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Gastkommentar: Die Spanische Hofreitschule darf kein politischer Spielball mehr sein
27.01.2019 / News

Martin Haller ist Journalist und Fachbuchautor und betreibt einen Pferdehof in der Steiermark.
Martin Haller ist Journalist und Fachbuchautor und betreibt einen Pferdehof in der Steiermark. / Foto: Archiv

Seit der Ausgliederung der Spanischen Hofreitschule aus der Bundesverwaltung ist das Traditions-Institut nicht zur Ruhe gekommen. Die neue Geschäftsführung hat nun die Chance auf einen Neubeginn – doch dafür müsste sich Grundlegendes ändern. Ein Gastkommentar von Martin Haller.
 
In der klassischen griechischen Tragödie ist das schreckliche Ende stets unabwendbar und ein notwendiges Stilmittel, um dem Stück den zwingend-logischen, lehrhaften Schlusspunkt aufzusetzen. Der Zuschauer soll erkennen, dass menschliches Fehlverhalten unweigerlich in den Abgrund führt und der unvollkommene, getriebene Mensch gar keinen Ausweg hat. Ganz so krass ist es zum Glück nicht, wenn in der Walzerstadt am blauen Donaustrand ein kleines Tragöderl stattfindet oder ein Nebengott ein bisserl beleidigt wird. Beachtlich jedoch immer wieder, welches Echo eine Neubesetzung von Spitzenpositionen in der Hofreitschule oder in Piber hervorruft…

Wir erinnern uns (mit Schaudern?) an den jahrelangen, medial ausgetragenen Kampf und Krampf um dienstfreie Oberbereiter, überlastete Hengste, endlosen Knatsch mit Kritikern und die end- und letztlich fruchtlose Diskussion um die angeblich oder tatsächlich sinkende Qualität der Darbietungen. Alles das geschah vor dem Hintergrund einer bewusst herbeigeführten Verunsicherung, ausgelöst durch die sogenannte Ausgliederung 2001, die drohenden Bankrott, personelle Querelen, Traditionsverlust und eine schwache Personaldecke mit sich brachte. Man hatte damals mit – man kann es nur so nennen – typisch österreichischem Selbstzerstörungstrieb eine Tragödie eingeleitet, die nun ihrem nächsten Akt zustrebt. Derzeit wird erneut und sicher nicht letztmalig über die grundlegende Ausrichtung der „Spanischen“ entschieden. Wird ihr die unbedingt notwendige innere Sicherheit gegeben, damit sie aus dem Tal der Tränen der letzten Jahrzehnte herausfindet – oder muss sie weiter trudeln, bis zum logischen Ende jeder Tragödie?

Hier soll keine persönliche Schuld postuliert werden – wahrscheinlich hat keine(r) der maßgeblichen Beteiligten der letzten 17 Jahre wissentlich oder absichtlich eine einzelne, große Katastrophe verursacht. Es war bloß keine(r) gewillt oder imstande, mit ganzer Kraft das Wahre und Richtige zu tun bzw. einzufordern oder auch nur laut zu sagen – wie in der Politik leider üblich. Multiplizieren wir das mit zwanzig oder dreißig Personen (Geschäftsleitung, Leitung in Piber, Beirat, Ministerium, Bereiter, etc.), dann haben wir die Besetzung für ein vorhersehbares Drama beisammen.

Über die weibliche Titelrolle der vergangenen Jahre wurde so viel geredet und so wenig gesagt, dass es müßig ist, den alten Sud nochmals aufzukochen. Sie war zweifellos eine starke, tatkräftige Persönlichkeit, die aber wohl nicht immer die richtigen Entscheidungen getroffen hat – doch wer hätte ihr Paroli geboten? Ihre Handlanger waren die üblichen Charaktere, willfährig, unkritisch, beliebig oder nutznießend; manche sind sicher noch da und werden es wohl bleiben, andere nicht...  Die Opfer? Die Pferde jedenfalls, weil ihnen offenkundig niemand mehr wirklich gerecht wird, weil sie – wie nicht nur ehemalige Oberbereiter meinen – nicht mehr nach den streng klassischen Regeln ausgebildet werden und zu Zerrbildern ihrer wahren Kunst gemacht wurden. Ähnliches gilt für die Bereiter, weil sie seit Jahren von schwächelnden Priestern auf die falschen Götzen eingeschworen wurden, weil man ihnen Fehler anlastet, für die sie nicht allein verantwortlich sind. Man hat ihnen nicht sagen dürfen, was ihr gutes Recht zu wissen war: die Wahrheit.

