Pferde unterstützen unsere emotionale Intelligenz 01.02.2021 / News
Der Kontakt mit Pferden fördert nicht nur unsere Lernfähigkeit und unser soziales Verhalten, sondern auch unsere emotionalen Kompetenzen. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay
Pferde sind nicht nur gut für unsere charakterliche Entwicklung, sondern auch für unsere emotionale Intelligenz – das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie deutscher und britischer Wissenschaftler.
Pferde tun uns gut – das ist mittlerweile durch zahlreiche Studien eindrucksvoll belegt. So konnte etwa eine Untersuchung der Deutschen Reiterlichen Vereinigung aus dem Jahr 2013 zeigen, dass die jahrelange Beschäftigung mit Pferden nachweislich einen Einfluss auf die Charakterbildung von Personen hat. In diesem Zuge wurden 411 Reiter und 401 Nichtreiter zwischen 14 und 65 Jahren befragt. Den Ergebnisse zufolge waren Reiter vor allem zielstrebiger, begeisterungsfähiger, strukturierter und ausgeglichener als Nichtreiter (siehe auch unseren Artikel dazu). Eine vergleichende Studie in Ungarn kam 2020 zu dem Ergebnis, dass sich die Beschäftigung mit Pferden auch vorteilhaft auf die emotionale Entwicklung und das Verhalten von Jugendlichen auswirkt – der Kontakt mit Pferden machte sie hilfsbereiter, sozialer und einfühlsamer (siehe auch unseren ausführlichen Artikel dazu).
Diesem eindrucksvollen Wirkungskreis des Pferdes konnte die Psychologin Prof. Kathrin Schütz nun in einer aktuellen Untersuchung eine weitere Facette hinzufügen: Pferde können uns Menschen auch im Bereich der emotionalen Intelligenz stärken. Unter emotionaler bzw. sozialer Intelligenz versteht man die Fähigkeit, die eigenen Gefühle und auch die Gefühle anderer erkennen und beeinflussen zu können – dabei geht es u. a. um Eigenschaften wie Selbstwahrnehmung, Empathie, Optimismus, Anpassungsfähigkeit, Teamfähigkeit und um die Kompetenz zur Lösung von Konflikten.
Um den möglichen Einfluss von Pferden auf diese Fähigkeiten zu untersuchen, hat das Forscherteam ein pferdegestütztes Training der emotionalen Kompetenzen für Reiter entwickelt und evaluiert. Dabei nahmen die Personen der Experimentalgruppe (EG) an einer spezifischen Trainingsintervention mit Pferden im Gruppenformat teil, während die Teilnehmer der Kontrollgruppe (KG, ebenfalls Reiter) kein Training erhielten.
Die Teilnehmer beider Gruppen mussten zuvor einen detaillierten Fragebogen (Pre-Test) ausfüllen, mit dessen Hilfe für jede Person ein ,Profil der emotionalen Kompetenz' (PEK) erstellt werden konnte. Einzelpersonen in der Interventionsgruppe wurden anschließend einer speziell entwickelten 15-Stunden-Intervention unterzogen, die darauf abzielte, zentrale emotionale Kompetenzen zu fördern und zu unterstützen. Die Intervention bestand aus zwei Gruppensitzungen mit Pferden, die jeweils sechs Stunden dauerten. Zusätzlich erhielten die Personen Hausaufgaben mit einem Umfang von neun Stunden, um die Übungen mit den Pferden weiter zu trainieren. Das gesamte Training ging über einen Zeitraum von vier Wochen.
Dabei handelte es sich um insgesamt 30 Übungen, die gemeinsam mit den Pferden durchgeführt wurden und den folgenden Bereichen angehörten: Achtsamkeit, Konzentration, Zuversicht, Reflexion, Stressabbau und Entspannung, Stärkung des Selbstvertrauens und der Motivation sowie Umgang mit Erfolg und Misserfolg und mit Emotionen. Die Übungen zielten darauf ab, die spezifischen Fähigkeiten zu verbessern, die mit dem in der vorherigen Sitzung behandelten Thema verbunden waren, einschließlich Pferden, z. B. das Pferd etwa zehn Minuten lang sorgfältig zu bürsten, ein Pferd über eine Hindernisstange zu führen und es exakt so anzuhalten, dass die Vorderbeine des Pferdes vor der Stange und die Hinterbeine dahinter waren) sowie Wiederholungen einiger Übungen der ersten Sitzung. Die Kontrollgruppe erhielt kein zusätzliches Training zu den üblichen Interaktionen mit Pferden. Nach vier Wochen wurden die Teilnehmer beider Gruppen gebeten, erneut den Fragebogen zur Evaluierung des ,Profils der emotionalen Kompetenz' (PEK) zu beantworten (Post-Test).
