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Thema Berittene Polizei: Österreich und Deutschland trennen Welten
31.07.2019 / News

In Deutschland ist die berittene Polizei Normalität – es gibt ein gutes Dutzend Polizeireiterstaffeln in acht Bundesländern, deren Ansehen und Akzeptanz in der Bevölkerung hoch sind. In Österreich ist das Thema parteipolitisch und ideologisch aufgeladen – leider.
In Deutschland ist die berittene Polizei Normalität – es gibt ein gutes Dutzend Polizeireiterstaffeln in acht Bundesländern, deren Ansehen und Akzeptanz in der Bevölkerung hoch sind. In Österreich ist das Thema parteipolitisch und ideologisch aufgeladen – leider. / Foto: Polizeipräsidium Bochum

In Österreich und in Deutschland wird über das Thema ,Berittene Polizei’ leidenschaftlich diskutiert – doch inhaltlich und in Sachen Diskussionskultur trennen die beiden Länder Welten, wie das aktuelle Beispiel der Landesreiterstaffel Bochum zeigt. Ein Kommentar von Leo Pingitzer.

 

Der gravierende Unterschied in der Diskussion über berittene Polizeieinheiten in Deutschland und Österreich ist: In Deutschland kann man über dieses Thema normal diskutieren – also einigermaßen ruhig, vorurteilsfrei und sachorientiert, was eine gewisse Leidenschaftlichkeit dennoch nicht ausschließt. In Österreich sind Diskussionen zum gleichen Thema meist von vorgefassten Meinungen, Polemik und Untergriffen dominiert – Vernunft und Sachlichkeit vermisst man schmerzlich. Und die Materie gilt als parteipolitisch und ideologisch belastet – was wohl mit ihrem politischen ,Ziehvater’, den polarisierenden FPÖ-Politiker und Ex-Innenminister Herbert Kickl zu tun hat.

Wie grundlegend anders öffentliche Debatten zum Thema ,Berittene’ in Deutschland und Österreich ablaufen, das zeigt das aktuelle Beispiel der Landesreiterstaffel Bochum, die – ähnlich wie ihre österreichischen KollegInnen in Wr. Neustadt – seit einiger Zeit auf Herbergsuche ist, sprich: nach einem neuen gemeinsamen Standort für ihre bislang getrennten Abteilungen in Willich und Dortmund Ausschau hält. Am Montag, den 29. Juli, konnte man das neue Zuhause im Rahmen einer Informationsveranstaltung der örtlichen Bevölkerung endlich präsentieren – nämlich den Pferdehof des Landwirts Udo Rüsing in Bochum-Wattenscheid, der für seine zukünftige Aufgabe noch adaptiert und umgebaut werden muss und ab 2021 für seine neue Verwendung zur Verfügung stehen soll. Der Hof mit Reithalle, Stallungen und Koppeln sei für die Dauer von 20 Jahren angemietet worden, so Landespolizeidirektor Martin Jansen, um auch bei einem möglichen Regierungswechsel der Polizei Planungssicherheit zu geben.

Nachdem die Standortwahl im Vorfeld durchaus kontrovers diskutiert worden war, war der Andrang entsprechend groß – 300 Anwohner und Interessierte waren der Einladung zur Info-Veranstaltung gefolgt. Um die Befürchtungen und Sorgen der ansässigen Bevölkerung – etwa drohende Lärmbelästigungen durch das Training der Pferde und Verkehrsbehinderungen durch die ständigen Ab- und Antransporte – zu entkräften, war das Podium prominent besetzt – von Polizeipräsident Jörg Lukat, über Verwaltungsleiter Dirk Konze bis zu Martin Jansen, dem Leitender Direktor bei der Bereitschaftspolizei, zu der auch die Landesreiterstaffel gehört.

Zuvor wurde dargelegt, dass die Suche nach einem neuen gemeinsamen Standort für die Landesreiterstaffel durchaus schwierig war und bereits 2015 begonnen hatte: In Bochum, Gelsenkirchen oder im Essener Süden sollte der Hof liegen, ländlich sollte die Gegend sein, eine günstige Verkehrsanbindung ans Autobahnnetz haben sowie genügend Platz für rund 32 Pferde und etwa 42 Reiterinnen und Reiter bieten. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes war ein europaweites Auswahlverfahren notwendig, wie Dirk Konze, Verwaltungsleiter des Polizeipräsidiums Bochum, bestätigte. „Die Ausschreibung selbst wurde in den Medien und auf einschlägigen Portalen veröffentlicht. Als es in die konkreten Vertragsverhandlungen ging, durfte die Behörde keine Details mehr veröffentlichen – bis zur Bekanntgabe des neuen Standorts." Insgesamt hätten sich 16 InteressentInnen gemeldet, aus denen der Hof Rüsing schließlich als Bestbieter hervorgegangen sei.

