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Abnormales Verhalten beim Zäumen, Satteln und Aufsteigen weit verbreitet
30.01.2021 / News

Abnormale Verhaltensweisen wie Schweifschlagen, Ohrenanlegen etc. sind beim Satteln, Zäumen und Aufsteigen weit verbreitet – so das ernüchternde Ergebnis der britischen Untersuchung.
Abnormale Verhaltensweisen wie Schweifschlagen, Ohrenanlegen etc. sind beim Satteln, Zäumen und Aufsteigen weit verbreitet – so das ernüchternde Ergebnis der britischen Untersuchung. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay

Eine Untersuchung britischer Wissenschaftler über das Verhaltens von Pferden während des Zäumens bzw. Sattelns sowie beim Aufsteigen lieferte ein ebenso ernüchterndes wie beunruhigendes Ergebnis: Abnormale Verhaltensweisen sind dabei häufig anzutreffen und mehr oder weniger üblich.


Die Studie – vor kurzem erschienen im Fachjournal ,Equine Veterinary Education' und ausführlich zusammengefasst vom Portal Horsetalk.co.nz – konzentrierte sich auf 193 Sport- und Freizeitpferde, die in 11 Reitställen von Amateur- und Profireitern geritten wurden.

Die Forscher entwickelten ein Protokoll zur Dokumentation des Verhaltens der Pferde, während sie zum Reiten vorbereitet wurden, es umfasste insgesamt 64 abnormale Verhaltensweisen beim Satteln/Zäumen und 30 beim Aufsteigen. Das Protokoll wurde in einer kleinen Pilotstudie vorab getestet und anschließend nochmals geringfügig modifiziert bzw. nachgebessert. Die aufgelisteten Verhaltensweisen reichten von Ohrenanlegen, Herumzappeln und Schweifschlagen, Kopfwerfen, Starren, Herausstrecken der Zunge und Nasenreiben bis hin zu aggressivem Verhalten wie Beißen und Treten.

Für die Studie wurde jedes einzelne Pferd von der leitenden Forscherin Dr. Sue Dyson etwa acht Minuten lang in seinem Verhalten und seinen Bewegungen anaylsiert. Jedes Pferd wurde anschließend einer sorgfältigen, systematischen Abtastung der Sattellage sowie der Region hinter dem Sattel unterzogen, um allfällige Empfindlichkeiten festzustellen.

Dr. Sue Dyson beobachtete jedes Pferd eingehend, während die Besitzer es wie gewohnt zäumten, sattelten und aufstiegen, wobei sie während des Protokolls abnormale Verhaltensweisen verzeichnete. Die gesamte Prozedur wurde auch auf Video aufgenommen, um abnormale Verhaltensweisen im Nachhinein auch zeitlich exakt messen zu können und um zu überprüfen, ob die gemachten Beobachtungen auch korrekt waren.

Die Art der Ausrüstung und der Sitz des Sattels wurden ebenfalls überprüft (Ergebnisse zum Zusammenhang zwischen Rückenempfindlichkeit, dem Sitz des Sattels und anderen Faktoren sowie zu den beim Zäumen/Satteln und Aufsteigen beobachteten Verhaltensweisen sollen in Kürze veröffentlicht werden).

Das Studienteam stellte fest, dass die häufigste Anzahl abnormaler Verhaltensweisen während des Zäumens/Sattelns 10 (von 64) war und sich in einer Bandbreite von 0 bis 33 bewegte.  Von den Pferden mit Gebiss (nur zwei Pferde in der Studie trugen eine gebisslose Zäumung) zeigten 16,8 % einen Widerwillen, das Maul für das Einlegen des Gebisses zu öffnen. Bei 67 % dieser Pferde war zu beobachteten, dass sie wiederholt auf dem Gebiss herumkauten.

Einige warfen ihren Kopf (12,4%) hin und her oder hoben ihn hoch (10,9%), um zu verhindern, dass das Zaumzeug angelegt wird. Die Mehrheit der Pferde (61,1%) hatte einen intensiven, starrenden Blick (glasiger/lebloser Ausdruck) oder legte beim Zäumen die Ohren an (56,5%).

Die häufigsten Verhaltensweisen, die beim Satteln gezeigt wurden, waren ebenfalls angelegte Ohren (57,0%), ein intensiver, starrender Blick (53,9%), Herumzappeln bzw. -tänzeln (31,6%), Kauen oder Spielen mit dem Gebiss (34,1%), Schweifwedeln/-schlagen (20,2%) und das Herumwerfen/Schütteln des Kopfes (19,7%). Die Häufigkeit abnormaler Verhaltensweisen war mit 52 % beim Zäumen und Satteln insgesamt gleich hoch.

