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Was die neue Corona-Verordnung für Pferdesport-Veranstaltungen wirklich bedeutet
30.05.2020 / News

Leo Pingitzer schreibt für ProPferd.
Leo Pingitzer schreibt für ProPferd. / Foto: Archiv/Petr Blaha

Seit gestern (29. Mai) ist die sogenannte 2. Covid-19-Lockerungsverordnung in Kraft, die auch den Pferdesport unmittelbar betrifft und insbesondere die Rahmenbedingungen von Reitturnieren neu regelt. Ein Blick in die Verordnung zeigt: Für Veranstalter wird es komplizierter und aufwendiger – und einige wichtige organisatorische Fragen müssen rasch geregelt werden. Ein Kommentar von Leo Pingitzer.

 

Als diese Woche – exakt am 27. Mai – die 2. Covid-19-Lockerungsverordnung veröffentlicht wurde, kam einem wieder einmal Johann Wolfgang von Goethe in den Sinn, freilich in leicht abgewandelter Form: Die Botschaft hör ich wohl – allein mir fehlt die Interpretation. Soll heißen: Es wurden zwar rasch und eifrig Passagen aus der Verordnung zitiert – aber was diese nun konkret bedeuten und wie damit umzugehen ist, wurde nirgendwo in der wünschenswerten Klarheit dargelegt. Dabei erscheint das gerade bei dieser Verordnung in hohem Maße notwendig – denn die ersten groben Missverständnisse und sogar Falschinformationen kursieren bereits (wie etwa die irrige Darstellung, dass ab 1. Juli 2020 im Freiluftbereich wieder 500 Besucher erlaubt seien etc.). Umso wichtiger erscheinen einige Klarstellungen.

Der für Pferdesport-Veranstaltungen zentrale Punkt ist unter § 10 der Verordnung zu finden. Dort heißt es in Abs. 2 wörtlich:

(2) Veranstaltungen mit mehr als 100 Personen sind untersagt. Mit 1. Juli 2020 sind Veranstaltungen mit zugewiesenen und gekennzeichneten Sitzplätzen in geschlossenen Räumen mit bis zu 250 Personen und im Freiluftbereich mit bis zu 500 Personen zulässig. Mit 1. August 2020 sind Veranstaltungen mit zugewiesenen und gekennzeichneten Sitzplätzen in geschlossenen Räumen mit bis zu 500 Personen und im Freiluftbereich mit bis zu 750 Personen zulässig. Personen, die zur Durchführung der Veranstaltung erforderlich sind, sind in diese Höchstzahlen nicht einzurechnen.“ Ab 1. August 2020 dürfen schließlich sogar Veranstaltungen mit zugewiesenen und gekennzeichneten Sitzplätzen mit bis zu 1.250 Personen im Freiluftbereich (1.000 Personen bei Events in geschlossenen Räumen) durchgeführt werden, wenn diese von der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde genehmigt wurden. Bei Veranstaltungen ohne zugewiesene und gekennzeichnete Sitzplätze ist  gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten bzw. in geschlossenen Räumen ein Nasen-Mund-Schutz zu tragen.

Zwei Begriffe bzw. Formulierungen sind hier für den speziellen Fall von Reitturnieren von Bedeutung: Erstens ist nicht von ,Besuchern' oder ,Zuschauern', sondern explizit von ,Personen' die Rede, deren Gesamtzahl bei einer Veranstaltung begrenzt werden soll.  Schließlich ist es das zentrale Ziel der Verordnung, zu große Menschenansammlungen in zu großer Dichte zu vermeiden, um die Infektionsgefahr so gering wie möglich zu halten.

In diese Gesamtzahl bzw. Obergrenze sind nur jene Personen nicht einzurechnen, die „zur Durchführung der Veranstaltung erforderlich sind", so die zweite wichtige Formulierung dieses Absatzes. Damit ist jener Personenkreis gemeint, der für die technisch-organisatorische Durchführung einer Veranstaltung notwendig ist und ohne den ein Event schlicht nicht möglich wäre: Dazu gehören etwa Richter und Schiedsrichter, Funktionäre, Kassiere, Platzaufsicht, Mitarbeiter des Veranstalter-Teams etc. – und bei bestimmten Sportarten auch die Spieler. So braucht man für die Durchführung eines Fußballspiels zwingend zumindest 22 Feldspieler – auch diese wären daher nicht in die genannten ,Personen-Obergrenzen' einzurechnen, da sie für die Durchführung der Veranstaltung unbedingt erforderlich sind.

Aber sind dann nicht auch die Teilnehmer eines Reitturniers unbedingt erforderlich – und müssten daher nicht in die angeführten Personen-Höchstgrenzen eingerechnet werden? Hier lautet die Antwort klipp und klar: Nein – denn es ist im Falle von Reitturnieren eben keine bestimmte Zahl von TeilnehmerInnen für die Durchführung erforderlich. Man kann ein Reitturnier mit 30 TeilnehmerInnen veranstalten, wenn man möchte, oder auch mit 300 – was im Übrigen auch für viele andere Sportveranstaltungen (Laufveranstaltungen, Radrennen etc.) gilt. In all diesen Fällen sind – wie auch ,Sport Austria' mittlerweile offiziell bestätigt hat – auch die TeilnehmerInnen in die zulässige Gesamt-Personenzahl einzurechnen. Diese umfasst somit SportlerInnen und ZuseherInnen gleichermaßen – je mehr von der einen Gruppe da sind, desto weniger sind von der anderen Gruppe noch möglich.