Die Ergebnisse zeigen, dass die Teilnehmer der Experimentalgruppe im Anschluss deutlich höhere Werte als vor der Intervention aufwiesen – anders als die Kontrollgruppe, für die das nicht zutraf. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass es möglich ist, die emotionalen Kompetenzen bzw. die emotionale Intelligenz bei Menschen durch pferdegestützte Übungen zu verbessern.
Die Studie „Emotional competences training in equestrian sport – a preliminary study" von
Kathrin Schütz, Felicitas Rahders, Emma Mosley und Sylvain Laborde ist am 15. Sep. 2020 in der Zeitschrift ,International Journal of Sport an Exercise Psychology' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
KommentareBevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...Weitere Artikel zu diesem Thema:06.11.2020 - Studie bestätigt: Pferde verbinden uns mit der Natur und machen uns glücklich
Studie bestätigt: Pferde verbinden uns mit der Natur und machen uns glücklich 06.11.2020 / News
Pferde verbinden uns mit der Natur, halten uns körperlich aktiv und machen uns glücklich, so das Resümee der Wiener Wissenschaftler. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay
Reiter fühlen sich stärker mit der Natur verbunden, was sie glücklich macht und sich insgesamt positiv auf ihr Wohlbefinden auswirkt – das bestätigt eine Studie des Zentrums für Public Health der Medizinischen Universität Wien und der Fachhochschule Campus Wien.
Menschen, die reiten, verbringen mehr Zeit im Freien und in der Natur außerhalb der Städte – und sie fühlen sich dadurch körperlich und geistig im Allgemeinen besser als Menschen, die keine Tiere besitzen – das ist das zentrale Ergebnis einer Studie, die von Wissenschaftlern des Zentrums für Public Health der Medizinischen Universität Wien und der Fachhochschule Campus Wien durchgeführt und vor kurzem veröffentlicht wurde.
Ähnlich wie der Besitz eines Hundes ermöglicht das Reiten den Menschen eine stärkere Verbindung zur Natur, was weitreichende und durchwegs positive Folgen für sie hat: Aktivitäten mit diesen Tieren in einer natürlichen Umgebung helfen beim Stressabbau, stärken unseren Körper und machen uns glücklicher und zufriedener, so die Studien-AutorInnen. Dies ist besonders wichtig bei Menschen mittleren Alters und älteren Menschen, die häufig so intensiv mit täglicher Arbeit und Routine beschäftigt sind, dass sie weniger Zeit für Bewegung und Aktivitäten im Freien finden. „Die Arbeitszeiten nehmen zu, und folglich auch die dadurch verursachten gesundheitlichen Probleme. Reiten bietet eine Gelegenheit für körperliche Aktivität und geistige Entspannung", so die Forscher.
Herzstück und Ausgangspunkt der Studie war ein umfangreicher 14-seitiger Fragebogen, der an 240 Personen verschickt wurde, die mindestens 45 Jahre alt waren und entweder Hunde besaßen, Pferde ritten bzw. keine Haustiere hatten. Alle Personen waren zuvor von den Wissenschaftlern entweder persönlich oder telefonisch kontaktiert worden, um allfällige Ausschluss-Kriterien festzustellen. Am Ende konnten 178 vollständig ausgefüllte Fragebögen für die Auswertung herangezogen werden – 67 davon stammten von Freizeitreitern, 57 von Hundebesitzern und 54 von Menschen ohne Haustiere.
