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Ungewöhnliche OP rettet Pony das Augenlicht
30.01.2017 / News

Vergleichende Distanzbetrachtung der Augen im Rahmen der OP-Voruntersuchung. (Fotocredits: Vetmeduni Wien)
Detailbetrachtung des Lidrandes und der Bindehaut des rechten Auges im Rahmen der OP-Voruntersuchung. (Fotocredits: Vetmeduni Wien)
Beginn der OP am stehend sedierten Pferd am Tag nach der Voruntersuchung. (Fotocredits: Vetmeduni Wien)
Durchtrennung des Narbengewebes zwischen Unterhaut und Knochenhaut. (Fotocredits: Vetmeduni Wien)
Vernähen der Unterhaut am Ende der ersten Operation. (Fotocredits: Vetmeduni Wien)
Vergleichende Distanzbetrachtung der Augen einige Wochen nach der Re-OP. (Fotocredits: Vetmeduni Wien)
Klaas-Ole Blohm macht die internationale Spezialisierung des European College of Veterinary Ophthalmologists. (Fotocredits: Vetmeduni Wien/M. Bernkopf)
Glupschi – hier mit Besitzerin Eva Zehetgruber – ist nach der OP förmlich aufgeblüht und kann die Zuwendung der Kinder noch mehr genießen. (Fotocredits: privat)

Spezialisten der Vetmeduni Wien konnten durch einen komplizierten und ungewöhnlichen Eingriff einem 21-jährigen Pony das Augenlicht erhalten.

 

Ponystute Glupschi ist so etwas wie der kleine Star im Reitclub Donaustadt, der im August 2015 von Fam. Zehetgruber übernommen wurde: Brav und geduldig lässt sie sich in der Wichtelgruppe von Kindern putzen und herumführen oder trägt sie auf ihrem Rücken durch den Wald und auf den Ponyspielplatz. Die Herzen der Kinder fliegen ihr nur so zu.
Dabei hatte Glupschi, die vor einiger Zeit mit ihrem Freund, dem Minishetty Nils, zu Fam. Zehetgruber kam, vermutlich kein leichtes Leben: Eine länger zurückliegende, massive Lidverletzung – der die anfangs namenlose Ponystute übrigens auch ihren Namen „Glupschi“ verdankt – machte ihr zu schaffen. Trotz – oder vielleicht sogar ein wenig wegen dieser Beeinträchtigung – kaufte Eva Zehetgruber die beiden Unzertrennlichen und konsultierte umgehend mehrere Tierärzte, um Glupschis Augenproblem zu lindern. Doch die sahen, so die Besitzerin, außer der Behandlung mit Salben oder einer Radikalmaßnahme, nämlich dem Zunähen des Auges, keine Behandlungsmöglichkeiten.

Glück im Unglück
Im Herbst des letzten Jahres stand Glupschis Leben plötzlich auf der Kippe: Sie erlitt eine schwere Kolik und musste an der Vetmeduni Wien notoperiert werden. Glücklicherweise gelang der Eingriff – und Glupschi bewies einmal mehr ihren Lebenswillen und ihr Durchhaltevermögen. Während des Aufenthalts an der Klinik ersuchten die Chirurgen ihren Kollegen, Tzt. Klaas-Ole Blohm aus der Augenabteilung, sich doch einmal die Augenverletzung des wackeren Ponys anzusehen und zu prüfen, ob man da nicht etwas tun könne bzw. solle. Der Augenspezialist stellte nach einer ersten Untersuchung fest, dass die alte Verletzung tatsächlich sehr schwerwiegend war  – seine Chefin Prof. Dr. Barbara Nell (Leiterin der Augenabteilung) und er aber eine Möglichkeit sahen, eine weitere Verschlechterung zu verhindern. Doch sollte man damit zuwarten, bis sich Glupschi von ihrer Kolik-OP wieder vollständig erholt habe.

