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Frauen an der Spanischen Hofreitschule – noch keine Normalität
19.09.2016 / News

Hannah Zeitlhofer (li.) mit dem von ihr ausgebildeten Hengst Siglavy Batosta und Bereiter-Anwärterin Theresa Stefan – der nächsten Kandidatin für den Bereiter-Titel...
Hannah Zeitlhofer (li.) mit dem von ihr ausgebildeten Hengst Siglavy Batosta und Bereiter-Anwärterin Theresa Stefan – der nächsten Kandidatin für den Bereiter-Titel... / Foto: Spanische Hofreitschule/RGE Media

Wenn ein Ausbildungsstall irgendwo auf dieser Welt eine Stellenanzeige schaltet, weil er einen neuen Bereiter bzw. eine neue Bereiterin sucht, so darf man mit einiger Sicherheit annehmen, daß sich zumindest ebenso viele Frauen wie Männer für den Job bewerben – und häufig sogar in der Überzahl sein werden. Alles andere wäre für den Stallbesitzer wohl eine Riesen-Überraschung – denn die Reiterei ist insgesamt weiblich dominiert, wobei der Frauen-Anteil an der Basis noch viel größer ist als in den oberen Rängen der Hierarchie (also bei Trainern, Richtern, Funktionären etc.).

An der Spanischen Hofreitschule liegen die Dinge – noch – ein wenig anders: Hier kommen sogar zwei amtierende Minister der österreichischen Bundesregierung, wenn – wie am 14. September 2016 – die erste Bereiterin an der Spanischen feierlich angelobt wird: Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter und Frauenministerin Sabine Oberhauser waren anwesend, als die 29-jährige Hannah Zeitlhofer offiziell von der Bereiter-Anwärterin zur Bereiterin gekürt wurde – und auch das riesige Medieninteresse aus dem In- und Ausland bestätigte, daß es sich um einen außergewöhnlichen Anlass handelte: Eine Frau als Bereiterin an der Hofreitschule – das gab es noch nie. Und manche sprachen gar von einer historischen Stunde, die man da erleben dürfe.

Das ist freilich ein wenig hoch gegriffen – denn die historische Stunde war natürlich das Jahr 2008, als Geschäftsführerin Elisabeth Gürtler die Aufnahme von weiblichen Elevinnen durchgesetzt und so mit einer jahrhundertealten Tradition gebrochen hatte. Damals wurden zwei Mädchen aufgenommen – die damals 21-jährige Hannah Zeitlhofer und die 16-jährige Sojourner Morrell, die später das Institut verließ und eine beachtliche internationale Model-Karriere startete. Hannah ist geblieben – und in gewisser Weise ist es ihr Schicksal geworden, seither „die Erste" an der Hofreitschule zu sein: Sie war die erste Elevin, die im Oktober 2010 an öffentlichen Vorstellungen teilnehmen durfte, sie wurde am 1. Mai 2012 zur ersten Bereiter-Anwärterin befördert – und seit dem 14. September 2016 ist sie nun auch die erste Bereiterin an der Spanischen.

Anlässlich der Angelobung wurde nicht mit Lob und mit großen Worten gespart: „Die erste Bereiterin ist ein großer Schritt für die Spanische Hofreitschule und ein wichtiges Signal, seit beinahe zehn Jahren bilden wir junge Damen aus, bereits seit vielen Jahrzehnten werden Reiterinnen in der Spanischen Hofreitschule allerdings unterrichtet“, so Elisabeth Gürtler, Generaldirektorin der Spanischen Hofreitschule. Frauenministerin Sabine Oberhauser ergänzte: „Tradition und Gleichberechtigung müssen sich nicht ausschließen. Altehrwürdige österreichische Institutionen, wie die Spanische Hofreitschule, zeigen vor, dass auch Tradition mit der Zeit gehen muss, um bestehen zu können“.

Ob am Traditionsinstitut tatsächlich neue Zeiten angebrochen sind, wird sich erst zeigen. Unter den Nachwuchskräften sind Damen jedenfalls deutlich im Vormarsch: Von den drei Bereiter-Anwärtern ist immerhin eine weiblich (Theresa Stefan), von zwei ElevInnen ist ebenfalls eine weiblich – und unter den fünf Lehrlingen, die derzeit ihre Ausbildung zum Pferdewirtschaftsfacharbeiten an der Hofreitschule absolvieren, sind vier Mädchen zu finden. Ist also doch eine neue Ära der Gleichberechtigung an der Spanischen angebrochen – und ist die Zukunft in der Winterreitschule vielleicht sogar weiblich?

Für derartige Prophezeiungen ist es noch viel zu früh. Gleichberechtigung durchzusetzen ist kein Sprintbewerb – sie ist ein mühsamer Marathonlauf durch Institutionen, die sich oft als erstaunlich undurchlässig und beharrlich erweisen. Ein gutes Beispiel ist eine andere Wiener Traditions-Einrichtung, die vor ziemlich genau 20 Jahren einen ähnlichen Schritt gesetzt hat: die Wiener Phillharmoniker. Diese haben im Jahr 1997 – nach einer intensiven medialen Debatte und auf erheblichen öffentlichen Druck hin – erstmals eine Frau zu Probespielen eingeladen und sich damit auch für die Aufnahme von Frauen ins Orchester geöffnet. Doch auch viele Jahre später sind Frauen nach wie vor Mangelware in den elitären Musiker-Reihen: 2014 lag der Frauen-Anteil bei den Wiener Philharmonikern nach einem Bericht von Ö1 gerade einmal bei 6 % – ein äußerst bescheidener Wert im internationalen Vergleich: Die Berliner Philharmoniker kommen auf 14 %, das London Symphony Orchestra auf 30 % – und das New York Philharmonic sogar auf 36 %.

Offenbar sind Männer-Bastionen in Wien viel schwieriger zu erobern als anderswo – das wird wohl niemand besser wissen als Hannah Zeitlhofer, die mit bewunderswerter Willensstärke und Zähigkeit ihrem Traum gefolgt und ihren Weg gegangen ist. Man wird sehen, wieviele ihrer Kolleginnen es ihr nachmachen können – und ob sie letztlich erfolgreicher sind als die Damen bei den Wiener Philharmonikern. Leicht wird es nicht – aber sie haben immerhin ein Beispiel und ein Vorbild: Hannah, die Erste,
meint Ihr
Leopold Pingitzer

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