Die Forscher fanden heraus, dass Hundebesitzer und Reiter gleichermaßen mit ihren Tieren verbunden waren. Beide Gruppen profitierten zudem von besserer Stimmung und einem größeren allgemeinem Wohlbefinden als Menschen ohne Tiere. Besonders augenfällig war, dass sowohl Reiter als auch Hundebesitzer Glücksgefühle hatten, wenn sie Zeit mit ihren Tieren verbrachten bzw. kurz danach. Auch ihre Beziehung zur Natur war ähnlich intensiv. Je mehr sich Reiter und Hundebesitzer mit der Natur verbunden fühlten, desto gesünder fühlten sie sich auch.
Das alles ist kein Zufall, wie die Forscher betonen: Wie man mittlerweile aus zahlreichen Untersuchungen weiß, ist Aufenthalt und Bewegung in der Natur als Gesundheits-Faktor gar nicht hoch genug einzuschätzen: Natürliche Umgebungen sind mit positiven Gefühlen, verminderter Depression und einer höheren wahrgenommenen psychischen Gesundheit verbunden, so die AutorInnen. Aktivitäten in der Natur sind mit Stressabbau, Wohlbefinden und Glück verbunden: Je höher die Verbundenheit mit der Natur ist, desto höher ist die Lebenszufriedenheit. Körperliche Aktivität in der Natur führt zu einer besseren Schlafqualität und einem größeren emotionalen Wohlbefinden, auch die Immunfunktion wird gestärkt.
Auch das körperliche Wohlgefühl wird durch das Reiten positiv beeinflusst: Obwohl sie sich ungefähr soviel bewegten wie Menschen ohne Haustiere, hatten Reiter das Gefühl, eine bessere körperliche Gesundheit zu haben. Dies könnte insbesondere daran liegen, dass beim Reiten mehrere muskuloskelettale Regionen aktiviert werden, die eine Stabilisierung des Rumpfes und eine Stärkung der Muskeln mit sich bringen, so die Forscher.
Die Studie der Wiener Wissenschaftler unterstreicht die Tatsache, dass Pferde dem Menschen sowohl körperliches als auch geistiges Wohlbefinden bringen können, insbesondere wenn sie ein höheres Alter erreichen. Die Forscher zusammenfassend: „Wir fanden eine signifikant höhere Naturverbundenheit, ein signifikant höheres allgemeines Wohlbefinden und eine signifikant bessere Stimmungsbewertung bei Freizeitreitern im Vergleich zu Menschen ohne Haustiere – und ähnliche Werte im Vergleich zu Hundebesitzern. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Aktivität mit Pferden und Hunden in der Natur eine Quelle des Wohlbefindens, der Freude, des Selbstbewusstseins und der sozialen Kontakte ist." Ein Resümee, dem zweifellos jeder Hunde- und Pferdebesitzer uneingeschränkt zustimmen wird ...
Die Studie „Nature Relatedness of Recreational Horseback Riders and Its Association with Mood and Wellbeing" von Gabriele Schwarzmüller-Erber, Harald Stummer, Manfred Maier und Michael Kundi ist am 10. Juni 2020 im „International Journal of Environmental Researdh and Public Health' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
12.10.2020 - Studie: Pferde und andere Haustiere waren wichtige emotionale Stütze im Corona-Lockdown
Studie: Pferde und andere Haustiere waren wichtige emotionale Stütze im Corona-Lockdown 12.10.2020 / News
Die Studie konnte zeigen, dass Haustiere – und Pferde ganz besonders – eine wichtige Quelle emotionaler Unterstützung für die Besitzer während des Corona-Lockdowns waren. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay
Pferde und andere Haustiere waren während der Covid-19-Lockdown-Phase ein wertvoller Puffer gegen psychischen Stress und eine wichtige Quelle emotionaler Unterstützung – das ist das zentrale Ergebnis einer Studie in Großbritannien. Aber auch die Sorge um ihre Tiere war während dieser Zeit für die Besitzer besonders groß.
Die Studie, die in Zusammenarbeit der Universität von York und der Universität von Lincoln in England entstand, ist – so die Autoren – die erste Untersuchung dieser Art, in der die Rolle von Haustieren, die Mensch-Tier-Bindung und deren Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Tierbesitzer in der speziellen Situation des Lockdown systematisch untersucht wurde.