Um es zusammenzufassen: Im speziellen Fall von Reitturnieren müssen also die aktiven ReiterInnen in die genannten Personen-Höchstgrenzen eingerechnet werden – nicht jedoch die sonstigen, zum Veranstaltungs-Team gehörigen Mitarbeiter (also Ordnungskräfte, Security, Funktionäre, Offizielle, Richter, Stewards, Meldestellen-Mitarbeiter etc.). Und je mehr teilnehmende ReiterInnen ein Turnier hat – umso weniger Zuschauer sind möglich, um die ,Personen-Obergrenze’ insgesamt einhalten zu können.

Für Reitturniere kommt aber noch ein weiterer Punkt hinzu, der ebenfalls ins Gewicht fällt: Nicht nur die ReiterInnen fallen unter diese zulässige Personen-Gesamtzahl, sondern auch noch sämtliche Begleitpersonen, die mit ihnen aufs Turnier fahren – also Trainer, Pfleger, Eltern oder sonstige Helfer, die vor allem dann unverzichtbar sind, wenn man mit mehreren Pferden aufs Turnier fährt. Auch diese Begleitpersonen müssen ,mitgerechnet' werden – und verringern daher die Anzahl der möglichen weiteren ReiterInnen oder ZuschauerInnen am Turnier.

Das muss jedem Veranstalter klar sein, insbesondere bis zum 1. Juli, wo lediglich Veranstaltungen bis maximal 100 Personen stattfinden dürfen. Das ist für Reitturniere – salopp gesagt – verdammt wenig, und bis dahin wird es wohl tatsächlich nur kleine bis sehr kleine Turniere geben können. Mehr Luft zum Atmen bekommen Turnierveranstalter erst ab 1. Juli, wenn bei Freiluft-Events immerhin 500 Personen (bei Indoor-Turnieren 250 Personen) gestattet sein werden, sofern gekennzeichnete Sitzplätze vorhanden sind. Doch auch dann führt kein Weg an einer Art ,Teilnehmer- und Zuschauer-Management' vorbei – schließlich muss der Veranstalter gewährleisten, dass die vorgeschriebenen Personen-Höchstgrenzen auf seinem Turnier nicht überschritten werden.

Doch das ist auf den ersten Blick gar nicht so einfach und mit einigen organisatorischen Hürden versehen: So müssten streng genommen auch die Begleitpersonen eines Teilnehmers bei der Nennung angegeben werden, damit der Veranstalter den Überblick behält und planen kann – doch das ist in den bisherigen Nennsystemen bislang nicht vorgesehen: Eine entsprechende Möglichkeit müsste erst geschaffen werden, was aber bei gutem Willen kein großes Problem darstellen sollte.

Kniffliger ist wohl ein anderes Hindernis – denn nicht bei allen Turnieren laufen die Nennungen zentral bei einer Stelle zusammen und können daher entsprechend gemanagt werden. Während C-Turniere beim Veranstalter genannt werden (was die Sache erheblich erleichtert), laufen A- und B-Turniere für Inländer über das Zentrale Nennsystem (ZNS) des Österreichischen Pferdesport-Verbandes, ausländische Reiter können aber auch direkt beim Veranstalter nennen, was sie in vielen Fällen auch tun. In diesem Fall würde der Veranstalter aber erst 14 Tage vor dem Turnier die Nennliste des OEPS erhalten – und hätte erst dann einen Überblick darüber, wieviele ReiterInnen und Begleitpersonen insgesamt auf sein Turnier kommen würden (und ob sich das auch wirklich mit der zulässigen Personen-Obergrenze ausgeht). Wie man dieses Problem auf elegante Weise löst, wird wohl noch für einige Diskussionen zwischen Veranstalter und OEPS sorgen – es gibt jedenfalls Gesprächsbedarf.

Doch damit nicht genug: In der aktuellen Covid-19-Lockerungsverordnung ist auch noch vorgeschrieben, dass bei Veranstaltungen mit über 100 Personen zwingend ein Covid-19-Beauftragter bestellt und ein Covid-19-Präventionskonzept ausgearbeitet und umgesetzt werden muss. Daran kommt somit auch kein Turnierveranstalter vorbei, sofern sein Event die 100-Personen-Zahl überschreitet. Konkret heißt es dazu in der Verordnung:

Das COVID-19-Präventionskonzept hat insbesondere Vorgaben zur Schulung der Mitarbeiter und basierend auf  einer Risikoanalyse Maßnahmen zur Minimierung des Infektionsrisikos zu beinhalten. Hiezu zählen insbesondere:
1. Regelungen zur Steuerung der Besucherströme,
2. spezifische Hygienevorgaben,
3. Regelungen zum Verhalten bei Auftreten einer SARS-CoV-2-Infektion,
4. Regelungen betreffend die Nutzung sanitärer Einrichtungen,
5. Regelungen betreffend die Verabreichung von Speisen und Getränken.
"

Das alles klingt durchaus kompliziert und nach reichlich Zusatz-Arbeit für Turnierveranstalter – und das ist es wohl auch. Aber wie heißt es so schön: Vorschrift ist Vorschrift! Immerhin wäre es tröstlich, wenn es hier konkrete Unterstützung und Beratung seitens des OEPS gäbe.

Man muss zweifellos noch abwarten, wie die heimische Pferdeszene, die so sehnsüchtig auf die Öffnung des Turniersports gewartet hat, mit der vorliegenden Verordnung umgehen wird – und ob sie eher für Ernüchterung und Enttäuschung oder für Aufbruchstimmung sorgen wird. Fest steht: Nur wenn Veranstalter und Reiter mitziehen und die neuen Herausforderungen motiviert annehmen, wird auch der darniederlegende Turniersport wieder auf die Beine kommen – und auch der OEPS muss dazu sein Scherflein beitragen, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Möge die Übung gelingen – auch wenn's nicht leicht wird,

meint Ihr

Leopold Pingitzer

PS: Sagen Sie mir ruhig Ihre Meinung: redaktion@propferd.at

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