Gundula Lorenz ist von Kindheit an mit Pferden verbunden, geprüfter Behindertenreitlehrwart (heute „Lehrwart für integratives Reiten“) und hat sich viele Jahre intensiv mit der funktionellen Anatomie und dem Bewegungsapparat des Pferdes beschäftigt. Sie besuchte die Fachschule für osteopathische Pferdetherapie von Barbara Welter Böller und entwickelte das Konzept Equino FIT® – ein ganzheitliches Trainings- und Ausbildungsprogramm für Reiter und Trainer, bei dem unphysiologische und verbrauchende Bewegungsmuster vermieden, Selbstheilungskräfte unterstützt und ein harmonisches Miteinander von Mensch und Tier gefördert werden sollen. Außerdem wirkt sie im Team von Dr. Tuuli Tietze und den SMARTen Vorreiterinnen als lizenzierte Trainerin mit. In ihre Arbeit und ihre vielfältigen Erfahrungen bei der Pferdeausbildung gibt sie auf ihrem ProPferd-Blog Einblick!
Für alle, die meine Blogs noch nicht kennen: Mein Ziel ist es, mit individuell abgestimmtem Training den Pferdekörper so zu unterstützen, dass Blockaden erst gar nicht entstehen bzw Pferde mit Befund auch wieder in ein gesunderhaltendes Bewegungsmuster kommen (natürlich soweit es möglich ist).
Ein Leitsatz in der Osteopathie lautet: „Leben ist Bewegung“ Doch Bewegung kann in verschiedensten Arten ausgeführt werden. Und da sind wir auch schon bei unserem Thema: Es ist immer wichtig, wie eine Bewegung ausgeführt wird, denn das sagt schon ganz viel über den Körper und seine Schwachstellen aus.
Trainiert man mit gezielten Übungen (so ausgeführt, dass sie den Organismus stärken), hilft man dem ganzen Körper stärker, schöner mit mehr Strahlkraft durchs Pferdeleben zu gehen – über die Koppel zu laufen, sich im Viereck zu bewegen, den Springparcour zu meistern oder auch einfach fit bis ins hohe Pferdalter zu werden. Denn wer möchte nicht, dass sein Pferd lange gesund bleibt und man dadurch auch Tierarztkosten spart?
Mein Favorit unter den osteopathischen Leitsätzen ist: „Gesundheit zu finden ist die Aufgabe!“ Und dazu gehört im Pferdesport auch ein Training, welches das Pferd nicht krank und kaputt macht.
Soviel zu meiner allgemeinen Trainings-Philosophie. Doch heute möchte ich speziell das Rückwärtsrichten genauer unter die Lupe nehmen.
Rückwärtsrichten hat neben einem körperlichen auch einen mentalen Aspekt, wie jede Übung/Lektion. Es gibt den Ausspruch „Body and mind always goes together“ (frei übersetzt: „Körper und Geist kann man nicht voneinander trennen“)
Zuerst mal der mentale Aspekt: Rückwärts weichen bedeutet, dass das Pferd seinen Platz aufgibt und ihn für den Ranghöheren frei gibt – ganz vereinfacht formuliert.
Ist ein Pferd ranghoch, könnte es schwieriger sein, es rückwärtszurichten, als ein rangniedrigeres.
Für die körperliche Seite, ist es wichtig, WIE das Pferd im Training rückwärtsgeht.
Ein paar Beispiele:
– Es nimmt den Kopf hoch, drückt den Rücken weg und schleift mit den Hinterbeinen rückwärts (ist auch möglich, dass nur eines der dreien zutrifft).
– Es wird schief, tendiert gern zu einer Seite.
– Es nimmt den Kopf tief und schlurft nach hinten.
– Es hält die diagonale Fußung nicht ein.
All diese Bewegungsmuster sind auf Dauer nicht förderlich für die körperliche Fitness bzw können anzeigen, dass körperliche Blockaden vorhanden sind.
Wie sollte ein korrektes Rückwärts also ausgeführt sein?
Wichtig ist dabei, dass ihr das Becken und auch den Rücken (eigentlich mehr den Rücken) im Fokus habt. Der Rücken sollte sich etwas aufwölben, das Becken abkippen und die Rückwärtsbewegung in einem diagonalen Zweitakt und auch auf einer gerade gedachten Linie passieren.
Die Rückenbewegung könnt ihr mit der Kopf/Hals-Haltung beeinflussen bzw. ihr könnt überprüfen, bei welcher Kopf/Hals-Haltung der Rücken nach oben kommt und so vom Nacken- und Rückenband unterstützt wird.
Je stabiler das Pferd muskulär wird, desto höher kannst du die Kopf/Halshaltung positionieren.
Ein gerades Rückwärtsgehen fordert vom Pferd, sein Becken sowohl rechts als auch links aufzuwölben. Sollte es immer zu einer Seite tendieren, könnte eine Beckenblockade oder auch ein muskuläres Ungleichgewicht vorliegen. Gerade dann ist es wichtig, diese Übung immer wieder mit ins Training einzubauen, natürlich mit Maß! D.h. eventuell kann ich das Pferd in seinem Schiefwerden korrigieren, indem ich die Seite, zu der es immer ausbricht, zur Bandenrichtung stelle und dann mit Gefühl ein Rückwarts verlange. Fortgeschrittene können es aber auch über die Nase, Knotenhalfter oder auch Kappzaum korrigieren.
Ein Schleifen der Hinterbeine kann zur Ursache haben, dass das Becken ungern abgekippt wird.
Also ihr seht – allein diese Übung hat es in sich und birgt einen enormen gymnastischen Effekt.
Denn ganz ehrlich, was nutzen Therapien/ Chiropraktik/Osteopathie usw., wenn am Training nichts geändert wird?
Eure Gundula