich verursacht eine Reiterstaffel zusätzliche Kosten – doch diesen steht auch ein zusätzlicher Nutzen gegenüber, nämlich ein Mehr an Sicherheit in bestimmten Situationen. Es ist in hohem Maße bedauerlich, dass dieser wichtige Gesichtspunkt in der momentanen Diskussion kaum angesprochen wurde. Wir haben bereits mehrfach auf die einsatztaktischen Vorteile hingewiesen – und wollen daher diesmal das niederländische Innenministerium zitieren, das in einem Bericht die wesentlichen Vorzüge auf den Punkt gebracht hat:

Ein Mensch auf einem Pferd ist eine Respekt einflößende Erscheinung, zum einen wegen der imposanten Größe des Pferdes, zum anderen wegen der erhöhten, dominanten Stellung des Reiters. Schon ein einziger Polizeireiter macht Eindruck. Das gilt natürlich umso mehr für eine Gruppe von sechs Reitern, die als berittene Mobile Einheit zum Einsatz kommen. Das Pferd ist ein freundliches, aber überzeugendes Druckmittel, und der Reiter wird gesehen und behält zugleich den Überblick. (…) Eine berittene Mobile Einheit kann in bestimmten Situationen eine Vielzahl von Polizeibeamten ersetzen“, so der Bericht, der damit schließt, dass der Einsatz berittener Polizei „ein äußerst effektives polizeiliches Instrument“ ist.

Nicht zuletzt das ist der Grund, weshalb es in nahezu jeder europäischen Metropole eine berittene Polizei gibt: Weil ihr Einsatz sicherheitstechnisch sinnvoll ist und sie in bestimmten Situationen durch kein anderes polizeiliches Mittel adäquat ersetzt werden kann. Ganz abgesehen davon, dass Pferde für eine Polizeibehörde ein wertvoller Sympathieträger und ein wichtiges Bindeglied zur Gesellschaft sein können: Kein anderer Polizist wird so oft angesprochen wie jener auf dem Pferd, wird nach dem Namen des Pferdes und seinen Vorlieben gefragt, ob man es streicheln darf usw. Diese – positiv besetzten – Kontakte zur Bevölkerung sind für eine moderne Polizeibehörde von unschätzbarem Wert – und ebenfalls durch nichts zu ersetzen.

Es ist sehr traurig, dass eine sachliche, emotionslose Diskussion zum Thema ,berittene Polizei’ hierzulande kaum möglich ist – und über Stammtisch-Niveau („Wos des wieda kosten wird!“, „Wos brauch ma den Bledsinn!“) kaum hinauskommt. Vielleicht macht diese kleine Aufgabe immerhin den einen oder anderen ein wenig nachdenklich: Hier eine Liste mit 20 europäischen Großstädten:

Amsterdam
Berlin
Brüssel
Den Haag
Dublin
Edinburgh
Hamburg
Helsinki
London
Madrid
Mailand
Moskau
München
Paris
Prag
Rom
Rotterdam
Stockholm
Warschau
Wien

Frage: Nur eine einzige dieser Städte hat keine berittene Polizei – welche? Richtig! Nächste Frage: Und wieso, glauben Sie, ist das so? Sind die Polizeibehörden in all den anderen Ländern unfähig, dumm oder verschwendungssüchtig? Oder vielleicht doch ein bisschen pragmatischer und offener, als es ihre Kollegen aus Wien sind – bzw. bisher waren …? Denken Sie einfach einmal darüber nach,
meint
Ihr

