Anja Luise Wessely-Trupp ist als Reiterin und Ausbilderin österreichweit ein Begriff und vor allem für ihre einfühlsame Arbeit mit jungen Pferden bekannt. Auf ihrem Hof im niederösterreichischen Pernitz lebt sie mit ihren Pferden und für ihre Pferde, die ihr über alles gehen und mit denen sie viele spannende, denkwürdige und auch lustige Erlebnisse teilt, über die Sie in Ihrem Blog ,Mein Leben auf vier Beinen’ auf ProPferd berichtet ...
Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die man nicht erklären oder verstehen kann. Und das ist auch gut so, weil man eben nicht immer alles wissen muss. Außerdem mag ich so ein kleines bisschen Gänsehaut und ein wohliges Gruselgefühl, wenn etwas für mich zauberhaft und einmalig ist. Wahrscheinlich wäre ich spätestens jetzt auch ohne rote Haare am Scheiterhaufen gelandet...
Aber von Anfang an.
Bei uns gab es eine Stute, die alles andere als einfach war, aber den Charme, die Ausstrahlung und die Schönheit eines Hollywoodstars hatte. Sie konnte eine richtige Dame sein, mit allem Drum und Dran! Aber wie bei so vielen ihres Kalibers war ihr Weg nicht immer ganz einfach und sie hatte keinen leichten Start in ihr Dressurpferde-Leben, bevor sie zu uns kam. Es hat einige Zeit gedauert, um sie davon zu überzeugen, dass sie der Sattel und ein Reiter nicht das Leben kosten werden und sie hatte eine unglaubliche Methode, um uns von der Unmöglichkeit dieser Mission zu überzeugen: sie ließ sich einfach fallen. Was bei einem Stockmaß von 178 cm schon ziemlich beeindruckend ist. Das erste Mal beim Satteln in der Stallgasse, später auch als wir sie in den Bach reiten wollten, leider aber auch beim Transport im Hänger. Aber sie machte das nicht irgendwie, sondern eben wie eine Dame aus besseren Kreisen, die ihren Handrücken zur Stirn führt und sich langsam zu Boden gleiten lässt. Natürlich blieb ihr Huf auf der Erde, aber es hatte etwas von einer eleganten Art in eine Ohnmacht zu gleiten. Also hat sie einen passenden Spitznamen bekommen und wurde von uns nur noch „Opossum" gerufen. Nicht sehr elegant, aber die stellen sich ja auch einfach tot, wenn Gefahr in Verzug ist. Sie hat sich mit der Zeit zu einem ordentlichen Reitpferd mit toller Rittigkeit gemausert und war nach einigen lustigen Aktionen auch im Gelände schön zu reiten, wenn auch nur mit mir oder Sophie.
Eigentlich hätte sie noch lange bei uns bleiben sollen, aber das Schicksal hat ihr einen Streich gespielt. Durch tragische Umstände musste ich von heute auf morgen einen Platz für sie finden, was unter den Voraussetzungen alles andere als einfach war. Nicht viele Reiter können mit einem Opossum umgehen oder würden die Zeit investieren, die sie dringend braucht. Und ich wollte um jeden Preis verhindern, dass sie irgendwo als missverstandenes Dressurpferd ihr Dasein fristet und wegen ihrer außergewöhnlichen Qualität Dinge tun muss, die sie eigentlich nicht tun will.
Also hab ich mich dahintergeklemmt und mit Hilfe eines sehr guten Freundes den besten Platz gefunden, den man sich vorstellen kann. Dort wird sie umsorgt, geliebt und geschätzt, darf auf schöne Koppeln und ihr Job ist der, den sie schon immer haben wollte: Schöne Fohlen auf die Welt bringen! Der Transport nach Deutschland hat mir natürlich Sorgen bereitet, ich hätte sie gerne auf dem LKW in einer Art „Box" transportieren lassen, damit sicher nichts passiert. Aber die Firma hat mich wohl als hysterische Blondine mit übergroßem Beschützer-Instinkt abgestempelt und mir erklärt, das wäre kein Problem, wenn sie ganz normal fährt. Wir hätten natürlich auch aufgezahlt. Aber „Opossum" hat das auf ihre eigene Art in Kürze erledigt und durfte dann in einer Box reisen, wie es sich für eine Dame von Stand gehört. Auch wenn ich erst bei ihrer Ankunft davon erfahren habe, war ich doch sehr beruhigt. Ich will ja wirklich keine hysterische Blondine sein.
Ich habe von den Züchtern Fotos bekommen und sie ist gedeckt worden und ein bisschen geritten und sie war super brav und scheinbar sehr zufrieden. Ich war glücklich und erleichtert, wie man es eben ist, wenn man etwas wirklich richtig gemacht hat. Und wir haben uns alle riesig auf das Fohlen gefreut, haben mit gefiebert und ab Anfang April ständig daran gedacht, auch wenn wir so weit weg sind. Das Opossum wurde auf den Fotos immer kugeliger und am Ende hatte man fast das Gefühl, dass es mindestens Zwillinge sein müssen, die auf ihren großen Auftritt warten. Oder ein Hulk oder Superman oder ein Dino-Baby! Jeden Tag haben wir gewartet. Und gezittert. Und auf eine Nachricht gehofft. Das erste Fohlen ist ja immer besonders spannend ...
Und dann kam mein Geburtstag. Und gleich in der Früh, um 5.39, kam die Nachricht: Ein Hengstfohlen!! Trakehner! An meinem Geburtstag!!! Ich hab mich so gefreut, und er ist so schön, Opossum ist eine super Mama, und alles hat geklappt. Ich habe fast überlesen, dass er ein besonderes Zeichen auf der Stirn hat. Beziehungsweise hab ich es nicht gesehen, weil kein Kopf-Foto dabei war. Aber am Nachmittag kamen mehr Fotos und es war wirklich nicht zu übersehen. Klar und deutlich, ohne Zweifel: Der Zwerg hat ein "L" auf der Stirn.
Unheimlich, nicht wahr? Und so schön ...
Wie gesagt: Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde ...