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Luises Blog: Unterschätze niemals ein Pferd!
30.12.2017 / Blogs

Trakehner Isegrimm – heute einer der ,Oldies
Trakehner Isegrimm – heute einer der ,Oldies' in Luises Stall – ging bis ins hohe Alter S und Grand Prix, hat aber auch ein großes schauspielerisches Talent ... / Foto: www.scan-pictures.net/Andreas Schnitzlhuber

Anja Luise Wessely-Trupp ist als Reiterin und Ausbilderin österreichweit ein Begriff und vor allem für ihre einfühlsame Arbeit mit jungen Pferden bekannt. Auf ihrem Hof im niederösterreichischen Pernitz lebt sie mit ihren Pferden und für ihre Pferde, die ihr über alles gehen und mit denen sie viele spannende, denkwürdige und auch lustige Erlebnisse teilt, über die Sie in Ihrem Blog ,Mein Leben auf vier Beinen’ auf ProPferd berichtet ...


Mein alter Trakehner Isegrimm war vor langer, langer Zeit als Jungspund Verkaufspferd bei uns. Damals war ich noch sehr grün hinter den Ohren, habe mir aber in einem großen Stall in Deutschland eine Menge abgeschaut und mich sehr bemüht, alles richtig zu machen. Ich hab ihn blitzeplank geputzt, eingeflochten, die Hufe poliert und eingefettet und ihn mit weißen Bandagen und Satteldecke präsentiert. Er war ein sehr schönes Pferd mit drei normalen Grundgangarten, einer guten Einstellung, sehr gut im Maul und bequem zu sitzen.  Kein Überkracher, aber ein netter Kerl!

Bei den ersten potentiellen Käufern hat das überhaupt nicht gepasst. Sie haben ihn auch unter dem Sattel probiert, kamen aber mit so einem jungen Pferd nicht zurecht. Beim zweiten Mal hat Isi schon auf der Stallgasse geahnt, dass wieder so eine Prozedur bevorsteht und angefangen vor Aufregung zu misten. Er war beim Vorreiten etwas nervös, hat sich aber schön gezeigt und die Kunden wollten ihn probieren. Er war ja damals erst vier Jahre alt, hat aber nie irgendwelchen Unsinn gemacht und sich auch gegenüber dem Fremden  beim Aufsteigen gut benommen. Kaum ist der Reiter aber angetrabt, war er stocklahm. Sehr peinlich für mich, wie ich fand – und ich habe mich gleich mehrmals entschuldigt, obwohl ich ja eigentlich nichts dafür konnte. Ich habe  angenommen, er hätte sich vertreten und das auch gesagt. Die Leute haben sich etwas betreten verabschiedet, da kann man halt nichts machen.

Bei meiner nachfolgenden gründlichen Suche nach der Ursache war nichts zu finden, keine Schwellung, nichts war warm, die Hufe unempfindlich. Und zu unserer Überraschung  war er wieder vollkommen lahmfrei!  Meine Mutter kam auf eine andere Idee: Vielleicht mag er keine Männer und ist so schlau, dass er das auf diese Weise zeigt. Also haben wir meinen damaligen Freund draufgesetzt, der viel Gefühl für Pferde hat und sehr geschickt ist. Auch bei ihm war Isi sofort lahm. Er musste wieder absteigen, dafür  hab  mich noch einmal hinaufgeschwungen und schwuppdiwupp-  er war  vom ersten Tritt an frisch, fröhlich und vollkommen normal. Also Alex wieder hinauf und das Spiel ging von vorne los!  Als er dann aber gemerkt hat, dass ihm nichts passiert, war alles wieder gut – und er hat auch den Mann im Sattel ohne Hinken akzeptiert.  Die nächsten potentiellen Käufer konnten kommen!

Zu meiner  Erleichterung war es eine Frau – und ich war ziemlich sicher, dass es diesmal klappen würde. Er hatte sich gut entwickelt,  große Fortschritte gemacht und war beim Vorreiten motiviert und angenehm. Die Dame war begeistert und hat sich mit großer Vorfreude und Herzchen in den Augen in den Sattel geschwungen. Bis zum Antraben schien sie auch sehr glücklich. Aber Isi legte eine Oscar-reife Vorstellung hin und humpelte fast nur noch auf drei Beinen, mitleiderregend und ausgesprochen realistisch. Also wurde das wieder nichts, und ich habe mich zerknirscht entschuldigt. Und in der Küche haben wir uns dann sehr über dieses außergewöhnliche Pferd, an dem wohl ein Schauspieler verloren gegangen ist,  amüsiert. Vielleicht hat ja Charlie Chaplin mieses Karma gesammelt... Der Züchter hat´s mit Fassung getragen und ich habe meinem Vater unter die Nase gerieben, dass meine Mutter sowieso ein Ausreitpferd braucht, leider ohne Erfolg.

Wir haben dann tatsächlich „Probereiten trainiert", und als die nächste Kundin kam, lief alles wie am Schnürchen. Ich war sehr stolz, weil wir das geschafft haben – und auch ein bisschen traurig, dass Isi nun wahrscheinlich ausziehen würde.  Es kam anders:  Die junge Frau erklärte mir, dass er ein sehr nettes Pferd sei, aber nicht genug Qualität hätte. Und ich jubelte innerlich und wappnete mich für den Angriff auf mein unschuldiges Opfer: Jetzt war mein armer Vater  dran!

Ungeschickterweise hat er an dem folgenden  Abend etwas tiefer ins Schnapsglas geschaut und ist danach, etwas angeheitert,  die abendliche Stallrunde gegangen. Er hatte – so von Schnapsnase zu Pferdenase – ein ernstes Gespräch mit dem sympathischen Schlitzohr, und zu meiner großen Freude durfte Isi bleiben.

Später haben wir dann erfahren, dass Isi sowieso bei jeder Ankaufsuntersuchung mit Pauken und Trompeten durchgefallen wäre, weil die Röntgen so schlecht waren! Aber da er das nicht wusste, ist er hoch erfolgreich S und Grand Prix gegangen, bis er 17 Jahre alt war – und ist heute mit 23 auf den Beinen immer noch fit wie ein Turnschuh!  Und er hat in seinem ganzen Leben nie wieder so getan, als wäre er lahm...

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