Manche haben es wohl geahnt, waren gescheit genug, die eigenen Schwächen zu erkennen, aber auch die wurden „geschwiegen“. Die letzten beiden Oberbereiter mit genug Ego, um sich gegen das große Nichts zu wehren, hat man so gründlich ausgemustert, dass eine Versöhnung im Bedarfsfalle fraglich bleibt. Sollte – wie sich in neuen Presseberichten abzeichnet – ein neues Engagement von Oberbereiter Johann Riegler abzeichnen, so wäre dies eine positive Sensation! Nur jemand wie Riegler könnte es schaffen, die Augias-Ställe auszumisten, vorausgesetzt, man stattet ihn mit allen Kompetenzen aus, die dazu nötig sind und ist bereit, ihm in eine Phase des Wiederaufbaus zu folgen. Denn jene klaren, einfachen Strukturen in Schule und Gestüt, die zu Zeiten eines Podhajsky, Handler, Lehrner oder Albrecht für reiterliche Qualität und zumindest äußere Harmonie sorgten, sind längst Geschichte.

Die Erbsünde war es wohl, die Reitschule und das Gestüt durch die Ausgliederung zu einem politischen Spielball zu machen, der ungeheure Begehrlichkeiten weckte und seit 2001 nur ständig wachsendes Chaos produziert! Eine knapp 500-jährige „Akademie der schönen Künste“ darf weder aktiv noch passiv mit Politik etwas zu tun haben, muss frei, unabhängig und wirtschaftlich sicher in ruhigen Bahnen arbeiten können. Die positiven Kräfte der Beharrlichkeit zu nützen, das Arbeiten aus innerer Überzeugung und nicht auf Zuruf von außen, das Wissen um die eigene Vergangenheit und Verantwortung – das sind die Qualitäten, die man hier und jetzt braucht. Hysterische Gewinnoptimierung und Beifall heischendes Mediengetöse sind störend und gefährlich; sie verwirren und verschleiern das Ziel. Das ist ja gesetzlich verankert und lautet, die klassische Reitkunst und das Lipizzaner-Pferd zu bewahren, und nicht, möglichst oft in einem beliebten Kurzformat des ORF aufzutreten.

Fazit: Zu viele zu wenig kundige Menschen haben an einer Sache rumgemurkst, die recht einfach gestrickt sein könnte (und es eigentlich vor 2001 auch war). Sie haben sich mit Positionen und vermutlich auch Annehmlichkeiten gegenseitig oder selbst versorgt. Mit bunten Dingen, die der Spanischen wenig nützten und für das Wohl der Pferde und die Pflege der Reitkunst unnötig waren und sind. Zu wenige Menschen, die es besser wussten, wurden um ehrliche und konstruktive Auskunft gefragt und jene, die es ungebeten trotzdem sagten, hat man in seltener Schärfe mundtot gemacht. Kaum jemand wollte, konnte oder durfte die Wahrheit sagen, die eigentlich erstaunlich banal ist.

Was brauchen die Lipizzaner wirklich?

– Nicht mehr als eine Handvoll Beamte, die sich in ministerieller Stille anonym um deren Sicherheit und Ausstattung kümmern. Dazu müssten sie unbedingt in das Kultur-Ressort übergehen und dort erneut als Staatsbetrieb(e) sicher verankert werden.

– Einen tüchtigen Gestütsdirektor mit viel Eigenverantwortung in Piber, der Sorge trägt, dass es genug gute Pferde gibt, weil damit alles anfängt.

– Weiters einen energischen Leiter in Wien, der exzellent reitet oder geritten ist, am Besten in den Vorführungen mitreiten kann – und der zuvorderst dafür sorgt, dass rund 15 Bereiter das tun, wofür sie auf der Welt sind – nämlich auf 70 oder 75 Hengsten klassisch gut reiten.

Alle Beteiligten müssen dann nur mehr von 6 bis 13 Uhr an ihrem Arbeitsplatz fleißig und ehrlich der Schönheit des Pferdes dienen, mehr hat es nie gebraucht. Zieht man den Vergleich mit einer Sacher-Torte, könnte man sagen, dass diese auch nicht besser würde, je mehr Köche ständig neue Zutaten hineinkippen: Wer an einem vollkommenen klassischen Rezept etwas ändert, zerstört es damit, meint
Ihr

Martin Haller

Martin Haller ist Fachjournalist & Buchautor und betreibt einen Pferdehof in der Steiermark.

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