Anja Luise Wessely-Trupp ist als Reiterin und Ausbilderin österreichweit ein Begriff und vor allem für ihre einfühlsame Arbeit mit jungen Pferden bekannt. Auf ihrem Hof im niederösterreichischen Pernitz lebt sie mit ihren Pferden und für ihre Pferde, die ihr über alles gehen und mit denen sie viele spannende, denkwürdige und auch lustige Erlebnisse teilt, über die Sie in Ihrem Blog ,Mein Leben auf vier Beinen’ auf ProPferd berichtet...
Alles Schlechte hat auch was Gutes. Vor 18 Jahren habe ich ein kleines Haflingerfohlen vor der Fahrt zum Schlachter in Italien gerettet und er wurde der beste Dressurpferde-Babysitter, den man sich vorstellen kann. Ich habe ihn Hermann Maier getauft, weil nach dessen Sturz in Nagano jedes zweite Wort im Radio sein Name war und ich das gut fand. Maier, das Steh-auf-Männchen und mein Maierlein, dass von der Schippe gesprungen ist!
Anfangs konnte er nicht gut laufen, weil er die ersten 6 Monate seines Lebens eingesperrt war, das wurde aber ganz schnell besser. Er hat sich zu einem guten Lehrpferd entwickelt, vor allem in der Disziplin „oben bleiben". Ich habe von keinem Pferd so viele Leute langsam ihrem Untergang entgegen rutschen sehen, wie von meinem Herminator. Nur mein Mann hat versucht, das durch einen Griff in den Bauchspeck zu verhindern und ich muss ehrlich sagen, dass Maier und ich gleichermaßen verblüfft waren über die Einfältigkeit dieses Anfängers. Daher war diese Aktion auch von Erfolg gekrönt, Maier konnte nicht reagieren, weil sein Bauch so verkrampft war und ich war Lachkrampf-blockiert, also hat Marco sich wieder in den Sattel gezogen und triumphierend gesagt: "Bin noch oben!". Ich war dann Maiers Sprachrohr und es kam nie wieder vor, dass jemand in diese Intimzone vordrängen durfte!
Springen konnte das Maierlein auch richtig gut, zumindest wenn er wollte, sonst war er auch ein absoluter Einpark-Profi. Aber er hatte eine Manier, wie man sie sich wünscht!
Er hatte auch ein paar Verehrerinnen, die viel Zeit mit ihm verbracht haben und von den Kindern, die seinen Namen nicht verstanden haben, wurde er ehrfürchtig "Herr Maier" genannt. Er hat einige Reiterpässe und Reiternadeln bestanden und war ein beliebter Ausreit-Begleiter, weil er allen Großpferden ihre Grenzen aufgezeigt hat und unsere Vorurteile gegen Dicke Lügen gestraft hat: Ich habe noch nie so ein schnelles, übergewichtiges Gebirgspony gesehen!
Später war er dann nur noch Babysitter für alle schwierigen oder neu angekommenen Pferde und hat auch diesen Job wunderbar gemacht. In kürzester Zeit hat er mit jeder noch so grantigen Dressurtussi Mähne gekrault und durch seine innere Ruhe alle herumlaufenden Irren beruhigt. Er hätte sich die Berufsbezeichnung „Integrationsminister" wahrlich verdient! Seinen kleinen Freund Charly hat er abgeschirmt gegen jede Zudringlichkeit und sich so seine Liebe gesichert. Sie waren viele Jahre unzertrennlich, aber leider haben Maierleins Beine nicht mehr mitgespielt und wir mussten ihn erlösen. Und jetzt weint der kleine Mann um seinen besten Freund und hört nicht auf, nach ihm zu rufen!
Und da kommt das Muli ins Spiel. Ich habe von meinem Hufschmied und einem guten Bekannten erfahren, dass es da einen armen Kerl gibt, der in die Wurst kommen soll. Und nachdem Charly so untröstlich war, sind wir am selben Tag noch losgefahren und haben „Chaplin" geholt. Wir hatten keine Ahnung, wie er ausschaut, außer dass er vier weiße Socken hat und ungefähr Reitpony-Größe. Ich hätte ihn auch geholt, wenn er Strumpfhosen angehabt hätte und so groß gewesen wäre, wie ein Schaf!