Insgesamt nahmen an der Online-Befragung, die zwischen Ende März und Anfang Juni 2020 (also während der sogenannten ,Lockdown-Phase’) durchgeführt wurde, rund 6.000 Teilnehmer (exakt: 5.926) in ganz Großbritannien teil – rund 90 Prozent davon (exakt 5.323) – hatten mindestens ein Haustier. Insgesamt 334 Teilnehmer – das waren 6,3 % der teilnehmenden Tierhalter – gaben an, Pferde oder Ponys zu halten. (Anmerkung: Schätzungen zufolge besitzen mehr als 40 Prozent der Haushalte in Großbritannien mindestens ein Haustier.)
Im Wesentlichen wurden in der Umfrage vier zentrale Fragestellungen untersucht:
1) Welche Bedeutung messen Tierbesitzer ihren Haustieren während dieser Lockdown-Phase zu – und welche Sorgen haben sie in Bezug auf praktische Aspekte der Tierhaltung und -pflege in dieser Zeit?
2) Unterscheidet sich die Stärke der Mensch-Tier-Bindung je nach Tierart und der besonderen Rolle des Tieres (z. B. als Assistenzhund) für den Tierbesitzer?
3) Welcher Zusammenhang besteht zwischen der psychischen Gesundheit, dem Wohlbefinden und der angegebenen Stärke der Mensch-Tier-Bindung bei den Tierbesitzern?
4) Sind Veränderungen der psychischen Gesundheit und der Einsamkeit seit dem Lockdown mit folgenden Faktoren verbunden: Tierbesitz, Stärke der Mensch-Tier-Bindung, regelmäßige Beschäftigung mit Tieren (die keine Haus- oder Begleittiere sind) bei Personen, die keine Haustiere besitzen (z. B. Beobachten und Füttern von Vögeln).
Das zentrale Ergebnis der Umfrage war die Bestätigung, dass ein Haustier offenkundig zu einer besseren psychischen Gesundheit und einem größeren Wohlbefinden beitragen und die schädlichen psychologischen Auswirkungen des Corona-Lockdowns abmildern kann: Der Besitz eines Haustiers führte in der Umfrage zu einer geringeren Verschlechterung der psychischen Gesundheits-Scores und sorgte für geringere Zuwächse der Einsamkeits-Scores. Mehr als 90 Prozent der Befragten gaben an, dass ihr Haustier ihnen geholfen habe, emotional mit dem Lockdown zurechtzukommen – und 96 Prozent gaben an, dass ihr Haustier hilfreich für sie war, um fit und aktiv zu bleiben.
Ein weiteres interessantes Ergebnis der Untersuchung war der Nachweis, dass sich die Stärke der Mensch-Tier-Bindung zwischen den einzelnen Haustier-Arten nicht signifikant unterschied – hier wurden keine relevanten statistischen Unterschiede registriert. Einfach gesagt: Die Teilnehmer der Umfrage fühlten sich im Durchschnitt ihrem Meerschweinchen emotional ebenso nahe wie ihrem Hund oder ihrem Pferd – wobei aber Hunde, Katzen und Pferde am höchsten bewertet worden waren.
68 Prozent der Tierhalter gaben auch an, sich während des Lockdowns Sorgen um ihre Tiere gemacht zu haben, beispielsweise aufgrund von Einschränkungen beim Zugang zu tierärztlicher Versorgung und Bewegung oder weil sie nicht wissen würden, wer sich um ihr Tier kümmern würde, wenn sie selbst krank werden würden. Es sei daher wichtig sicherzustellen, so Autorin Dr. Elena Ratschen von der Abteilung für Gesundheits-Wissenschaften der Universität York, „dass Tierhalter bei der Pflege ihres Tieres während der Pandemie angemessen unterstützt werden."
Die Studie zeigte auch, dass die beliebteste Beschäftigung mit Tieren, die keine Haustiere waren, die Vogelbeobachtung war. Fast 55 Prozent der Befragten gaben an, Vögel in ihrem Garten zu beobachten und zu füttern.
