News 

Rubrik
Zur Übersichtzurück weiter

Rio 2016 – Highlight oder Tiefpunkt des österreichischen Pferdesports?
02.04.2016 / News

Leo Pingitzer schreibt für ProPferd.
Leo Pingitzer schreibt für ProPferd. / Foto: Petr Blaha

Vor einigen Tagen hat die FEI die Liste der für die olympischen Reitbewerbe qualifizierten Nationen veröffentlicht, nachdem bereits Anfang März eine inoffizielle Version davon kursierte und auch durch einige Medien ging. Insgesamt haben sich für die olympischen Reitbewerbe in den Disziplinen Springen, Dressur und Vielseitigkeit 43 Nationen qualifiziert – und erfreulicherweise findet sich auch Österreich darunter: Victoria Max-Theurer hat einen der begehrten Quotenplätze in der Dressur erobert und wird daher Österreich bei den olympischen Spielen in Rio de Janeiro/BRA (5.–21. August) vertreten. Die gute Nachricht wurde auch prompt auf der OEPS-Website kundgetan: „Victoria Max-Theurer für Rio qualifiziert". Das OEPS-Zentralorgan ,Pferderevue' setzte noch eins drauf: „Victoria Max-Theurer fix für Rio qualifiziert". Nur gut, daß man nicht voneinander abschreibt...

Doch Spaß beiseite: Es steht außer Frage, daß Victoria Max-Theurer eine tolle Sportlerin ist – und eine Olympia-Qualifikation selbstverständlich lobend hervorgehoben werden darf und auch soll.

Doch auch eine weniger positive Neuigkeit hätte – der Ehrlichkeit und der Objektivität halber – zumindest eine kurze Erwähnung verdient: Daß nämlich Victoria Max-Theurer die einzige österreichische Reitsportlerin in Rio sein wird, denn sowohl im Springen als auch in der Vielseitigkeit konnte Österreich keinen Quotenplatz erobern und wird in diesen Disziplinen – erstmals seit Jahrzehnten – nicht bei Olympia vertreten sein. Kein Wort davon auf der OEPS-Website und im Zentralorgan. Das erwähnt man lieber nicht und möchte es schon gar nicht thematisieren – weil es vielleicht nicht ganz zum offiziellen Verbands-Mantra passt, nach dem sich der österreichische Pferdesport ja „im Aufwind" befindet, wie „steigende Mitgliederzahlen und sportlicher Erfolg" bestätigen, so OEPS-Sportchef Ing. Franz Kager.

Tatsächlich sollte der Umstand, daß Österreich in zwei Disziplinen gar nicht und in einer Disziplin lediglich mit einer Einzelreiterin bei Olympia vertreten sein wird, Anlass zur Sorge sein. Auch die Tatsache, daß es nun schon das dritte Mal in Folge nicht gelungen ist, in einem Teambewerb vertreten zu sein, sollte der Verbandsspitze Kopfzerbrechen bereiten: Was früher das höchste und vornehmste sportliche Ziel war, nämlich mit möglichst vielen Athleten und im Idealfall mit einer kompletten Mannschaft bei Olympia anzutreten, scheint völlig von der Verbands-Agenda verschwunden zu sein, insbesondere im Springsport, in dem Österreich einst so Großes geleistet hat und mit schöner Regelmäßigkeit ein schlagkräftiges Olympia-Team auf die Beine stellen konnte.

Ein Blick zurück zeigt, wie besorgniserregend die Entwicklung tatsächlich ist:

– 2012 in London waren immerhin drei Österreicher im olympischen Einsatz, zwei in der Dressur (Victoria Max-Theurer und Renate Voglsang) sowie Harald Ambros in der Vielseitigkeit; im Springen war kein Österreicher qualifiziert.

– 2008 in Peking (Reitbewerbe wurden in Hongkong ausgetragen) waren es zwei – nämlich Victoria Max-Theurer in der Dressur und Harald Ambros in der Vielseitigkeit); im Springen war kein Österreicher qualifiziert.

– 2004 in Athen war in doppelter Hinsicht bemerkenswert, denn hier war Österreich nicht nur in der Dressur mit einem Team (Victoria Max-Theurer/Nina Stadlinger/Fritz Gaulhofer und Peter Gmoser) vertreten und eroberte immerhin Platz 8 im Mannschaftsbewerb – sondern auch in der Vielseitigkeit (Harald Ambros/Andreas Zehrer/Harald Siegl/Margit Appelt), wo das Quartett Platz 13 im Mannschaftsklassement erreichte; im Springen war kein Österreicher qualifiziert.

