Die Generalversammlung des Österreichischen Pferdesportverbandes ist eine Insider-Veranstaltung, in der die Führungsriege des heimischen Pferdesports weitgehend unter sich bleibt und normale Mitglieder ausgeschlossen sind. Das müsste nicht so sein – Delegierte könnten auch leicht durch ein modernes Online-Voting bestimmt werden, wenn man wollte. Ein Kommentar von Leopold Pingitzer.
Unter den erfreulich vielen Postings zu unserem Kommentar „Der nächste Paukenschlag: Präsidentin Max-Theurer zum Rücktritt aufgefordert“, ist uns eines besonders aufgefallen, nämlich dieses: „Alle, die ihren Senf dazu geben wollen, sollen zur nächsten Generalversammlung gehen. Sich genau informieren, sich Fakten holen.“ Dieser Vorschlag hätte in der Tat viel für sich und wäre uneingeschränkt zu unterstützen. Das Problem ist nur, dass er an der Realität völlig vorbeigeht. Denn – wie eine andere Posterin (die offenkundig schon tiefer in die reitsportliche Realität Österreichs eingetaucht ist) sofort hinzufügte: „Zur Generalversammlung kann man nicht so einfach ,hingehen’!“
Das ist leider wahr: Die Generalversammlung des Österreichischen Pferdesportverbandes ist eine weitgehend geschlossene Veranstaltung, zu der das „normale“ Reitervolk keinen Zugang hat. Das bestätigt ein Blick in die Satzung desselben. (Diese auszugraben ist übrigens eine Aufgabe von erstaunlichem Schwierigkeitsgrad, die auch wir erst nach einigen Tagen lösen konnten – Transparenz ist im OEPS tatsächlich ein Fremdwort.) In dieser Satzung ist gleich zu Beginn festgehalten, dass die ordentlichen Mitglieder des OEPS „die selbständigen vereinsbehördlich genehmigten Landesfachverbände/Pferdesportverbände der einzelnen Bundesländer“ sind.
Das mag für manche überraschend sein, die geglaubt haben, SIE wären ad personam Mitglied im OEPS und hätten als solches Anspruch auf Information und Mitbestimmung, weil sie ja schließlich Mitgliedsbeiträge dafür zahlen, eine Mitgliedskarte samt Mitgliedsnummer haben und auch regelmäßig mit dem Verbandsorgan beglückt werden. Weit gefehlt: Eine persönliche Mitbestimmung hat man ausschließlich in seinem örtlichen Reitverein – und schon bei der nächsthöheren ,Instanz’, dem Pferdesportverband seines Bundeslandes, wird diese auf wenige Delegiertenstimmung für seinen Verein zurechtgestutzt. Und auf Bundesebene, also beim OEPS, ist sie schlicht und einfach nicht mehr vorhanden.
Der OEPS hat also nur die neun Landes-Pferdesportverbände als Mitglied – und, wie es in der Satzung (§ 8, Z1) weiter heißt: „Das Stimmrecht in der Generalversammlung sowie das aktive Wahlrecht stehen nur den ordentlichen Mitgliedern zu.“ In § 11 wird das genaue Prozedere erläutert: „Das Stimmrecht wird durch Delegierte ausgeübt. (…) Jedem ordentlichen Mitglied stehen drei Grundmandate sowie für je angefangene 500 Mitglieder ein weiteres Mandat zu.“ So ergab sich etwa für die OEPS-Generalversammlung 2016 folgende Mandats-Verteilung:
Wien – 7 Delegierte
Niederösterreich – 34 Delegierte
Burgenland – 9 Delegierte
Steiermark – 19 Delegierte
Kärnten – 11 Delegierte
Oberösterreich – 21 Delegierte
Salzburg – 9 Delegierte
Tirol – 11 Delegierte
Vorarlberg – 7 Delegierte
Insgesamt waren somit 128 Delegierte stimmberechtigt – und wenngleich die Grundmandate (3 für jedes Bundesland) für einen kleinen Ausgleich unter den Pferdesportverbänden sorgen, zeigt sich deutlich die herausragende Stellung von Niederösterreich, das mehr als ein Viertel aller Stimmberechtigten auf sich vereint. Das alles ist noch durchaus nachvollziehbar und weitgehend politische Alltäglichkeit – schließlich ist es sinnvoll, ein so mächtiges Gremium wie die Generalversammlung auch in eine sinnvolle, entscheidungsfähige Dimension zu fassen – eine Versammlung mit 1.000 oder gar 48.000 Mitgliedern wäre wenig sinnvoll und organisatorisch de facto undurchführbar.
Das große Problem sind also nicht die Delegierten – sondern die Art und Weise, wie diese ausgewählt werden. Sie werden nämlich nicht durch irgendeinen demokratischen Wahlvorgang ermittelt, sondern schlicht und einfach vom jeweiligen Vorstand des Landes-Pferdesportverbandes ernannt, und zwar buchstäblich nach Gutdünken: Soweit uns die Satzungen der jeweiligen Landesverbände zugänglich waren, ist dort nirgendwo geregelt, wie die Delegierten für das mächtigste Organ des österreichischen Pferdesports, also die OEPS-Generalversammlung, im Detail zu bestimmen sind. Es sind auch nirgends irgendwelche Auswahlkriterien (wohl mit Ausnahme der Mitgliedschaft) zu finden, die von Delegierten zu erfüllen wären. Mit anderen Worten: Der Landesvorstand hat bei der Nominierung seiner Mandatare völlige Handlungs-, fast möchte man sagen: Narrenfreiheit – er kann diese buchstäblich willkürlich und gänzlich nach freiem Ermessen auswählen und entsenden. Und natürlich werden ausschließlich solche Abgesandte nominiert, die als zuverlässig und linientreu gelten – und sich bei der Generalversammlung strikt an die Vorgaben des jeweiligen Landesvorstands halten.
