Kommentare 

Zur Übersichtzurück weiter

Verpasste Olympia-Qualifikation: Reitnation Österreich am Boden der Tatsachen
28.08.2019 / News

Leo Pingitzer schreibt für ProPferd.
Leo Pingitzer schreibt für ProPferd. / Foto: Archiv/Petr Blaha

Die Europameisterschaften von Rotterdam (19.–25. August 2019) sind geschlagen – die sportliche Bilanz ist aus österreichischer Sicht höchst bescheiden, trotz der bewundernswerten Erfolge von Pepo Puch und dem Paradressur-Team. Vor allem Österreichs Springreiter erlebten eine unsanfte Landung auf dem Boden der Realität. Ein Kommentar von Leo Pingitzer.


Man darf vermuten, dass Verantwortlichen im Österreichischen Pferdesport-Verband wahre Dankesgebete an die FEI richten, dass sie nicht nur die Spring- und die Dressur-EM an den Veranstalter in Rotterdam vergeben haben, sondern auch die Paradressur-EM 2019. Denn so gab es zumindest einen sportlichen Lichtblick aus österreichischer Sicht, nämlich die Goldmedaille im Einzeltest und die Silbermedaille in der Kür für Österreichs Paradressur-Star Pepo Puch. Und der OEPS nutzte diese – zweifellos bewundernswerten – Erfolge auch ausgiebig für seine Verbands-Aussendungen während des Championats.

Bei der Kommunikation der Misserfolge zeigte man sich erheblich diskreter – und versteckte die schlechten Nachrichten durchwegs unter positiven Schlagzeilen: So erfuhr man von der verpassten Olympia-Qualifikation der Dressurreiter unter der Schlagzeile „EM-Debütant Bacher schafft Sprung in Special“ – und als man notgedrungen das desaströse Abschneiden des Spring-Teams berichten musste (die damit ebenfalls die Qualifikation für Olympia 2020 verfehlte), tat man dies unter der optimistischen Headline „Max Kühner bleibt dran“. Dagegen wäre im Prinzip nichts zu sagen – jeder Verband stellt sich nach außen hin gern positiv dar, doch beim OEPS kann man den Eindruck gewinnen, dass dieser Drang nachgerade zu einer Obsession geworden ist – der man schon soweit erlegen ist, dass man die eigene PR offenbar selber glaubt.

Wie anders ließe sich erklären, dass sich OEPS-Präsidentin Elisabeth Max-Theurer bei der Vorstellung der heimischen EM-Teilnehmer zu der Bemerkung hinreißen ließ: „Wir fahren mit 3 starken Teams nach Rotterdam, die große Chancen auf Quotenplätze für Tokio und sogar Medaillen haben.“ Das war – zugegeben – vor der Absage von Victoria Max-Theurer und der doping-bedingten Sperre von Springreiter Felix Koller, die natürlich die Teams geschwächt haben. Doch anders gefragt: Wenn eine Mannschaft den Ausfall eines einzigen Reiters nicht verkraftet – ist diese Mannschaft dann wirklich so stark?

Ein bisschen mehr Bescheidenheit und Realitätssinn hätte der Präsidentin jedenfalls gut zu Gesicht gestanden – in Wahrheit verlangt niemand in Österreichs Reitsport-Community Medaillen bei einem Spring- oder Dressur-Championat: Wir wären – ehrlich gesagt – schon glücklich, endlich wieder ein Team zu Olympischen Spielen entsenden zu können, doch dafür hat es auch diesmal wieder nicht gereicht. Das heimische Dressurteam mit Karoline Valenta, Belinda Weinbauer, Astrid Neumayer und Florian Bacher kam über Platz 12 (bei 15 teilnehmenden Nationen) nicht hinaus, für Olympia wäre mindestens Platz 8 erforderlich gewesen. Die beste Einzelplatzierung holte EM-Debütant Florian Bacher, der sich für den Special qualifizierte und in der Endwertung auf Rang 28 kam.

Rang 12 in der Mannschaftswertung war übrigens das schwächste EM-Ergebnis seit vielen Jahren – 2009 in Windsor und 2013 in Herning hatte man jeweils Platz 6 erreicht, aber da ging es auch nicht um eine Olympia-Qualifikation. Und es verlängert sich zum wiederholten Mal eine traurige sportliche Durststrecke: Zuletzt war im Jahr 2004 ein österreichisches Dressurteam bei Olympischen Spielen dabei – die nächste Gelegenheit ist nun erst wieder 2024.

Da ist es auch kein Trost, dass es für Österreichs Springreiter in Rotterdam noch schlechter lief: Hier konnte einzig Max Kühner eine EM-reife Leistung zeigen, der nach starkem EM-Auftakt lange im vorderen Feld mitkämpfte und erst nach zwei Abwürfen in der dritten Runde des Einzelbewerbs auf einen Start im Finale der Top-25 verzichtete. Er belegte in der EM-Einzelwertung schließlich Rang 31. Für das restliche Team kam’s jedoch dicke: Matthias Raisch wurde nach zwei Abwürfen und zwei Verweigerungen abgeläutet, Stefan Eder gab nach drei Abwürfen vorzeitig auf, ebenso wie Roland Englbrecht, der gar nur bis Hindernis 2 kam. Das Team war damit – wie es so unschön heißt – ,geplatzt’, Österreich erreichte als einzige Mannschaft kein Endresultat und wurde auf dem 15. und damit letzten Platz der Mannschaftswertung gereiht: die sportliche Höchststrafe und – soweit wir es überblicken können – das schlechteste EM-Teamresultat aller Zeiten.