Leopold Pingitzer

PS: Sagen Sie mir ruhig Ihre Meinung: redaktion@propferd.at

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4) Moonlight59: Ein wahres Wort - und eine Mahnung, nicht alles und jedes schon im Vorhinein zu zerreden und kritiklüstern zu zerreißen, ehe sich Mensch (oder Tier) praktisch betätigen konnten. Bemerkenswert auch das Verhalten der pferdeaffinen Leserschaft: Alle noch so interessanten Artikel in propferd oder den Medien - null Reaktion, höchstens ein paar Likes. Leserbriefe? - weit gefehlt; Kommentare? - wir doch nicht! Aber dann ein Beitrag zum Aufreger des Jahrzehnts, und weit über 1300 Likes und immerhin drei (!) Kommentare, eine geradezu astronomische Zahl. Sie zeugt von der hohen Emotionalität des Themas, von der sozialen Brisanz und dem (völlig verzerrten) Stellenwert des politisch aufgeheizten Themas, das so aufregend doch nicht ist. Worum geht es eigentlich? - eine europäische Großstadt leistet sich neben sinnlos verpulverten -zig Milliarden ein paar Polizeireiter um eine knappe Mille oder so. Echter Sensationswert vergleichbar mit dem berühmten Fahrrad, das in Peking umfällt. Aber die Volksseele wird medial zum Kochen gebracht, der linke Rand geifert und beschwört Szenarien aus der dunklen Zeit herauf, während sich die ganze Pferdebranche wieder mal vornehm in betretenes Schweigen hüllt. Klar, alles, was man dazu sagt, kann und wird gegen einen verwendet werden, so ist die Politik. Aber das darf kein Grund sein, immer den Mund zu halten und nie, nie Stellung zu beziehen. Man kann und darf nämlich durchaus auf sachlicher Ebene publizieren und argumentieren - wie Herr Pingitzer beweist - obwohl er sich hier ja beinahe schon eine emotionale Entgleisung geleistet hat. Für mich steht fest: Sobald das Thema Pferd aus der Kuschelzone in die politische Arena gezerrt wird, versagt die Propaganda für das Pferdes auf allen Ebenen. Solange es um Feng-Shui im Pferdestall oder Ähnliches geht, reißen viele entbehrlich das Maul auf, aber wenn s um Eingemachtes geht, herrscht Schweigen auf der Weide! Schade...
Samstag, 30. Juni 2018
3) adolf.lepka@aon.at: @HoPaReiter - Ich würde mir da weniger Gedanken machen, da - wie Herr Pingitzer ja auch richtig schreibt - den Ausbildenden und Zuständigen sehr wohl über die Schulter geschaut wird und es den Pferden auch im städtischen Bereich (wo es ja auch viel Grünland gibt) für die Zeit die sie dort verbringen müssen, sicher sehr gut gehen wird.
Nachfragen, aber eher direkt bei der ausschreibenden Stelle im InnenMinisterium.
Donnerstag, 28. Juni 2018
2) HoPaReiter: Danke für diesen Artikel. Sie bringen meine Gedanken auf den Punkt.
Was mich noch interessieren würde ist die Haltungsform, die die angehenden Polizeipferde erwartet. Box, Box + Paddock, Laufstall, ...?
Hätte ja einene passenden Wallach, und es ist irgendwie lustig sich vorzustellen wie der in Wien Streife geht ... aber ich habe Skrupel ihn anzubieten weil ich mir nicht vorstellen kann, daß in einer städtischen Kaserne eine artgerechte Haltung möglich ist.
Mittwoch, 27. Juni 2018
1) adolf.lepka@aon.at: Gut geschriebener Artikel, den man noch ergänzen könnte. Nämlich speziell in den deutschen Städten die eine beritten Polizei installiert haben.
Neben Hamburg, Berlin und München gibt es nämlich noch welche in:
Achen, Hannover, Bochum, Kassel, Stuttgart, Mannheim, Dresden und und und ....
in Zukunft sollen auch in Augsburg, Fürth, Ingolstadt, Nürnberg, Regensburg und Würzburg Reiterstaffeln stationiert und die Zahl der Pferde auf 200 erhöht werden
Weiterfuhrender Link wäre hier z.B.:
https://de.wikipedia.org/wiki/Berittene_Polizei
Dienstag, 26. Juni 2018
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