Als gelernter Österreicher ahnt man schon die Folgen: Der politischen Mauschelei öffnet dieser bemerkenswerte Statuten-Freiraum im ansonsten überregulierten Pferdesport Tür und Tor – und nichts anderes ist seit jeher politische Realität: Jeder angehende OEPS-Präsident, der sich zur Wahl stellt, sondiert im Vorfeld seine Unterstützung bei den jeweiligen Landes-Präsidenten – und kann dabei mit einer verlockenden Belohnung winken: einem Sitz im sechsköpfigen Direktorium (Präsident, drei Vizepräsidenten, Schriftführer und Schatzmeister) des OEPS, das den Verband faktisch leitet und eine Vielzahl wichtiger Beschlüsse fasst.
So ist es kein Zufall, sondern zwingende Logik, dass sich in der Zusammensetzung des Direktoriums auch die jeweilige Unterstützer-Gemeinde des/der Präsidenten/in widerspiegelt. Es ist auch kein Zufall, dass darin etwa das mitgliederstarke Niederösterreich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vertreten ist – denn ohne die Stimmen Niederösterreichs ist eine Kandidatur von vornherein nahezu aussichtslos. Und es ist erst recht kein Zufall, dass es – zumindest bei den letzten vier Generalversammlungen – immer nur einen Wahlvorschlag für das Direktorium gegeben hat, von einer echten „Wahl“ (also im Sinne einer Entscheidung zwischen zwei oder mehr Alternativen) nicht gesprochen werden konnte: Das Ergebnis war schon im vorhinein „paktiert“ und stand somit fest – die Abstimmung war im Wesentlichen Formsache, die man sich, streng genommen, auch hätte sparen und durch eine Abstimmung der Landespräsidenten im kleinen Kreis ersetzen hätte können. Das Ergebnis wäre das gleiche gewesen – nur viel billiger.
Die normalen Mitglieder – also die reitsportliche Basis – sind von all diesen Vorgängen satzungsmäßig ausgeschlossen, mit den wichtigen Entscheidungen im österreichischen Pferdesport haben sie in der Regel nichts zu tun: Sie finanzieren zwar mit ihren Gebühren und Beiträgen den ganzen Zirkus – aber in die Manege dürfen sie nicht, und im Falle der Generalversammlung nicht einmal in die Zuschauerränge. Es ist ein in sich geschlossener Funktionärs-Kreis, der die Fäden in der Hand hält, der die wesentlichen Entscheidungen trifft und sich auch noch weitgehend selbst kontrolliert. Und im Gegensatz zu anderen Sportverbänden kommt in der Reiterei erschwerend hinzu, dass es kaum Kontrolle oder Erfolgsdruck von außen gibt, etwa durch Politik oder Medien – weil dort für den Pferdesport in der Regel nur wenig Interesse besteht (im Gegensatz zu Sportarten mit größerer Breitenwirkung wie Fußball oder Skisport).
Die negativen Auswirkungen derartiger Cliquen-Wirtschaft kann man seit Jahren im Pferdesport beobachten: Selbst wenn die wichtigsten sportlichen Indikatoren nach unten weisen und sportliche Erfolge – zumindest auf oberstem Niveau – weitgehend ausbleiben, kann man unbeschadet und unbeirrt weiterarbeiten, denn es zählt grundsätzlich nicht die Leistung, sondern die Perfektionierung des Machterhalts: Wer dabei am besten und effizientesten agiert, dem sind Machtfülle und Einfluss nicht zu nehmen – von innen nicht und schon gar nicht von außen. Man hat das Sagen und ist für alles zuständig – muss aber für nichts Verantwortung übernehmen: ein paradiesischer Zustand, in dem es sich die OEPS-Führung wunderbar bequem gemacht hat. Eine demokratische Kontrolle oder Legitimierung im eigentlichen Sinn gibt es nicht – und damit auch keine Chance auf Veränderung. Das hat man in erschreckender Deutlichkeit auch bei der letzten Generalversammlung des OÖ Pferdesportverbandes gesehen, wo die herrschende Verbandsführung mit allen legitimen und illegitimen Mitteln ihre Macht behauptet hat – und ein großer Teil der Basis nur konsterniert zuschauen konnte.
Unter diesen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen ist die bevorstehende Generalversammlung – die am 16. April in Altlengbach stattfinden soll – zu sehen. Es treffen sich dort die neun Landespräsidenten – und eine dazugehörende Schar handverlesener Funktionäre, die zuvor „auf Linie gebracht“ wurden. Und man wird zum fünften Mal Elisabeth Max-Theurer den dringenden Wunsch, Präsidentin zu werden, mit überwältigender Mehrheit erfüllen. Der einzige Unterschied wird sein, dass manchen dabei zusehends mulmiger zumute ist, aber ändern wird auch das nichts. Ändern würde sich erst dann etwas, wenn es im Verband zumindest ein bisschen mehr Mitbestimmung und Beteiligung geben würde – wenn etwa die Delegierten nicht mehr durch den Vorstand, sondern durch eine Online-Befragung der Mitglieder bestimmt werden würden: Wer die meiste Zustimmung erhält, darf als Delegierter zur Generalversammlung. Im Verband wäre dann endlich mehr Leben und mehr Demokratie – und weniger tote Hose. Ein solches Online-Voting (mit Zugangscode und Registrierung für die Mitglieder) wäre mit heutiger Technik ohne große Probleme realisierbar – wenn man nur wollte.
Man darf aber jede Wette darauf abschließen, dass man das nicht will – und dass alles so bleibt, wie es ist, meint
Ihr
Leopold Pingitzer
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