Sobald es soweit war, kam Glupschi wieder an die Vetmeduni Wien – und stellte die Spezialisten der Augenabteilung vor eine ungewöhnliche Herausforderung. Tzt. Blohm: „Die Entscheidung zur OP war für uns der Zustand der Hornhaut. Diese zeigte bereits degenerative Veränderungen aufgrund der starken Exposition und mangelhaften natürlichen Befeuchtung und Nährstoffversorgung durch den Tränenfilm. Man kann sich das ähnlich vorstellen wie in anderen Geweben des Körpers, das optimale Gewebe wird geschädigt und es kommt zur Vernarbung, was bedeutet, dass nur eine minderwertige Reparatur keine wirkliche Regeneration mit Erhalt der normalen Funktion erfolgt. In der Hornhaut ist eine verminderte Transparenz mit visueller Beeinträchtigung durch die zunehmende Trübung die Folge. Auch die frei liegende Bindehaut reagiert entzündlich auf die vermehrte Irritation und war teils oberflächlich abgestorben. Es fehlten Teile vom oberen und unteren Lidrand zur Nase hin. Durch das fehlende Gewebe und den Narbenzug der umgebenden Unterhaut hat der Lidschluss nicht mehr richtig funktioniert. Wir waren erstaunt, wie gut das Pony diese erheblichen Probleme bislang kompensieren konnte – haben allerdings auch klar gesehen, dass die Gefahr der Erblindung besteht. Wenn die Schädigung der Hornhaut weiter fortschreitet, kann das Pony in der Folge einer zunehmenden und bleibenden Trübung dieser essentiellen Struktur zur Durchlässigkeit und Brechung des Lichtes die Sehkraft des Auges verlieren. Im schlimmsten Fall hätte man aufgrund schmerzhafter Defekte der chronisch kranken Hornhaut eines blinden Auges dieses entfernen müssen.“

OP war unvermeidlich
Somit war eine operative Korrektur des Zustandes nach dem alten Trauma dringend geboten – und das möglichst rasch. Doch der Eingriff war alles andere als einfach – und medizinisch höchst anspruchsvoll. Tzt. Blohm: „Das primäre Ziel der Operation war, die Funktion der Augenlider im Zusammenspiel mit dem Tränenfilm wiederherzustellen, um eine adäquate Befeuchtung und Versorgung der Hornhaut mit Nährstoffen zu gewährleisten und die Degeneration zu stoppen. Aufgrund der alten Verletzung fehlten Teile vom Lidrand, die nicht wiederherzustellen waren. Ein zusätzliches Problem war, dass die ebenfalls reduzierte Haut der Augenumgebung mit der knöchernen Unterlage des Stirn- und Tränenbeines des Schädels derb und großflächig vernarbt war. Wir mussten diese Haut mobilisieren, dabei die Tränenwege, Nerven und Blutgefäße schonen und versuchen, die Haut wieder in die richtige Position zu bringen. Ziel war, dass das Pony nach vollständiger Abheilung das Auge wieder komplett schließen kann und die Hornhautgesundheit erhalten bleibt. Dass der Ausgangszustand es unmöglich macht, als kosmetisches Ergebnis der OP ein normales Auge wiederherzustellen, war uns klar.“

Unter diesen Prämissen wurde der Eingriff im November 2016 durchgeführt – und war auch allem Anschein nach erfolgreich. Doch nach rund einer Woche gab es einen Rückschlag – die vernähte Wunde ging wieder auf. Tzt. Blohm: „Diese Komplikation war, sobald wir die OP beendet hatten, unsere größte Sorge – und sie ist dann auch tatsächlich eingetreten, weil die Spannung auf dem noch vorhandenen, mobilisierten Gewebe doch zu groß war und es zum Nahtbruch kam.“

Nach Rücksprache mit Prof. Dr. Nell kontaktierte Tzt. Blohm die Besitzerin und man entschloss sich dazu, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen – und einen weiteren Eingriff vorzunehmen. Tzt. Blohm: „Wir haben die Wunde chirurgisch aufgefrischt und dann auf eine alternative Weise erneut vernäht. Die Strategie war nun nicht mehr eine primäre Wundheilung, sondern dass der Bereich der Wunde, wo wir nicht genügend Haut zur Verfügung hatten, sekundär zugranuliert, dass also der Körper sich an dieser Stelle mit Unterstützung auf natürlichem Wege heilt.“ Und das funktionierte schließlich. Tzt. Blohm: „Ich habe danach jeden Tag mitgefiebert, dass die Nähte nun ihren Job machen können bis das Gewebe stabil genug ist – und sie haben gehalten. Zum Glück sind wir jetzt knapp zwei Monate nach der OP soweit, dass wir einen sehr positiven Heilungsverlauf haben und der gesundheitliche Status des Auges im Vergleich zum Ausgangspunkt deutlich verbessert werden konnte.“