Um die Anwohner-Bedenken hinsichtlich Lärm- und Verkehrsbelästigungen zu zerstreuen, gab Martin Jansen auch einen Einblick in die tägliche Arbeit der Landesreiterstaffel. So werden vom Hof Rüsing aus keine Einsatzfahrten mit Blaulicht und Martinshorn gefahren, da die Einsätze geplant sind und auch bei kurzfristigen Terminen die Anfahrt länger ist. Um die Pferde zu trainieren, seien zwar auch Übungen mit einer gewissen Geräuschkulisse notwendig, doch finden diese Übungen nur einmal in der Woche statt, und auch nicht jedes Mal mit Martinshorn oder Schüssen. „Zu welcher Uhrzeit wir üben, können wir frei wählen. Die Mittagsruhe berücksichtigen wir natürlich sehr gerne. Da können wir uns selbstverständlich absprechen", beruhigte Martin Jansen und gab den Interessierten mit auf den Weg: „Als Nachbarn wollen wir Ihnen zusätzliche Sicherheit und Schutz bieten, ohne Sie zu stören."

Nach der Vorstellung der detaillierten Planungen hatten die Besucher Gelegenheit, Fragen zu stellen – und dieses Angebot wurde auch intensiv genutzt, wobei auch kritische Themen angesprochen wurden. Bei der offenen Diskussion wurden neben Aspekten des Naturschutzes auch die künftig geänderten Zufahrtswege, auch Ängste vor einer erhöhten Geräuschkulisse, die Beleuchtungssituation oder auch befürchtete bauliche Veränderungen bzw. Erweiterungen des Hofes thematisiert. Die Verantwortlichen beantworteten geduldig und bereitwillig alle Fragen – und konnten einen großen Teil der geäußerten Ängste und Befürchtungen zerstreuen. Im Anschluss zeigten sechs Pferde der Landesreiterstaffel beispielhaft eine Trainingseinheit vor Ort. Das positive Resümee von Polizeipräsident Jörg Lukat: „Wir freuen uns über so viel Interesse und dass wir mit so vielen Menschen ins Gespräch kommen konnten. Wir werden unser Bestes tun für eine gute Nachbarschaft!"

Österreich: Die ungewisse Zukunft der berittenen Polizei

So gesittet und rational verlaufen öffentliche Diskussionen zum Thema Polizeireiterstaffel in Deutschland. Gänzlich anders hingegeben sieht es in Österreich aus – hier ist die Zukunft der berittenen Polizei nach dem Regierungswechsel und der Abberufung von Innenminister Herbert Kickl mehr als ungewiss. Und die öffentliche Debatte wird mehr denn je von Hysterie und Panikmache beherrscht. Bereits im Juni wurde aus dem Innenministerium verlautbart, dass das Projekt ,Berittene Polizei’ ressortintern evaluiert werde, um die kursierenden Zahlen zu überprüfen. Während also belastbare Zahlen und Fakten bis auf weiteres nicht vorliegen, brodelt die Gerüchteküche munter vor sich hin: Nach einem Bericht der Tageszeitung ,Kurier’ sollen die bisherigen Kosten bei 2,5 Millionen Euro liegen – und die laufenden Kosten (inklusive Personal) bei einer Million im ersten Jahr. Doch damit nicht genug – es gäbe sogar Berechnungen der Wiener Polizei, die von Investitionen von bis zu fünf Millionen Euro (!) ausgehen. Da stellt man sich als interessierter Pferdefreund schon die Frage: Wurden denn hier Olympiapferde angeschafft? 

Wie ebenfalls der ,Kurier’ berichtet, haben die insgesamt elf Beamtinnen und Beamten in der Zwischenzeit zwar die Abschlussprüfung allesamt positiv abgelegt und wären bereit für den regulären Dienst – doch diesen dürfen sie bis auf weiteres nicht versehen, um kein „unnötiges öffentliches Interesse zu erregen“, wie es heißt. Sprich: Die berittene Polizei darf derzeit ausschließlich im Akademiepark in Wiener Neustadt reiten, also gleichsam unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Nach wie vor ist auch kein Standort für die Reiterstaffel in Wien gefunden – woran es sich spießt, ist mehr als mysteriös.

Im Moment ist also so gut wie alles ungewiss – und Österreich am besten Weg, sich vor ganz Europa zur Lachnummer zu machen. Es ist im Moment nicht einmal mit Bestimmtheit zu sagen, ob es der interimistische Innenminister Wolfgang Peschorn sein wird, der eine endgültige Entscheidung über die Zukunft der Reiterstaffel treffen wird – oder ob er diese einem Nachfolger bzw. einer Nachfolgerin überlässt. Der beste Witz wäre wohl, dass man das Projekt ,Berittene Polizei’ nach einer rund einjährigen Aufbau- und Trainingsphase und hohen Investitionen wieder abdreht, bevor auch nur ein einziger Polizeipferdehuf Wiener Boden betreten hat. Aber auch das ist Österreichs Politikern durchaus zuzutrauen – da kennen die keinen Genierer. Wir sehen die Schlagzeilen schon vor uns: „Lieber ein Ende mit Schrecken – als ein Schrecken ohne Ende.“ Es darf gewettet werden, wie diese Posse ausgehen wird, meint
Ihr

Leopold Pingitzer

PS: Sagen Sie mir ruhig Ihre Meinung: redaktion@propferd.at

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