– 2000 in Sydney war Österreich in der Dressur durch Peter Gmoser sowie Stefan Peter vertreten – und auch im Springen durch Anton Martin Bauer dabei. Er holte damals übrigens den beachtlichen 26. Rang – und ist damit bis auf weiteres der letzte österreichische Springreiter bei Olympia.

– 1996 in Atlanta war das letzte Mal eine komplette Springreiter-Equipe aus Österreich am Start – mit Hugo Simon, Helmut Morbitzer, Anton Martin Bauer und Thomas Metzger (der leider in der Qualifikation stürzte): Die drei erstgenannten erreichten im Teambewerb immerhin Platz 11 und qualifizierten sich auch für das Einzelfinale der besten 45. In der Dressur war Österreich durch Caroline Hatlapa vertreten und kam auf Rang 31 im Einzelbewerb. In der Vielseitigkeit war kein Österreicher am Start.

– 1992 in Barcelona schrieb Österreich mit der Silbermedaille seiner Springreiter-Mannschaft (Thomas Frühmann, Hugo Simon, Jörg Münzner und Boris Boor) Reitsport-Geschichte. Elisabeth Max-Theurer vertrat in der Dressur Österreichs Farben (mit Liechtenstein) und holte den ausgezeichneten 8. Rang in der Einzelwertung.

Seit dem Jahr 2000 hat es also kein österreichischer Springreiter mehr nach Olympia geschafft – eine Springreiter-Mannschaft war zuletzt 1996 am Start: Das sind die reichlich ernüchternden Fakten. Auch wenn sich Österreich bei zahlreichen internationalen Pferdesport-Championaten durchaus wacker schlägt – nichts wiegt die Strahlkraft, die mediale Aufmerksamkeit und die Symbolwirkung eines Olympia-Starts oder gar einer Olympia-Medaille auf. Olympia ist das größte und wichtigste Schaufenster des Sports – und Österreichs Pferdesportler sind dort bedauerlicherweise nur noch sporadisch zu sehen. Man könnte es mit ein wenig Sarkasmus auch so formulieren: Rio mag ein persönliches sportliches Highlight für Victoria Max-Theurer sein – es ist aber mit einer einzigen Starterin auch ein historischer Tiefpunkt in der Geschichte des österreichischen Pferdesports.

Bemerkenswert finden wir nun zwei Dinge: 1) Das Schweigen des allmächtigen OEPS, der zu alledem nichts sagt und auch nichts gegen den sportlichen Abstieg unternimmt – zumindest sind keine nennenswerten Projekte, Konzepte, Vorstöße oder sonstige Anstrengungen an die Öffentlichkeit gedrungen, um in den olympischen Pferdesport-Disziplinen wieder den Anschluss an die Weltspitze zu schaffen, den man weitgehend verloren hat (Victoria Max-Theurer selbstverständlich ausgenommen). Das Geld dazu wäre jedenfalls vorhanden – doch man investiert lieber einen siebenstelligen Betrag in ein Bürogebäude als in eine Sport-Offensive.

Bemerkenswert ist aber auch 2) das Schweigen der Politik. Wir erinnern uns an das Raunen in Medien und Politik nach der blamablen Null-Nummer von London 2012, als Österreich erstmals seit 1964 ohne olympische Sommer-Medaille dastand und Sportminister Darabos nicht nur eine Neuordnung der Sportförderung (nach dem Motto: Geld für Gold) auf den Weg brachte, sondern auch die Fachverbände stärker in die Pflicht nehmen wollte. Sportminister Darabos wurde jedoch bald durch Mag. Klug ersetzt, die Reform der Sportförderung blieb auf halbem Weg stecken – und der jetzige Verteidigungs- und Sportminister Hans Peter Doskozil hat angesichts der Flüchtlingsproblematik wirklich andere Sorgen.

So ist es kein Wunder, daß die Sportverbände weiter vor sich hinwurschteln, weitgehend ohne Kontrolle, ohne lästige Öffentlichkeit und auch ohne jeglichen Leistungsdruck. Der OEPS kassiert 2016 rekordverdächte 900.000,– Euro an Sportförderung – und, überspitzt formuliert, besteht seine Gegenleistung in der Entsendung einer einzigen Athletin zu den olympischen Sommerspielen nach Rio. Ein guter Deal für den OEPS – ein schlechter für den Steuerzahler und ein fataler für den österreichischen Pferdesport. Denn so wird das nichts,
meint Ihr
Leopold Pingitzer