Für Co-Autor Prof. Daniel Mills von der Universität von Lincoln sind derartige Studien gerade jetzt besonders wichtig, da sie zeigen, wie ein Begleittier im Haushalt einen Teil des mit dem Lockdown verbundenen psychischen Stresses abfedern könne: „Es ist jedoch wichtig, dass jeder Tierbesitzer auch die Bedürfnisse seines Haustieres befriedigt, da wir in anderen Untersuchungen herausgefunden haben, dass die Nichterfüllung dieser Bedürfnisse sich nachteilig auf Menschen und ihre Haustiere auswirken kann."
Zusammenfassend meinten die Wissenschaftler: „Die Ergebnisse dieser Umfrage legen nahe, dass Haustiere eine wichtige Quelle emotionaler Unterstützung für die Besitzer während des Corona-Lockdowns darstellten, ohne dass statistisch signifikante Unterschiede in der emotionalen bzw. intimen Dimension der Mensch-Tier-Bindung zwischen Tierarten im vollständig angepassten Modell festgestellt wurden. Interessanterweise waren stärkere Mensch-Tier-Bindungen mit einem schlechteren psychischen Zustand vor dem Lockdown verbunden, was darauf hinweist, dass enge Bindungen mit Tieren auf eine gewisse psychische Verwundbarkeit bei den Besitzern hinweisen können.“
Und weiter: „Der Besitz eines Tiers schien einige der schädlichen psychologischen Auswirkungen des Corona-Lockdowns abzumildern.“ Diesbezüglich seien jedoch weitere gezielte Untersuchungen – etwa hinsichtlich der Rolle von Mensch-Tier-Beziehungen und -Interaktionen für die menschliche Gesundheit – erforderlich, um die Hypothese der „sozialen Pufferung“ eingehender zu untersuchen und abzusichern.
Die Studie „Human-animal relationships and interactions during the Covid-19 lockdown phase in the UK: Investigating links with mental health and loneliness" von Elena Ratschen, Emily Shoesmith, Lion Shahab, Karine Silva, Dimitra Kale, Paul Toner, Catherine Reeve und Daniel S. Mills ist am 25. Sep. 2020 in der Zeitschrift ,PLOS ONE' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
29.09.2020 - Studie: Kontakt mit Pferden macht Jugendliche hilfsbereiter, sozialer und einfühlsamer
Studie: Kontakt mit Pferden macht Jugendliche hilfsbereiter, sozialer und einfühlsamer 29.09.2020 / News
Die Beschäftigung mit dem Pferd stärkt die sozialen Kompetenzen von Jugendlichen: Wer lernt, auf das Pferd zu hören und es zu pflegen, kann dieses Wissen auch auf die Kommunikation und das Verhalten zu anderen Menschen übertragen. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay
Die Beschäftigung mit Pferden wirkt sich vorteilhaft auf die emotionale Entwicklung und das Verhalten von Jugendlichen aus – das ist das Ergebnis einer vergleichenden Studie in Ungarn: Die Unterschiede zwischen Jugendlichen, die mit Pferden zu tun haben, und jenen ohne solchen Kontakt waren in einigen Bereichen sehr tiefgreifend.
Der Umgang mit Pferden prägt den Charakter in positiver Weise – das weiß man spätestens seit einer umfangreichen Studie, welche die FN im Jahr 2012 in Auftrag gegeben hat und die eindrucksvoll zeigen konnte, dass der enge Kontakt zu Pferden den Charakter in vielfältiger Weise positiv beeinflusst und die Persönlichkeit nachhaltig prägt (hier nachzulesen). Eine nicht minder eindrucksvolle Bestätigung für diese Ergebnisse liefert nun eine aktuelle Untersuchung ungarischer Wissenschaftler rund um Imre Zoltán Pelyva. Das Forscher-Team konzentrierte sich in der Studie auf insgesamt 525 junge Schülerinnen und Schüler im Alter von 14 bis 18 Jahren an zehn landwirtschaftlichen Fachschulen in Ungarn. Es handelte sich um Schüler ohne sonderpädagogische Bedürfnisse oder sonstige Probleme bzw. Einschränkungen. nahmen an einem vierjährigen Pferdeprogramm teil. Diese Schüler hatten keine diagnostizierten physischen oder psychischen Schwierigkeiten.
