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Gundulas Blog: Höre und schaue auf Dein Pferd!
13.11.2020 / Blogs

Im Idealfall ist die Verbindung und die Kommunikation mit dem Pferd so gut, dass es gar nicht erst zu ernsthaften Problemen kommt.
Im Idealfall ist die Verbindung und die Kommunikation mit dem Pferd so gut, dass es gar nicht erst zu ernsthaften Problemen kommt. / Foto: Philipp Broos

Gundula Lorenz ist von Kindheit an mit Pferden verbunden, geprüfter Behindertenreitlehrwart (heute „Lehrwart für integratives Reiten“) und hat sich viele Jahre intensiv mit der funktionellen Anatomie und dem Bewegungsapparat des Pferdes beschäftigt. Sie besuchte die Fachschule für osteopathische Pferdetherapie von Barbara Welter Böller und entwickelte das Konzept Equino FIT® – ein ganzheitliches Trainings- und Ausbildungsprogramm für Reiter und Trainer, bei dem unphysiologische und verbrauchende Bewegungsmuster vermieden, Selbstheilungskräfte unterstützt und ein harmonisches Miteinander von Mensch und Tier gefördert werden sollen. In ihre Arbeit und ihre vielfältigen Erfahrungen bei der Pferdeausbildung gibt sie auf ihrem ProPferd-Blog Einblick!

 

Vor kurzem war auf ProPferd.at von einer britischen Studie zu lesen, die zu einem bedenklichen, ja, erschreckenden Resümee kam: dass nämlich ein Großteil der untersuchten Pferde Anzeichen von Schmerz sowie eindeutige Lahmheit zeigte. So wurde bei 58,3% der an der Studie teilnehmenden Pferde eine erhöhte Spannung und/oder Schmerzen im Bereich Wirbel- bzw der Lendenwirbelsäule festgestellt. Bei fast der Hälfte der Pferde (46,7%) zeigte sich eine Abnormität im Galopp, wie etwa „hoppelnde“, verkürzte und steife Galoppsprünge. Das wahrhaft erschreckende an der Untersuchung aber war, dass die Besitzer bzw. Reiter nichts von alldem bemerkten – und für sie ihre Pferde völlig ,in Ordnung‘ waren.

Eigentlich ein schockierendes Ergebnis – doch offen gesagt war ich keineswegs erstaunt darüber, denn der Artikel deckt sich durchaus mit dem, was auch ich sehr oft in meiner täglichen Praxis beobachte.
Wie aber ist soetwas möglich – warum kommt es soweit? Wenn ihr mich fragt, gibt es dafür mehrere Gründe:

Auf der einen Seite gibt es die Gruppe derer, die ihrem Pferd – ich drück`s mal vorsichtig aus – nicht weh tun wollen. Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die zu viel Leistung in kürzester Zeit wollen. Und es gibt wohl auch noch – ich bin mal optimistisch – eine dritte Gruppe, die zwischen diesen beiden Lagern steht und die einen Missstand ändern würde, wenn sie jemand darauf hinweist und das auch plausibel erklärt.

Zu dieser dritten Gruppe muss man auch anmerken: Es gibt viele Leute, die sich toll verkaufen – gute Theoretiker sind, aber leider nicht die erforderliche Qualität mit sich bringen bzw. diese in der Praxis nicht umsetzen können. Das Problem: Wie soll jemand mit wenig Pferde-Erfahrung das wirklich erkennen?

Vielleicht eine kleine Geschichte dazu: An einem schönen Sommertag sitzen einige Pferdemädels im Stall zusammen und blättern in einer Zeitschrift. Plötzlich ruft eine: „Uiii, dieses Pferd hätte ich gerne!“ Daraufhin alle: „Ja der ist schön.“ Ich wurde neugierig und sah mir das Bild an: ein Pferd mit ca 7 oder 8 Jahren, mit einem Senkrücken und einem hervorspringenden Unterhals – weit weg von schön!  Da wurde mir bewusst, dass sich vielleicht sogar das Schönheitsideal eines Pferdekörpers verändert hat. Doch mit was für Folgen für das Pferd?! Wo bleibt diese umgedrehte Banane, mit der Wölbung nach oben??

