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Gesichtserkennung für Pferde: Eine künftige Alternative zu Chip oder Brandzeichen?
03.01.2023 / News

Im Umfeld eines Reitstalls wurde das System der Gesichtserkennung bei Pferden erstmals getestet – und zwar höchst erfolgreich.
Im Umfeld eines Reitstalls wurde das System der Gesichtserkennung bei Pferden erstmals getestet – und zwar höchst erfolgreich. / Foto: Islem Jarraya et.al.

WissenschaftlerInnen aus Tunesien und Kuwait haben einen vielversprechenden Ansatz zur Identifizierung von Pferden getestet: nämlich die Gesichtsbiometrie. Das von ihnen entwickelte System bewährte sich in einer ersten Studie eindrucksvoll und erreichte eine Erkennungsrate von 99,89 %.


Sowohl Tiere als auch Menschen brauchen Sicherheit, so Autorin Islem Jarraya und ihre Forscherkollegen in der Zeitschrift IEEE Access. Im Zusammenhang mit der Landwirtschaft besteht die Notwendigkeit, Nutztiere aus Gesundheitsüberwachungs- und Produktionsgründen zu kennzeichnen. Bestimmte Länder oder Wirtschaftsräume können die Umsetzung von Tiererkennungs- und Identifizierungsprogrammen verlangen, die es den Landwirten ermöglichen, Tiere von Geburt an zu verfolgen. Bei gerichtlichen Streitigkeiten ist die Pferde-Identifikation ebenfalls obligatorisch, um die Herkunft eines Tieres sicherzustellen und seine Identität zu bestätigen, wie die AutorInnen einleitend betonten.

Bekannte traditionelle Tierkennzeichnungsmethoden sind etwa Ohrmarken aus Kunststoff, Tätowierungen, Heiß- oder Kaltbrand, Chips oder elektronisch lesbare Ohrmarken. Doch nahezu alle diese Techniken sind mit gewissen Nachteilen verbunden und können das Tierwohl beeinträchtigen, weshalb sie in vielen Fällen auch von Tierschützern kritisiert werden (siehe etwa die Diskussionen um den Heißbrand). Zudem sind alle sind mit einem gewissen technischen oder manuellen Aufwand verbunden, um das Tier zu identifizieren.

Aufgrund all dieser Schwierigkeiten sollte „ein anderer Erkennungs- und Identifizierungsweg für eine wirksame Kontrolle mittels eines betont robusten biometrischen Markers herangezogen werden, der konsistent, betrugssicher, schnell, präzise, kostengünstig und nicht-invasiv zu erfassen ist“, so die AutorInnen. Mit Hilfe der Biometrie und der Verwendung bometrischer Daten könnten die vorhandenen Probleme grundsätzlich gelöst werden, was in der Vergangenheit bereits erfolgreich demonstriert wurde: So haben ForscherInnen biometrische Merkmale wie das spezielle Muster des Pferdemauls oder Netzhautmuster herangezogen, um Pferde zu identifizieren – diese Versuche waren zwar effektiv, aber ebenfalls mit einem gewissen Aufwand verbunden, um die Identität eines Tieres festzustellen – etwa einem sehr nahen, direkten Kontakt zwischen dem Tier und der Kamera, um das Maul- bzw. Netzhautmuster präzise und detailgenau zu erfassen.

Wünschenswert und im Sinne des Tierwohls wäre daher ein biometrisches Erfassungs- und Erkennungssystem, das ohne einen solchen direkten Kontakt zwischen dem Subjekt und dem Sensor funktioniert – und hier bietet sich eindeutig die Gesichtserkennung als mögliche Variante an: „Die Gesichtserkennung ist eine der vielversprechendsten Modalitäten zur Identifizierung von Pferden, trotz des Mangels an Forschung auf diesem Gebiet“, so die AutorInnen.