Ein Teil der Schüler – die sogenannte Testgruppe – nahm dabei an einem speziellen Ausbildungsprogramm für Pferdepfleger teil, das vier Jahre lang dauerte. Im Rahmen dieses Lehrgangs verbrachten sie jeweils zwei Tage – insgesamt 9 bis 13 Stunden pro Woche – mit Pferden: Sie fütterten, pflegten und versorgten die Tiere, säuberten die Stallungen und arbeiteten mit den Pferden an der Longe sowie im Sattel und unternahmen auch Kutschfahrten.
Der andere Teil der Schüler – die sogenannte Kontrollgruppe – aus denselben Schulen hatten keinerlei Kontakt zu Pferden und widmeten sich anderen Ausbildungszweigen, etwa Lebensmittelberufen, Gartenbau, Fleischverarbeitung, Backen usw. Sie nahmen auch an keinen sonstigen Aktivitäten mit Pferden teil.
Sämtliche 525 Schüler beider Gruppen wurden zu Beginn und am Ende ihrer Ausbildung durch einen speziellen Fragebogen – den sogenannten ,Stärken-und-Probleme-Fragebogen (Strengths and Difficulties Questionnaire, SDQ) evaluiert, um die sozialen und emotionalen Kompetenzen der Teilnehmer zu messen. Anschließend wurden die Ergebnisse zwischen den Schülern mit Pferdekontakt (im folgenden kurz ,Pferdeschüler’ genannt) und der Kontrollgruppe verglichen.
Wie die Auswertung zeigte, waren Aktivitäten im Zusammenhang mit Pferden ein wesentlicher Faktor, der zu günstigen Verhaltensmerkmalen führte. Das Studienteam, das in der Zeitschrift Environmental Research and Public Health schrieb, stellte fest, dass die Pferdeschüler weniger emotionale und Verhaltensprobleme hatten und ihr prosoziales Verhalten etwa viermal besser war als das der Schüler aus der Kontrollgruppe. (Als ,prosozial’ wird ein soziales Verhalten bezeichnet, das anderen Menschen oder der Gesellschaft insgesamt zugute kommt, z. B. Helfen, Teilen, Spenden, Zusammenarbeiten und Freiwilligenarbeit, Anm.).
Die diesbezüglichen Unterschiede bezeichnete die Wissenschaftler in ihrem Resümee als bemerkenswert: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Schüler mit pferdebezogenen Berufen hilfreicher und einfühlsamer sind und weniger Verhaltensprobleme haben als diejenigen, die andere Berufe studieren.“ Es wurde auch festgestellt, dass die Pferdeschüler schon bei der Aufnahme an ihre Schule weniger Verhaltensprobleme hatten (alle hatten bereits zuvor regelmäßigen Kontakt mit Pferden gehabt) – und auch, dass diese Probleme im Laufe der Ausbildung deutlich stärker und schneller abnahmen als bei der Kontrollgruppe.
Nach Einschätzung der Wissenschaftler könnte die Tatsache, dass günstige Eigenschaften schon bei der Aufnahme von Pferdeschülern an die Schule vorhanden waren, darauf hindeuten könnten, dass Jugendliche mit stärker ausgeprägten sozialen Fähigkeiten generell eher von Pferden angezogen werden. „Andererseits lässt die Tatsache, dass der Rückgang von Verhaltensproblemen in der Pferdegruppe bemerkenswerter ist als in der Kontrollgruppe, darauf schließen, dass pferdegestützte Aktivitäten eine positive Rolle bei der Stärkung dieser Fähigkeiten spielen könnten." Ihre Analyse bestätigte jedenfalls, dass Aktivitäten im Zusammenhang mit Pferden ein wesentlicher Faktor waren, der zu diesen günstigen Verhaltensmerkmalen führte.