Hinzu kommt, dass auch wir Menschen immer mehr verlernen, unseren Körper gezielt einzusetzen und Bewegung effizient auszuführen, d.h. mit nur so viel Kraft und nur so viel Muskulatur wie notwendig. Der Grund liegt darin, dass wir unser Bewegungspotenzial nicht mehr vollständig ausnutzen, so wie es noch unsere Vorfahren gemacht haben. Wir sitzen viel im Büro, entwickeln einen Rundrücken im Bereich der Brustwirbelsäule und gleichen in der Lendenwirbelsäule unser Defizit aus.

Setzt sich so jemand in den Sattel, gibt er dem Pferd durch seinen Sitz das Kommando „Geh ins Hohlkreuz“. Wie soll es jemanden, der seinen Körper am Boden schon nicht „im Griff“ hat, auf einem bewegten, lebendigen „Untergrund“ – nämlich dem Pferd – dann ergehen? Egal mit welchem Sportwissenschaftler man redet, jeder wird bestätigen, dass man zuerst eine Übung am Boden beherrschen sollte – weil auf wackeligem Untergrund alles noch deutlich schwieriger ist.

Und dann ist da auch noch das Pferd: Es ist ein Fluchttier, und seine Fluchthaltung ist: Kopf hoch (dadurch wird der Rücken etwas nach unten gedrückt) und ab durch die Mitte! Mit anderen Worten: Ich muss auch an die Emotion des Pferdes denken, denn die Pferde spiegeln unsere Emotionen…
Eine entspannte Haltung des Pferdes sehen wir z. B. beim Grasen oder auch Ruhen – und da haben wir sie wieder, die umgekehrte Banane. Diese Haltung sollte sich idealerweise auch im Training fortsetzen. Ich möchte gerne Rücken sehen, die zumindest waagrecht oder auch eine leichte Aufwärtsbewegung machen – und nicht nach unten ins Hohlkreuz wippen!

Als Vergleich kann man sich vorstellen, dass man mit einem Rucksack läuft. Jeder Schritt bringt euch dabei in ein Hohlkreuz – und tut weh!! Früher oder später verändert ihr dann eure Beckenstellung, um diesem unbequemen Druck zu entgehen. Ändert sich beim Pferd die Beckenstellung – ich sage dann, dass zu einem „Entenpopo“ neigt – kann es nicht mehr unterspringen, es kommt zu einem „Hasengalopp“, der oft in einem Viertakt endet.

All diese Dinge lernt man kaum mehr in Reitschulen, man muss sich selbst damit auseinandersetzen und schauen, wie man zu diesem Wissen kommt. Aber da wären wir wieder beim entscheidenden Punkt: Wonach wird entschieden, ob unser Reiten gut und pferdegerecht ist – oder nicht?

Einen Tipp kann ich euch geben: Wer seine Pferde so trainiert, dass sie wenig Chiropraktik, Osteopathie und auch alle anderen Therapien brauchen, dass sie zufrieden aussehen, dass ihre Augen leuchten und sie ihrer Umwelt und anderen Lebewesen gegenüber aufmerksam sind, ihre Augen wachsam und entspannt wirken, und , und, und  – der weiß, was er tut und wenn der Mensch dann auch noch ein Lächeln im Gesicht hat – umso besser.

Im Resümee des oben angeführten Artikels steht als Ziel, dass lahme Pferde rechtzeitig erkannt und entsprechend behandelt werden sollten. Stimmt zweifellos – aber ich bin der Meinung, dass man bitte schon früher ansetzen und vorbeugend tätig werden sollte, damit es erst gar nicht zu massiven Schmerzen kommt. Jetzt werdet ihr vielleicht sagen: „Na klar, die hat gut reden ...“ Aber glaubt mir – ich weiß, wovon ich spreche, ich habe es vorher auch nicht erkannt und gehörte genau zu diesen Menschen, an die sich der Appell des Artikels richtete. Doch meine Ausbildung bei Barbara Welter Böller, Gespräche mit Werner Degen, dem Sportwissenschaftler, Diskussionen mit Anna Kleissner und Susanne Hohenberg, die schon immer ihren eigenen Weg bei Pferden ging, mit Max Welter und und und…letztendlich meine Pferde Chicco und Fabiola, denen wenige eine Chance gaben und sich so toll entwickeln, Pferde von verzweifelten Klienten – sie alle haben meine Sichtweise, mein Tun verändert. Corona ist eine Zeit der Veränderung, lasst uns diese nutzen und geht mit mir diesen Weg!
Eure Gundula

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