Schweifschlagen war beim Auflegen des Sattels (20%) und beim Gurten (34%) häufiger als beim Zäumen (10%). Das Zurückschauen zum Gurt wurde nur beim Auflegen des Sattels (bei 11% der Pferde) und beim Gurten selbst (bei 40% der Pferde) beobachtet. 5 % der Pferde versuchten, während des Auflegens des Sattels zu beißen – und 15 % versuchten es, als der Gurt angezogen wurde.

Die häufigste Anzahl abnormaler Verhaltensweisen während des Aufsteigens (wofür übrigens 90 % der Reiter eine Aufstiegshilfe verwendeten) lag bei 1 (von 30) und reichte von 0 bis 12, bewegte sich also auf recht niedrigem Niveau.

Etwas mehr als ein Viertel der Pferde tänzelte bzw. zappelte während des Aufsteigens herum, während 17,1% mit dem Schweif schlug, 16,8% am Gebiss kauten, 14 % den Rücken streckten, 12,4%  an den Zügeln zerrten und 10,9 % ihren Kopf herumwarfen. Insgesamt 7,8 % der Pferde mussten beim Aufsteigen gehalten werden. Das erste Vorwärtsgehen nach dem Aufsteigen des Reiters funktionierte hingegen bei nahezu allen Pferde problemlos und ohne Widerwillen.

Dr. Sue Dyson und ihre Kollegen räumten ein, dass jede willkürliche Stichprobe ein gewisses Potenzial für Verzerrungen aufweist, das man dem aber bei der vorliegenden Studie aber durch eine breite Streuung der Kandidaten – von normalen Freizeitpferden bis hin zu Dressur- und Vielseitigkeitspferden in höheren Klassen – entgegenwirken wollte.

Insgesamt seien die Ergebnisse beunruhigend, ja, sogar verstörend, so Dr. Dyson: „Man kann den Schluss ziehen, dass sich viele der beim Satteln/Zäumen und Aufsteigen beobachteten Verhaltensweisen von denen des ruhenden Pferdes unterscheiden und Verhaltensweisen gleichen, die mit Stress und/oder Schmerzen verbunden sind." Sie sollten während des Sattelns/Zäumens nicht als normal angesehen werden, so das Resümee der Forscher.

„Derartige Verhaltensweisen können Stress oder die Erwartung von Schmerzen widerspiegeln, die sich etwa aus oralen Verletzungen, der verwendeten Ausrüstung oder den gerittenen Übungen ergeben können." Zudem gab es einen hohen Anteil an schlecht sitzenden Sätteln, die oft auch während des Reitens verrutschten und so möglicherweise Schmerzen verursachten, so die AutorInnen.

Tatsächlich zeigte sich bei der statischen Beurteilung des Sitzes des Sattels, dass 78,2% der Sättel möglicherweise die Leistung beeinträchtigen könnten – mehr als die Hälfte der Sättel wurde seit mindestens sechs Monaten nicht mehr von einem Sattler überprüft. In der Mehrzahl der Fälle (66,8 %) war der Sattelbaum zu eng, das zweithäufigste Problem war ein zu niedriger Vorderzwiesel.

Zusammenfassend meinten die Wissenschaftler, dass viele der beobachteten ,abnormalen Verhaltensweisen' typischerweise als stereotype Verhaltensweisen bezeichnet werrden, wie z. B. Kopfwerfen/-schlagen, Herausstrecken der Zunge, Reiben der Nase und Lecken – all dies ist häufig mit Stress bei Pferden verbunden. „Einige Verhaltensweisen spiegeln möglicherweise Schmerzen wider (z. B. angelegte Ohren, starrender Blick, Schweifschlagen), Beißen und Treten können sogar als aggressives Verhalten angesehen werden."

Sie stellten auch fest, dass solche Verhaltensweisen in Erwartung von muskuloskelettalen Schmerzen während des Reitens auftreten können, die bei einigen Pferden mit einer schlecht sitzenden Ausrüstung verbunden sein können. „Die Pferdebesitzer müssen darauf hingewiesen werden, dass diese Verhaltensweisen nicht normal sind und möglicherweise auf darunterliegende Probleme hinweisen."

Die Studie „An investigation of behaviour during tacking‐up and mounting in ridden sports and leisure horses" von S. Dyson, A. Bondi, J. Routh, D. Pollard, T. Preston, C. McConnell und J. H. Kydd ist am 23. Jänner in der Zeitschrift ,Equine Veterinary Education' erschienen und kann in englischer Kurzfassung hier nachgelesen werden.

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