Den StudienautorInnen war aber auch die Feststellung wichtig, „dass diese positiven Auswirkungen pferdegestützter Aktivitäten hauptsächlich auf dem Verständnis und der Empfänglichkeit bzw. Offenheit der Schüler für die Kommunikation mit Pferden beruhen. Die bloße Anwesenheit eines Pferdes wäre wahrscheinlich weniger wirkungsvoll, wenn der anwesende Ausbilder dem Verhalten des Pferdes keinen Sinn gibt. Die Schüler müssen lernen, die Pferde als Subjekte und nicht als Objekte zu behandeln, um wirklichen Kontakt aufbauen zu können und für positive Einflüsse innerhalb der Interaktion empfänglich zu sein.“
Die Forscher weiter: „Gleichzeitig ist dieses Wissen – also das Verstehen der Kommunikation und des Verhaltens von Pferden – auch wichtig, um sicher und effektiv mit diesen Tieren arbeiten zu können. Dies bedeutet, dass keine therapeutischen Ziele nötig sind, um den Schülern beizubringen, auf Pferde zu achten und sie zu respektieren. Dies ist die Grundlage aller Interaktionen mit Pferden im beruflichen Umfeld."
Aus diesem Grund kann schon der normale Schulalltag – ohne jegliches therapeutische Element – zu solchen positiven Ergebnissen führen, so die Wissenschaftler: „Wir glauben fest daran, dass die Beziehung, die Menschen zu Pferden aufbauen, ihnen einen Weg zeigt, Vertrauen, Akzeptanz und Verständnis auch gegenüber Menschen aufzubauen. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass junge Menschen, die lernen, auf das Pferd zu hören und es zu pflegen, dieses Wissen auch auf die Kommunikation und das Verhalten zu anderen Menschen übertragen können. Das prosoziale Verhalten von Pferdeschülern ist viermal besser als das von Nicht-Pferdeschülern – dieses Ergebnis ist bemerkenswert und unterstützt die Idee, dass der Umgang mit Pferden die sozialen Kompetenzen der Schüler verbessert.“
Die Pubertät sei eine schwierige Lebensphase in der Entwicklung junger Menschen – sie haben in diesen Jahren mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen, so die Wissenschaftler abschließend: „Sie brauchen Hilfe, um ihren Platz in der Welt zu verstehen und zu finden und sich im Leben erfolgreich zu behaupten. Die Glücklichen erhalten genug Unterstützung von ihrer Familie und ihren Freunden, andere – eine sehr begrenzte Anzahl – erhalten professionelle Hilfe bei ernsteren Problemen. Wir konnten in unserer Studie zeigen, dass auch ganz normale Schulprogramme mit ein wenig Sorgfalt und Aufmerksamkeit Kompetenzen verbessern können, die im Leben nützlich sind. Wenn Pferde dafür eingesetzt werden können, um Jugendlichen bei ihrer Entwicklung zu helfen – warum nicht die Möglichkeit nutzen? Mit einer kleinen Investition könnten die Gewinne für die Gesellschaft groß sein. “
Die Studie „How Equine-Assisted Activities Affect the Prosocial Behavior of Adolescents" von Imre Zoltán Pelyva, Réka Kresák, Etelka Szovák und Ákos Levente Tóth ist in der Zeitschrift ,International Journal of Environmental Research and Public Health' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
09.07.2016 - Schon gewusst: Reiten prägt den Charakter – im positiven Sinn
Schon gewusst: Reiten prägt den Charakter – im positiven Sinn 09.07.2016 / Wissen
ReiterInnen brauchen ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und Sensibilität für die feine Körpersprache der Pferde – und diese Fähigkeiten kommen ihnen im Umgang mit anderen Menschen zu Gute, so die Studie der FN. / Foto: Simone Aumair
Sind Reiter tatsächlich die besseren Menschen und profitieren vom Umgang mit dem Pferd – oder bilden sich das die Reiter nur ein? Die Deutsche FN hat dazu eine Studie in Auftrag gegeben – die zu einem eindeutigen Ergebnis kam.