In jedem anderen Sportverband hätte ein solches Ergebnis wohl umgehend zu einer offenen Debatte geführt: Wer trägt die Verantwortung für das blamable Abschneiden – und wer zieht Konsequenzen? Waren Training und Vorbereitung optimal? Und vor allem: War es – angesichts der Ausfälle vor der EM – richtig und sinnvoll, mit diesem Team zur EM zu fahren – oder hätte man nicht besser auf den Mannschaftsbewerb verzichtet, wie man es schon einmal, nämlich im Jahr 2013, aus sportlichen Gründen getan hatte? Doch keine Sorge: Von einer solchen Diskussion dürfte man in Österreich weit entfernt sein – wahrscheinlich stellt niemand hierzulande derart peinliche Fragen. Und es hat – soweit wir es mitbekommen haben – auch kaum eine Tageszeitung vom EM-Desaster der Springreiter und der verpassten Olympia-Qualifikation Notiz genommen: Es interessiert offenkundig außerhalb der Pferdesport-Community niemanden mehr.

Dass man zumindest OEPS-intern das EM-Ergebnis analysieren und aufarbeiten muss, steht jedoch außer Zweifel – ein solches Auftreten kann und darf man kein zweites Mal riskieren. Vor allem ist zu klären, wie es bei den Springreitern – nach den beachtlichen Erfolgen des Jahres 2018, dem U21-Vize-Europameistertitel durch Felix Koller und dem überraschenden 7. Platz beim Nations Cup Finale von Barcelona – zu einem solch dramatischen Absturz kommen konnte? Im schlimmsten Fall archiviert man die EM als ,einmaliges Pech’, weil eigentlich eh alles super ist – und macht einfach weiter wie bisher. Im besten Fall ist diese EM ein heilsamer Schock für den österreichischen Springsport, der in Rotterdam eine unsanfte Landung auf dem Boden der Realität erlebt hat und erkennen muss, wie dünn in Wahrheit seine Personaldecke auf diesem internationalen Top-Niveau ist. Diese so rasch wie möglich zu verbreitern wäre das dringendste Gebot der Stunde – wenn man den Ehrgeiz hat, irgendwann wieder ein österreichisches Springreiter-Team zu Olympischen Spielen zu bringen. Dies gelang zuletzt übrigens 1996 – verdammt lang her!

Im Vergleich dazu scheint man in der Dressur in einer etwas besseren Position – und grundsätzlich nicht sehr weit von olympischem Niveau entfernt, wenn die Rahmenbedingungen stimmen und auch wirklich die stärkste Equipe an den Start gebracht wird. Aber hier scheint es gewisse ,außersportliche’ Hindernisse zu geben, die eine Olympia-Teilnahme vereitelt haben (oder zumindest dazu beigetragen haben). So haben sich viele Dressur-Fans gefragt, wieso denn die aktuell bestplatzierte österreichische Dressurreiterin in der FEI-Weltrangliste, nämlich Ulrike Prunthaller mit Bartlgut’s Quebec, nicht in Rotterdam dabei war – wo sie leistungsmäßig zweifellos hingehört hätte, zumal nach ihrem erfolgreichen Auftritt in Aachen?

Zu dieser Frage gibt es mittlerweile zwei Versionen: Wie das Bartlgut auf seiner Website erklärte, wäre Ulrike Prunthaller nur allzu gern bei der EM gestartet (was auch nicht weiter verwunderlich ist). Als sich ihr damaliger Trainer Alois Goldberger jedoch beim OEPS-Sportdirektor nach einer Teilnahme an der Sichtung in Achleiten erkundigte, habe dieser – nach Rücksprache mit der Präsidentin – geantwortet: „Sie kann schon kommen – aber sie wird schon sehen, was sie davon hat!“ Man fühlte sich daraufhin nicht nur unerwünscht, sondern geradezu bedroht und verzichtete auf eine Teilnahme – nicht freiwillig, sondern gezwungenermaßen.

Diese Version wird vom OEPS vehement bestritten. In einer Replik auf diese Veröffentlichung bezeichnete man diese Darstellung als unwahr, Sportdirektor Ing. Kager meinte wörtlich: „Das ist eine Unwahrheit und ich wehre mich mit allen Mitteln gegen diese Unterstellung.“ Die Angelegenheit werde auch ein juristisches Nachspiel haben, so der OEPS. Was OEPS-Sportdirektor Ing. Kager bei diesem Gespräch wirklich zu Alois Goldberger gesagt hat oder nicht, werden also vermutlich die Gerichte klären müssen – am sportlichen Schaden wird all das aber nichts mehr ändern, der ist durch die letztlich deutlich verfehlte Olympia-Qualifikation längst eingetreten und auch nicht mehr gutzumachen. Einen schalen Beigeschmack aber hinterlässt diese Episode allemal – denn während andere Nationen wie Irland konzentriert, geeint und mit tollem Team-Spirit reiten und sich erstmals in ihrer Geschichte für den olympischen Teambewerb qualifizieren konnten (in der Dressur! Irland!), treibt man in Österreich immer noch die alten Spielchen, Privatkriege und Eifersüchteleien – mit denen wir uns sportlich nur selbst schaden. Damit muss endlich Schluss sein,
meint Ihr

Leopold Pingitzer

PS: Sagen Sie mir ruhig Ihre Meinung: redaktion@propferd.at

Kommentare

Bevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...
Zur Übersichtzurück weiter

 
ProPferd.at - Österreichs unabhängiges Pferde-Portal − Privatsphäre-Einstellungen