Sagen Sie mir ruhig Ihre Meinung: redaktion@propferd.at

Kommentare

Bevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...
4) conversanotimbro: sehr mühsam - diese diskussionen werden schon seit gut 15 jahren geführt - es gab im verband immer wieder vorstösse von sehr engagierten personen - diese wurden alle nach kurzer zeit demotiviert und haben sich fluchtartig anderen aufgaben zugewendet - sportler wie auch sponsoren
Sonntag, 10. April 2016
3) Helga_Knoll: Vielen Dank, für Ihre Antwort. Schade, dass Ihnen keine Vorschläge zur Verbesserung einfallen. Sie haben ganz recht, so wird das nichts...
Samstag, 9. April 2016
2) Redaktion: Liebe Helga_Knoll, es freut mich, daß Sie sich für den OEPS wieder so ins Zeug legen, der uns ja offiziell keiner Zeile würdigt und sich für jegliche Diskussion mit ProPferd zu schade ist. Lassen Sie mich ein paar Dinge klarstellen:
1) Ich sehe gar nicht alles negativ – ich sehe nur die Realität. Die Realität ist, daß Österreich bei den Olympischen Spielen in Rio nur mit einer einzigen Reiterin vertreten sein wird, erstmals seit Jahrzehnten. Es ist zum vierten Mal in Folge kein österreichischer Springreiter bei Olympischen Spielen dabei – und es ist zum fünften Mal in Folge kein Springreiter-Team für Olympia qualifiziert. Das sind die Tatsachen.
2) Mir ist schon klar, daß der OEPS – dessen Geschäfte sie hier ganz offensichtlich besorgen – bei unliebsamen Tatsachen am liebsten das Thema wechselt und von etwas ganz anderem redet. Ich schreibe in meinem Kommentar aber ausdrücklich über die Olympischen Spiele und die Beteiligung österreichischer Pferdesportler daran – und nicht über Weltreiterspiele oder sonstige Championate und auch nicht über die Paralympics, die eine völlig andere Veranstaltung sind, mit völlig anderen Teilnehmern, anderen Bewerben und anderen Qualifikationsrichtlinien.
3) Daß ein österreichisches Dressurteam bei den Paralympics dabei ist, finde ich großartig (habe ich irgendwo das Gegenteil behauptet?) – aber es ändert nichts an meinem Bedauern, daß kein Spring- und kein Vielseitigkeitsreiter aus Österreich bei den Olympischen Spielen dabei sein wird. Das eine hat mit dem anderen einfach nichts zu tun – und schon gar nicht wiegt ein Team-Start bei den Paralympics den schwachen Olympia-Auftritt gleichsam auf, wie das der OEPS suggerieren möchte. Sich hinter dem Erfolg der Paralympics-Reiter zu verstecken ist nicht in Ordnung.
Noch ein Tipp: Geben Sie sich künftig etwas mehr Mühe bei Ihren Postings, ein bißchen mehr Logik und Ordnung wäre wünschenswert. Und überhaupt: Warum sehen Sie meine Kommentare immer so negativ? LG Ihr Leo Pingitzer
Freitag, 8. April 2016
1) Helga_Knoll: Schade, Herr Pingitzer, dass sie immer alles so negativ sehen! Ich denke nicht, dass ihre Worte irgendjemanden anspornen etwas Besser zu machen. Zumal ihre konstruktiven Gegenvorschläge fehlen und sie leider auch die positvien Dinge weglassen. Zum Beispiel: Die Paradressur-Reiter schicken zum ersten Mal ein ganzes Team (Pepo Puch und drei weitere ReiterInnen) zu den Paralympischen Spielen, die ja auch in Rio stattfinden. Im Pferdesport gehören Menschen mit Behinderung übrigens auch bei Großereignissen, wie den Weltreiterspielen einfach dazu. Deshalb gehört das für mich als Pferdemensch auch zu Olympia dazu. Und es gibt ja nicht nur die olympischen Sparten - schauen Sie sich an, was die jungen Menschen im Voltigieren leisten und wie viele Medaillen die ständig gewinnen. Genauso die Westernreiter! Sportlicher Abstieg? Nicht wenn Sie über die olympischen Sparten hinausdenken. Am wichtigsten bleibt für mich ohnedies das Wohl der Pferde und da kann und sollte man Leistungen auf keine Fall erzwingen - siehe das abschreckende Beispiel von übertriebenem Ehrgeiz von Penelope Leprevost...
Dienstag, 5. April 2016
Zur Übersichtzurück weiter

 
 
ProPferd.at - Österreichs unabhängiges Pferde-Portal − Privatsphäre-Einstellungen