Im August 2012 wollte es die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) wissen und ließ in einer Studie die Auswirkungen des jahrelangen Umgangs mit Pferden auf die Charakterbildung untersuchen. „Wir waren immer überzeugt vom positiven Einfluss des Pferdes auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, denn es entspricht unseren Erfahrungen und Beobachtungen. Wir wollten aber wissen, ob unsere Einschätzungen und Argumente stimmen bzw. was genau die Wirkung ist", erklärt Soenke Lauterbach, Generalsekretär der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, den Grund für die Studie. Die Ergebnisse helfen zum einen bei der Vertretung der Interessen der Pferdesportler – etwa beim Kampf gegen die Pferdesteuer. Zum anderen sprechen die Studienergebnisse für das Hobby mit dem Pferd. „Mit der Studie haben nicht nur wir Pferdesportverbände, sondern auch alle, die sich in unseren Vereinen und Betrieben engagieren, jetzt handfeste Argumente pro Pferd."
Selbstbewusstsein für Kinder & Jugendliche
Die Ergebnisse sind besonders für Eltern interessant, die sich Gedanken um eine sinnvolle Sportart für ihre Kinder machen. Schließlich wollen viele Mütter und Väter ihren Kindern ein gesundes Selbstbewusstsein vermitteln, das es ihnen erlaubt, zielstrebig und gefestigt ihren Weg zu gehen. Offenbar fördert der „Coach Pferd" diese positiven Charaktereigenschaften: führungs- und durchsetzungsstark, zielstrebig, begeisterungsfähig, wettbewerbsorientiert, belastbar und strukturiert – bei diesen Eigenschaften wiesen die Reitern höhere Ausprägungen aus als die Nicht-Reiter.
Auch im zwischenmenschlichen Bereich zeigten sich deutliche Unterschiede. „Der enge Kontakt mit dem Tier erfordert ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und Sensibilität für die feine Körpersprache der Pferde. Diese Fähigkeiten kommen Reitern im Umgang mit anderen Menschen zu Gute", betont Soenke Lauterbach. Davon profitieren vor allem junge Leute. Sie finden im Pferd nicht nur einen Freund, dem sie ihre Sorgen und Nöte erzählen können, sondern lernen von ihm „fürs Leben".
Reiter sind zufriedener
Der Kontakt zum Pferd zeigt auch eine unmittelbare Wirkung: Die befragten Reiterinnen und Reiter fühlten sich durch das Hobby „Pferd" ausgeglichener und zufriedener. Außerdem schätzten sich die Befragten in deutlich höherem Maß als Nicht-Reiter als naturverbunden, sportlich und aktiv ein. Untersucht wurden 411 Reiter im Alter von 14 bis 65 Jahren, von denen 91 Prozent weiblich und 9 Prozent männlich waren. Sie nahmen über ein Online-Tool an der Studie teil. Um einen direkten Vergleich zu haben, wurde jeweils ein statistischer Zwilling gesucht. Das heißt, die Forscher befragten parallel 402 Nicht-Reiter, die in der Geschlechterverteilung, im Alter und dem Einkommen der Gruppe der Reiter entsprachen.
Um eventuelle Persönlichkeitsunterschiede festzustellen, wandte Studienleiter Dipl. Psychologe Johannes Schneider von der decode Marketingberatung (Hamburg) sogenannte implizite Verfahren an. Dabei werden unbewusste Inhalte mit Hilfe der Reaktionszeit gemessen. „Implizite Methoden sind in den Sozialwissenschaften der führende Ansatz, um genau die Inhalte messen zu können, über die Menschen in der Regel nur bedingt Auskunft geben können oder wollen. Gerade wenn es um Themen wie unseren Charakter oder unsere Persönlichkeitseigenschaften geht, sind daher implizite Messverfahren wissenschaftlicher Standard, um an Inhalte zu kommen, die eher unbewusst sind", begründet Johannes Schneider die angewandte Methodik.
Im Vorfeld der Studie hatte die Kölner wirtschaftspsychologische Beratungsgesellschaft transform unter Leitung der Dipl. Psychologin Barbara Grohsgart sechs geleitete Gruppendiskussionen mit Reitern und Eltern von reitenden Kindern durchgeführt. Die Ergebnisse flossen als Thesen in die anschließende repräsentative Studie ein.
Die Detailergebnisse der Studie „Was macht das Pferd mit uns?" sowie weitere Unterlagen stehen auf der Website der Deutschen Reiterlichen Vereinigung unter diesem Link zur Verfügung.
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