Sophie hat mich begleitet, und wir waren traurig und aufgeregt zugleich. Wir hatten ein lachendes und ein weinendes Auge und waren ziemlich aufgekratzt. In meinem Kopf war das Muli braun und ich war ziemlich überrascht, dass es kohlrabenschwarz ist, mit entzückenden langen Ohren und einem etwas dürftigem, aber immerhin echten Pferdeschweif! Wie ein kleines Mädchen habe ich schon das Geld abgegeben, bevor ich überhaupt einen Blick auf den Vierbeiner geworfen habe. Beim Verladen hat uns der Besitzer erklärt, dass man warten muss, bis der Esel selbst entscheidet, in den Transporter gehen zu wollen, sonst geht da gar nichts. Nach 5 Minuten war er drinnen und hat sich seinem Schicksal ergeben. Leider können wir nicht wirklich sagen, was er während des Transports so alles gemacht hat, wir haben nur die Ohren gesehen. Aber die waren ziemlich entspannt.
Bei der Ankunft war meine Familie voller Bewunderung , paralysiert von den Ohren und seinem schwarzen Fell. Als sie dann die Socken gesehen haben, war das Muli nur noch wunderbar und ich wurde ganz viel gelobt für meine vortreffliche Wahl. Es bleibt bitte unter uns, dass ich keinen blassen Schimmer hatte, wie die zu rettende Seele ausschaut.
Wir mussten durch zwei Ställe durch, um zu Charlies Reich zu kommen, und beim Anblick der ersten Pferde ist der Schwarze mit nach vorne gespreizten Beinen in der Stalltüre erstarrt. Und hat seine Stimme erhoben. Ein Aufruhr in der gesamten Stallgasse war die Folge, Sophie und ich wurden von Lachkrämpfen geschüttelt. Man hatte uns gesagt, dass zwei Seelen in ihm wohnen würden und er sowohl wiehern als auch I-Ahhh machen könnte, aber mit diesem wilden Gegröle haben wir nicht gerechnet. Und die Pferde auch nicht. Wenn Carla, die Rappstute, die an der Ecke steht, blass werden könnte, wäre sie es geworden! Mehr Entsetzen kann ein Blick nicht ausdrücken, aber sie hat ihn beim Durchgehen auch neugierig verfolgt. Sparky hat seinen Seelenverwandten erkannt und gleich mutig begrüßt und Charly, der wichtigste von allen, hat sich über die Boxenwand gestreckt und enttäuscht festgestellt, dass das nicht sein Maier ist. Chaplin hat seine Box erkundet und ich weiß noch nicht, ob er sie gut gefunden hat. Jedenfalls hat er ziegenähnliche Bocksprünge gemacht und meine Mama geschockt, die gleich Angst hatte, dass er aus dem Fenster springt.
Die Nacht hat er gut überstanden und wir haben ihn in der Halle laufen lassen. Dann haben wir das wilde Muli neben Diavolo gestellt und sie waren anschließend zusammen auf der Koppel. Es war definitiv nicht Liebe auf den ersten Blick, aber das haben wir auch nicht erwartet. Mal sehen, was die nächsten Tage bringen!
Chaplin hat mehr im Kopf, als wir alle zusammen und hat uns gleich 'mal gezeigt, mit wem wir es zu tun haben. Das Anreiten wird auf jeden Fall eine Aufgabe, und wir werden uns bemühen müssen, ihm das logisch zu erklären, sonst wird das nichts. Aber Sophie hat schon große Ziele, und wenn er uns mal oben lässt und man uns nicht hinausschmeißt, wird er wohl einen Auftritt auf einem Spezialrassen-Turnier bekommen. Aufgrund seiner Zeichnung muss er dann wohl als Totilas an den Start gehen...