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Judiths Blog: Weiche Reiterhand, Anlehnung, In-die-Tiefe-Reiten
07.03.2023 / Blogs

Judith Oberngruber arbeitet seit 35 Jahren mit Pferden.
Judith Oberngruber arbeitet seit 35 Jahren mit Pferden. / Foto: Valerie Oberreiter

Judith Oberngruber ist Trainerin, geprüfte Übungsleiterin Reiten mit mehr als 35 Jahren Pferde-Erfahrung und Expertin für Trauma- und Krisenbewältigung. Sie entwickelte die Methode der Selbst-Aktivierung, um Probleme bzw. negative Verhaltensmuster durch neue, positive zu ersetzen. In ihren Workshops setzt sie auch ihre Pferde als Co-Trainer ein, um Vertrauen zu schaffen, Unbewusstes sichtbar zu machen und individuelle Stärken zu fördern.

 

Weiche Reiterhand, Anlehnung, In-die-Tiefe-Reiten – es gibt viele schöne Lehr-Videos zu diesem Thema, bei denen das alles sehr leicht aussieht. Leider kann man darauf nur sehr schwer erkennen, was die Profis da tatsächlich machen – und wie komplex es in Wirklichkeit ist.

Deshalb möchte ich heute ein paar Tipps geben, wie ich zu einer konstanten, feinen Hand mit guter Einwirkung komme, um das Pferd zur aktiven und lockeren Bewegung in Dehnung zu bringen.

Wie erkenne ich, ob die Bewegung meines Pferdes durch den Körper von hinten nach vorne geht?

1. Das Pferd dehnt den Hals nach vorne. (auch von oben zu erkennen, der Mähnenkamm erscheint länger und flacher)
2. Das Pferd gibt im Genick nach und öffnet sich in den Ganaschen. (Bei gleichmäßiger Zügelanlehnung wird das Gewicht leichter in der Hand – in diesem Moment sofort ebenfalls ein bisschen leichter werden – lose Faust.)
3. Der Pferderücken schwingt. Ich fühle mehr Auf-Ab-Bewegung.
4. Die Hinterbeine fußen zumindest IN den Abdruck der Vorderhufe hinein.
5. Als Reiter habe ich das Gefühl, das Pferd befindet sich vor mir.

Wie bekomme ich eine weiche, stabile Reiterhand?

Zuallererst muss ich meine eigene Balance im Sattel finden, ohne mich an den Zügeln festhalten oder ausbalancieren zu müssen. Stabile Hände gibt es nur bei einem stabilen und ruhigen Sitz. Jede „überflüssige“ Bewegung des Oberkörpers, der Arme und der Hände selbst sind zu vermeiden. Das klingt jetzt sehr statisch, ist es aber auf keinen Fall, da ich immer dem Pferd in der Bewegung (schwingender Rücken) und dem Pferdemaul fein folgen sollte. Genau das ist die Herausforderung!

Nachfolgend häufige Probleme:

a. Ständig zu lockere Zügelführung und durchhängende Zügel verhindern, dass das Pferd von hinten herantreten kann, weil jede Aktivität ins „Leere“ läuft. Da wenige Pferde von sich aus unter dem Reiter in Selbsthaltung gehen, fallen sie dann meistens auf die Vorhand.
b. Zu feste, unnachgiebige Hand führt dazu, dass das Pferd sich ebenfalls im Maul und im Rücken fest macht. Es legt sich auf die Trense/Hand und stützt sich ab oder drückt nach oben. Das sind alles Ausweichmanöver, um der Einschränkung (unangenehm oder sogar schmerzhaft) durch die feste oder starre Hand zu entkommen.
c. Eine zu lange einwirkende Reiterhand ohne vorwärtstreibende Hilfen bewirkt das Gleiche wie im Punkt zuvor beschrieben.
d. Feste Hüfte, klemmende Oberschenkel verhindern das Eingehen in die Bewegung und blockieren das Pferd. Die Hände wirken dann entweder unruhig, weil sie sich nicht in der Bewegung befinden oder sind wiederum zu starr.
e. Hochgezogene Schultern führen zu angespannten Armen und hohen Händen, die ebenfalls schwer in die Bewegung eingehen können.

Lösungsmöglichkeiten:

1. Zügel mit entspannter Faust festhalten. Daumen bildet ein Dach über den am Zeigefinger liegenden Zügel. Der Mittelfinger oder Ringfinger liegt fein am Handballen an. (Bild des Vögelchens in der Faust.)
2. Die Hände werden vor dem Sattel eher tief geführt. (Zu hohe Hände: Knick in der Linie vom Pferdemaul bis zum Ellenbogen des Reiters)
3. Beide Zügel haben prinzipiell eine konstante Verbindung und die Hände folgen fein der Nickbewegung des Pferdekopfes und der Dehnung des Halses bei jedem Schritt. Im Schritt ist diese Nick-Bewegung am größten. Wir folgen der Bewegung und die Verbindung wird immer gleichmäßig aufrechterhalten.
4. Paraden: Schließen der Fäuste und Anspannen der Oberarme für ca. 2 Sekunden in Zusammenwirken mit treibenden Hilfen (Hüfte nach vor, Knie schließen und eventuell mit der Wade Impulse geben).
WICHTIG: Immer wieder Lösen der festen Faust/Entspannen des Oberarms und dadurch dem Pferd ermöglich sich fallen zu lassen, bzw. zu reagieren und sich sofort wieder zu entspannen.
5. Stellen und Wenden: Feines Annehmen des inneren Zügels (gleichzeitiges Nachgeben des äußeren Zügels im selben Ausmaß) für ca.  2 Sekunden und mehr oder weniger Einwirken/Stupsen mit der inneren Wade (NICHT Ferse); das äußere Bein liegt verwahrend ohne Druck auszuüben ein wenig weiter hinten (um eingreifen zu können, falls erforderlich, zB. Ausweichen der Hinterhand).

Ganz, ganz wichtig: Zügelhilfe IMMER gemeinsam mit Schenkelhilfe!!!
Danach wieder lösen und falls erforderlich einfach mit etwas mehr Nachdruck sofort wiederholen. Die Hilfen über den Sitz/Rücken und über die Atmung für ein noch feineres Reiten werde ich in einem weiteren Blogartikel beschreiben.

Als Tipp: man kann ein Gefühl für eine weiche Reiterhand bekommen, indem man eine Person an den Haaren (praktischerweise etwas längere) durch den Raum führt. Faust locker und fest für eine „Parade“ – konstante Führung! Die Einwirkung sollte gefühlvoll und keinesfalls schmerzhaft sein.

Heute war es viel Theorie, die Euch aber beim Einfühlen helfen soll.

Viel Freude und eine feine Verbindung zu Eurem Partner Pferd
wünscht

Eure Judith
 
PS.: Sollte Euch etwas unklar sein, könnt Ihr mich gerne anschreiben und wir sprechen über Telefon oder Zoom. Ich sehe mir gerne auch Eure Videos an und wir besprechen dann die Problemlösung. Kontakt: judith@emotion-works.at

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