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Judiths Blog: Probleme meistern 3: Ein Schritt zurück ist oft die beste Lösung!
14.02.2022 / Blogs

Man sieht die Fortschritte: Clarcoon bemüht sich sehr, rasch zu reagieren und einen schönen Sprung zu machen.
Man sieht die Fortschritte: Clarcoon bemüht sich sehr, rasch zu reagieren und einen schönen Sprung zu machen. / Foto: privat

Judith Oberngruber-Spenger ist Trainerin, geprüfte Übungsleiterin Reiten mit mehr als 35 Jahren Pferde-Erfahrung und Expertin für Trauma- und Krisenbewältigung. Sie entwickelte die Methode der Selbst-Aktivierung, um Probleme bzw. negative Verhaltensmuster durch neue, positive zu ersetzen. In ihren Workshops setzt sie auch ihre Pferde als Co-Trainer ein, um Vertrauen zu schaffen, Unbewusstes sichtbar zu machen und individuelle Stärken zu fördern.


Mein Schimmelchen hat aufgrund seiner Größe und seines schlaksigen Körperbaus einige Herausforderungen an mich gestellt. Obwohl er bereits erfolgreich an Turnieren teilgenommen und einige Parcours mit Profis bis 120 cm bewältigt hatte, kamen einige Schwierigkeiten auf ihn und mich zu.

Zum einen ist es wichtig, ein junges Pferd zu fördern und nicht zu testen. Aussagen von Trainern wie „das muss er können...“ deklassieren die Qualität dieser Leute. Leider können sehr wenige Ausbilder auf die jeweiligen Bedürfnisse eines jungen Pferdes eingehen. Dabei ist es gerade bei Youngstern unglaublich wichtig, dass sie Spaß an der Sache haben und nicht vor unlösbare Aufgaben gestellt werden.

Clarcoon machte schöne Sprünge, wenn er auf leicht groß wegspringen konnte. Dann hatte er genug Zeit, mit seinem Körper und seinen langen Beinen zurecht zu kommen. Jedoch überstieg es eindeutig mein Können, ihn immer in dieser Weise zum Sprung zu bringen. Als Profi-Reiter kein Problem, aber für mich als Amateur...

Also musste mein Junger lernen, mit der neuen Situation zurecht zu kommen.

Mit Bodenstangen oder Cavaletti-Reihen konnte er ebenfalls sehr wenig anfangen. Bei drei Kreuzen hintereinander kam es schon vor, dass bei jedem Sprung eine Stange fiel. Mein damaliger Trainer meinte, dass er eben unvorsichtig wäre und man nichts machen könne. Allerdings fand ich heraus, dass er sowohl die In-Out wie auch die Reihen viel zu eng für die Länge von Clarcoons Galoppsprungs baute. Sein Argument war, das muss er schaffen, weil sonst wird es in Folgen im Parcours immer zu eng werden oder ich würde dann immer einen Galoppsprung weniger reiten.

Das zweite Thema war die Wendung auf den Sprung. Clarcoon war so mit mir und der Trense beschäftigt, verwand sich im Hals und im Genick, sodass ich meistens sehr spät oder gar nicht gerade beim Sprung, bzw. bei der Reihe ankam.

Mein Riesenbaby bemühte sich, es mir recht und richtig zu machen und lernte, auch aus dichten Distanzen sauber zu springen. Aber zuerst hieß es einen großen Schritt zurück und ganz von vorne anfangen. Und zwar damit, was er gut schaffen konnte. Im Trab über ein Cavaletti und in einer für ihn angenehmen Distanz zum Sprung. Absprungstangen zur Unterstützung vor dem Sprung halfen ihm zusätzlich, einen passenden Absprungpunkt zu finden. Bodenstangen und In-Out wurden vorerst eher weit aufgebaut, sodass Clarcoon zuerst lernen konnte, gut damit umzugehen.

Ich dagegen musste stillhalten lernen und ihn einfach mal machen lassen. Außerdem lernte ich, seinen Galoppsprung besser einzuschätzen. Mit der dressurmäßigen Arbeit an der Durchlässigkeit und dem Entwickeln eines Gefühls für die Länge seines Galoppsprungs wurden wir beide zunehmend sicherer. Bald konnten wir in Folgen sogar die Galoppsprünge zwischen 8 und 7, jetzt sogar 6 und 5 variieren.

Nach einem dreiviertel Jahr Aufbauarbeit kann ich in Reihen oder Folgen schon sehr gut abschätzen, ob und wie viel ich den Galoppsprung verlängern oder vielleicht retour reiten muss. Clarcoon bemüht sich sehr, rasch zu reagieren und einen schönen Sprung zu machen. Manchmal übernimmt er auch die Entscheidung und macht lieber noch einen kurzen Galoppsprung rein und bemüht sich trotzdem die Stangen nicht zu berühren. Er hat gelernt mit seinem Körper besser umzugehen – und mit seiner Reiterin mitzudenken.

Nun freue ich mich schon darauf, wenn es ans Parcours-Springen geht, was vor allem wieder an mich eine Herausforderung darstellt. Den Rhythmus halten klappt normalerweise schon ganz gut, aber bei einer Abfolge von mehreren Hindernissen nacheinander ist das schon nicht mehr so einfach. Daran muss ich noch gezielt arbeiten. Die richtige Linie zu reiten, vor allem gleich beim ersten Mal, ist ebenfalls schwierig und werde ich auch mit einigen Stangen-Parcours noch üben müssen.

Was hat mich diese Erfahrung gelehrt?

ES IST WICHTIG:
1.    Junge Pferde zu fördern mit Aufgaben, die sie leicht bewältigen können.
2.    Manchmal ist es sinnvoll einen oder mehrere Schritte zurück zu machen.
3.    Abstände MÜSSEN am Beginn passend für das Pferd sein.
4.    Hilfsmittel zu nutzen: z.B. Absprung- oder Vorlegstangen; Pylonen oder Stangen für den Weg
5.    Herausforderungen langsam steigern (Abstände, Wendungen!, Höhen)
6.    den richtigen Trainer für ein junges Pferd zu finden.
7.    sich nicht entmutigen zu lassen und Freude beim Reiten zu haben!!!

Viel Freude mit Euren tollen Pferden
wünscht

Eure Judith

PS.: Ich freue mich über Kommentare hier auf der Plattform, aber auch über Zuschriften und Anregungen unter judith@emotion-works.at, ob Euch dieser Artikel geholfen hat, oder worüber Ihr gerne etwas lesen würdet.

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