Das Studienteam machte sich daran, ein solches Gesichtserkennungs-System zu entwickeln und auch gleich in einer ersten konkreten Anwendung zu erproben – nämlich integriert in ein intelligentes, biometrisches Sicherheitssystem eines Reitvereins, das nicht nur Reiter und Personal, sondern auch die Pferde erkennen und identifizieren kann (ein sogenanntes SRCBS = ,Smart Riding Club Biometric System’). Für die Identifizierung von Menschen entschieden sich die WissenschaftlerInnen für ein biometrisches Verfahren, das auf der Gangbiometrie basierte. Dieses sei „einfacher zu handhaben und sicherer als die anderen biometrischen Verfahren“, so das Studienteam, während bei den Pferden „die Gesichtsbiometrie das am besten geeignete biometrische Merkmal zur Identifizierung von Pferden“ darstelle.

Tatsächlich weisen Pferde haben – ebenso wie Menschen – erhebliche individuelle Unterschiede in den Gesichtsmerkmalen auf: So sind nicht nur Gesichtsform und -proportionen, sondern auch die Fellfarbe äußerst vielfältig, ebenso die Form von Wirbel und diversen Abzeichen auf Stirn (Flocke, Blume, Stern etc), Nasenrücken (Blesse) sowie Zeichnungen im Bereich von Maul und Nüstern. Die Variation in Richtung und Form all dieser Oberflächenmuster ist von Pferd zu Pferd unterschiedlich – und aufgrund dieser individuellen Merkmale ist „die Verwendung des Gesichtsmusters für die Pferdeidentifikation effektiver“, so die AutorInnen.

Das Studienteam beschrieb ausführlich die Schritte, die es zur Entwicklung des vorgeschlagenen Systems unternommen hatte, einschließlich der Eingabe von Daten für jeden Menschen und jedes Pferd. Im Fall der Studie mit 47 Pferden wurden sieben Gesichtsbilder pro Tier zum „Trainieren“ des selbstlernenden Systems ausgewählt. Menschliche Gangdaten wurden für 93 Männer und 31 Frauen eingegeben. Drei Kamerapositionen wurden für die Erfassung und Erkennung des menschlichen Gangs und des Pferdegesichts festgelegt: Der erste war am Ende der Scheune zur Gangerfassung der Arbeiter und Reiter. Die anderen beiden Kameras befanden sich in der Scheune in der Nähe der Pferde, um ihre Gesichtsbiometrie und den menschlichen Gang in der Profilansicht in einem 90-Grad-Winkel aufzunehmen.

Wie hat sich nun die Systemsoftware in Bezug auf die Erkennung geschlagen? Videomaterial von vier Reitbetrieben in Sfax (Tunesien) wurde aufgenommen, um die Leistungsfähigkeit der Software zu beurteilen. Beim menschlichen Gangbild betrugen die Erkennungsraten 95 % bei frontaler Erfassung, 100 % in der 90-Grad-Ansicht und 98,90 % in der 180-Grad-Ansicht.

Für Pferde waren die Ergebnisse besonders ermutigend. Das System erreichte eine durchschnittliche Genauigkeit von 90 % bei der Erkennung von Pferdegesichtern und eine Trefferquote von 99,89 % bei der Identifizierung des Pferdegesichts – ein schlagender Beweis, dass die Gesichtserkennung ein enormes Potenzial bei der Identifizierung von Equiden aufweist, das dieses System für mannigfaltige künftige Anwendungen geeignet macht.

Das System soll in weiteren Forschungsarbeiten verbessert und optimiert werden, damit die Erkennung und Identifizierung von Pferden und Menschen in Echtzeit erfolgen kann, so die AutorInnen. Darüber hinaus möchten sie seine Leistungsfähigkeit und Effektivität verbessern, indem sie weitere Merkmale mit besserer Unterscheidbarkeit entwerfen und die Anwendung der Software auch auf andere Tierarten ausdehnen.

Die Studie „Biometric-Based Security System for Smart Riding Clubs" von Islem Jarraya, Fatma Ben Said, Tarek M. Hamdani, Bilel Neji, Taha Beyrouthy und Adel M. Alimi ist am 14. Dez. 2022 in der Fachzeitschrift ,IEEE Access' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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