„Keine alltägliche Geschichte“
Für die Augenspezialisten der Vetmeduni Wien war der Eingriff alles andere als eine Routine-Angelegenheit, wie Tzt. Blohm erläutert: „Für uns war das tatsächlich ein ungewöhnlicher Fall, weil Pferde mit Lidverletzungen 1) meist relativ akut vorgestellt werden und wir eine frische Wunde mit sehr guter Heilungsprognose versorgen und 2) weil oftmals die Haut doch noch mit Verbindung zu vitalem Gewebe herunterhängt und man kann diese nach Reinigung und chirurgischer Auffrischung der Wunde wieder weitestgehend rekonstruieren und ohne große Spannung vernähen. In diesem Fall war die Verletzung schon sehr alt und ein chronisches Stadium erreicht – wir mussten abwägen, ob wir da überhaupt rangehen sollen oder nicht, weil der Eingriff auch ein invasives Procedere ist. Wir freuen uns aber heute, dass wir – mit Einverständnis der Besitzerin – den Versuch wagen konnten, weil unsere Ambition geweckt war, etwas für dieses Pony zu tun und sein Augenproblem zu verbessern. Man darf bei all dem nicht vergessen, dass das Pony der Patient ist und viele Strapazen tapfer mitgemacht hat.“

Beide Eingriffe am Auge wurden im Übrigen nur mit lokalen Anästhesietechniken und systemischer medikamenteller Beruhigung und Schmerzstillung im Stehen durchgeführt, was für Tzt. Blohm und Prof. Dr. Nell eine zusätzliche Herausforderung darstellte. Doch Glupschi bewies neuerlich ihre Engelsgeduld und ließ alles den Umständen entsprechend ruhig über sich ergehen. Wie sich nun – Wochen nach der zweiten Operation – zeigt, ist das wichtigste Ziel des Eingriffs erreicht: Das Pony kann – dank seiner „erneuerten“ Lidkonformation – nun das Auge tatsächlich wieder vollständig schließen, eine weitere Schädigung der Hornhaut und des Bindehautgewebes ist damit gestoppt. Auch wenn auf dem verletzten Auge die Sehkraft bereits geringgradig eingeschränkt ist, ist noch immer ein respektabler Rest davon vorhanden – und den soll Glupschi für ihr weiteres Leben nun auch behalten.

Glupschis neues Leben
Besitzerin Eva Zehetgruber ist mit dem Ergebnis jedenfalls überglücklich – ihre geliebte Glupschi ist seit der OP förmlich aufgeblüht und zeigt deutlich, wie sehr sich der Zustand gebessert hat. Sie ist nach wie vor der Liebling der Kinder, deren Herzen ihr zufliegen – und genießt deren Zuwendung sichtlich. Eva Zehetgruber: „Obwohl die Operationskosten, vor allem bei der Kolik, den finanziellen Wert unserer Glupschi um ein Vielfaches überstiegen haben, würde ich das jederzeit wieder machen, für jedes unserer Tiere. Sie sind Teil der Familie. Jedes Leben ist einzigartig!“

Den Spezialisten der Vetmeduni Wien, die hier so Großartiges geleistet haben, ist sie zutiefst dankbar: „Das Team der Vetmeduni hat uns sehr geholfen, Information, Betreuung und das Engagement der Ärzte waren hervorragend. Ich habe Glupschi in den besten Händen gewusst und würde jederzeit wieder meine Tiere auf die Uni-Klinik bringen! Vielen Dank dem tollen Team, insbesondere der Augenabteilung rund um Frau Prof. Dr. Nell und Herrn Dr. Blohm, die unserer Glupschi eine neue Lebensqualität gegeben haben!“

KONTAKT
Veterinärmedizinische Universität Wien
Abteilung für Augenheilkunde
Kleintierchirurgie, Universitätsklinik für Kleintiere und Pferde
Veterinärplatz 1, 1210 Wien
T +43 1 25077-5332 (zur Terminvereinbarung werktags 9–13 Uhr)

Weitere Infos & Kontakte der Spezialklinik für Augenheilkunde findet man hier.

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