Anja Luise Wessely-Trupp ist als Reiterin und Ausbilderin österreichweit ein Begriff und vor allem für ihre einfühlsame Arbeit mit jungen Pferden bekannt. Auf ihrem Hof im niederösterreichischen Pernitz lebt sie mit ihren Pferden und für ihre Pferde, die ihr über alles gehen und mit denen sie viele spannende, denkwürdige und auch lustige Erlebnisse teilt, über die Sie in Ihrem Blog ,Mein Leben auf vier Beinen’ auf ProPferd berichtet...
Wenn ich in der Früh aus dem Fenster schaue und alles von einer frischen, himmlisch weißen Schneedecke verhüllt ist, schießt mir unwillkürlich der Gedanke in den Kopf: Jetzt ausreiten! Die Vorfreude ist groß, und weil ich weiß, dass ich eine ewig Frierende bin, wird alles angezogen, das halbwegs verspricht, mich warmzuhalten: doppelte Skiunterwäsche, gefütterte Reithosen, mindestens ein Rollkragenpullover, eine ganz dicke Daunenjacke, selbstverständlich auch noch Schal, Mütze und Handschuhe. Fertig angezogen komm ich mir vor wie ein Michelin-Mädchen und bin dezent unbeweglich, aber irgendwie wird es schon gehen.
Also die Stiegen runter und...f...! Die Stiefel! Ich wusste, daß ich irgendwas vergessen hatte! Wie soll ich in diesem Aufzug in meine Stiefel kommen? Beim Hinunterbeugen erwürgt mich fast der Schal, und während ich verzweifelt versuche, den Zipp zu schließen, wird mir immerhin ein wenig wärmer. Irgendwas ist mir immer noch im Weg, vielleicht waren drei Pullover doch zu viel...? Schnaufend und ächzend schaffe ich es schließlich, meine in zwei Paar Skisocken eingepackten Füße in die warmen Stiefel zu quetschen und stapfe durch den Schnee Richtung Stall.
Warmes Schnauben und ein brummeliges Gewieher begrüßen mich, das sofort mit Keksen aus meiner Tasche belohnt wird. Wobei.... sofort ist übertrieben, denn die Kekse stecken in der Jacke unter dem Mantel. Das habe ich nicht bedacht. Pferd aus der Box, Hufe auskratzen, hm, eigentlich ist es gar nicht so kalt, denke ich mir.... Decke runter, Staubsauger anwerfen, erste Seite mit dem Striegel bearbeiten – nein, es ist es sogar angenehm warm hier! Mantel ausziehen. Ich poliere mit der weichen Bürste (immer noch die erste Seite). Gamaschen rechts drauf, Pferd wenden und Karotte geben. Zweite Seite striegeln, es ist sogar ziemlich warm hier drinnen! Sicherheitshalber hauche ich in die Luft und sehe, dass eine Wolke aufsteigt – aber warum ist mir so warm? Der Schal wird entfernt. Viel besser!
Polieren der linken Körperhälfte, jetzt reiße mir die Haube vom Kopf: Viel zu heiß hier drinnen! Sattel und Zaumzeug drauf – wir geben immer ein Stück Apfel beim Zäumen (dass heißt ich muss aufpassen, dass der Saft vom Apfel meine Handschuhe nicht nass macht) und nehme ihn mit spitzen Fingern an der Schale. Hurra, geschafft – Pferd ist fertig! Während ich mich wieder anziehe, hat Pferd den Karottenkübel erwischt und auf mein „Nein“-Kommando fix reagiert, den Kopf aus dem Kübel gezogen und dabei Richtung Stallmitte geschwenkt – Karotten all überall! Ich, ausgestopft wie ein übergewichtiger Teddybär, sammle sie mühsam ein und werde dabei von meinem vierbeinigen Freund unterstützt: eins ins Maul, keins in den Kübel, große Hilfe! Mir ist inzwischen wieder richtig warm.
Gut, dass wir immer von unserem Stockerl aufsteigen. Bequem und leicht zu bewerkstelligen, auch in gepolstertem Zustand. Und endlich ist es soweit: Ich sitze oben, und es kann losgehen: Schnee, wir kommen!!! Ein wunderbares Gefühl, still und leise durch den Wald zu galoppieren, eins mit diesem Wesen vom anderen Stern! Bis mein Sicherheitssystem auf vier Beinen eine Vollbremsung hinlegt, weil ein Hund um die Ecke schießt. Gerade noch kann ich mich oben halten, der wilde Kerl hat Gott sei Dank seinen Besitzer an der Leine und ist daher nicht der Kategorie "Säbelzahntiger" zuzuordnen, beruhigend für mein Pferd und ein Glück für die unförmige Reiterin. Lächelnd setze ich meinen Ritt fort und stelle mir vor, ich wäre über den Lenker gegangen: Wie eine Schildkröte wäre ich wohl am Rücken gelegen und hätte gezappelt, bis mir jemand aufgeholfen hätte... Schön ist es trotzdem gewesen!