Vor einigen Tagen hat die FEI die Liste der für die olympischen Reitbewerbe qualifizierten Nationen veröffentlicht, nachdem bereits Anfang März eine inoffizielle Version davon kursierte und auch durch einige Medien ging. Insgesamt haben sich für die olympischen Reitbewerbe in den Disziplinen Springen, Dressur und Vielseitigkeit 43 Nationen qualifiziert – und erfreulicherweise findet sich auch Österreich darunter: Victoria Max-Theurer hat einen der begehrten Quotenplätze in der Dressur erobert und wird daher Österreich bei den olympischen Spielen in Rio de Janeiro/BRA (5.–21. August) vertreten. Die gute Nachricht wurde auch prompt auf der OEPS-Website kundgetan: „Victoria Max-Theurer für Rio qualifiziert". Das OEPS-Zentralorgan ,Pferderevue' setzte noch eins drauf: „Victoria Max-Theurer fix für Rio qualifiziert". Nur gut, daß man nicht voneinander abschreibt...
Doch Spaß beiseite: Es steht außer Frage, daß Victoria Max-Theurer eine tolle Sportlerin ist – und eine Olympia-Qualifikation selbstverständlich lobend hervorgehoben werden darf und auch soll.
Doch auch eine weniger positive Neuigkeit hätte – der Ehrlichkeit und der Objektivität halber – zumindest eine kurze Erwähnung verdient: Daß nämlich Victoria Max-Theurer die einzige österreichische Reitsportlerin in Rio sein wird, denn sowohl im Springen als auch in der Vielseitigkeit konnte Österreich keinen Quotenplatz erobern und wird in diesen Disziplinen – erstmals seit Jahrzehnten – nicht bei Olympia vertreten sein. Kein Wort davon auf der OEPS-Website und im Zentralorgan. Das erwähnt man lieber nicht und möchte es schon gar nicht thematisieren – weil es vielleicht nicht ganz zum offiziellen Verbands-Mantra passt, nach dem sich der österreichische Pferdesport ja „im Aufwind" befindet, wie „steigende Mitgliederzahlen und sportlicher Erfolg" bestätigen, so OEPS-Sportchef Ing. Franz Kager.
Tatsächlich sollte der Umstand, daß Österreich in zwei Disziplinen gar nicht und in einer Disziplin lediglich mit einer Einzelreiterin bei Olympia vertreten sein wird, Anlass zur Sorge sein. Auch die Tatsache, daß es nun schon das dritte Mal in Folge nicht gelungen ist, in einem Teambewerb vertreten zu sein, sollte der Verbandsspitze Kopfzerbrechen bereiten: Was früher das höchste und vornehmste sportliche Ziel war, nämlich mit möglichst vielen Athleten und im Idealfall mit einer kompletten Mannschaft bei Olympia anzutreten, scheint völlig von der Verbands-Agenda verschwunden zu sein, insbesondere im Springsport, in dem Österreich einst so Großes geleistet hat und mit schöner Regelmäßigkeit ein schlagkräftiges Olympia-Team auf die Beine stellen konnte.
Ein Blick zurück zeigt, wie besorgniserregend die Entwicklung tatsächlich ist:
– 2012 in London waren immerhin drei Österreicher im olympischen Einsatz, zwei in der Dressur (Victoria Max-Theurer und Renate Voglsang) sowie Harald Ambros in der Vielseitigkeit; im Springen war kein Österreicher qualifiziert.
– 2008 in Peking (Reitbewerbe wurden in Hongkong ausgetragen) waren es zwei – nämlich Victoria Max-Theurer in der Dressur und Harald Ambros in der Vielseitigkeit); im Springen war kein Österreicher qualifiziert.
– 2004 in Athen war in doppelter Hinsicht bemerkenswert, denn hier war Österreich nicht nur in der Dressur mit einem Team (Victoria Max-Theurer/Nina Stadlinger/Fritz Gaulhofer und Peter Gmoser) vertreten und eroberte immerhin Platz 8 im Mannschaftsbewerb – sondern auch in der Vielseitigkeit (Harald Ambros/Andreas Zehrer/Harald Siegl/Margit Appelt), wo das Quartett Platz 13 im Mannschaftsklassement erreichte; im Springen war kein Österreicher qualifiziert.
– 2000 in Sydney war Österreich in der Dressur durch Peter Gmoser sowie Stefan Peter vertreten – und auch im Springen durch Anton Martin Bauer dabei. Er holte damals übrigens den beachtlichen 26. Rang – und ist damit bis auf weiteres der letzte österreichische Springreiter bei Olympia.
– 1996 in Atlanta war das letzte Mal eine komplette Springreiter-Equipe aus Österreich am Start – mit Hugo Simon, Helmut Morbitzer, Anton Martin Bauer und Thomas Metzger (der leider in der Qualifikation stürzte): Die drei erstgenannten erreichten im Teambewerb immerhin Platz 11 und qualifizierten sich auch für das Einzelfinale der besten 45. In der Dressur war Österreich durch Caroline Hatlapa vertreten und kam auf Rang 31 im Einzelbewerb. In der Vielseitigkeit war kein Österreicher am Start.
– 1992 in Barcelona schrieb Österreich mit der Silbermedaille seiner Springreiter-Mannschaft (Thomas Frühmann, Hugo Simon, Jörg Münzner und Boris Boor) Reitsport-Geschichte. Elisabeth Max-Theurer vertrat in der Dressur Österreichs Farben (mit Liechtenstein) und holte den ausgezeichneten 8. Rang in der Einzelwertung.
Seit dem Jahr 2000 hat es also kein österreichischer Springreiter mehr nach Olympia geschafft – eine Springreiter-Mannschaft war zuletzt 1996 am Start: Das sind die reichlich ernüchternden Fakten. Auch wenn sich Österreich bei zahlreichen internationalen Pferdesport-Championaten durchaus wacker schlägt – nichts wiegt die Strahlkraft, die mediale Aufmerksamkeit und die Symbolwirkung eines Olympia-Starts oder gar einer Olympia-Medaille auf. Olympia ist das größte und wichtigste Schaufenster des Sports – und Österreichs Pferdesportler sind dort bedauerlicherweise nur noch sporadisch zu sehen. Man könnte es mit ein wenig Sarkasmus auch so formulieren: Rio mag ein persönliches sportliches Highlight für Victoria Max-Theurer sein – es ist aber mit einer einzigen Starterin auch ein historischer Tiefpunkt in der Geschichte des österreichischen Pferdesports.
Bemerkenswert finden wir nun zwei Dinge: 1) Das Schweigen des allmächtigen OEPS, der zu alledem nichts sagt und auch nichts gegen den sportlichen Abstieg unternimmt – zumindest sind keine nennenswerten Projekte, Konzepte, Vorstöße oder sonstige Anstrengungen an die Öffentlichkeit gedrungen, um in den olympischen Pferdesport-Disziplinen wieder den Anschluss an die Weltspitze zu schaffen, den man weitgehend verloren hat (Victoria Max-Theurer selbstverständlich ausgenommen). Das Geld dazu wäre jedenfalls vorhanden – doch man investiert lieber einen siebenstelligen Betrag in ein Bürogebäude als in eine Sport-Offensive.
Bemerkenswert ist aber auch 2) das Schweigen der Politik. Wir erinnern uns an das Raunen in Medien und Politik nach der blamablen Null-Nummer von London 2012, als Österreich erstmals seit 1964 ohne olympische Sommer-Medaille dastand und Sportminister Darabos nicht nur eine Neuordnung der Sportförderung (nach dem Motto: Geld für Gold) auf den Weg brachte, sondern auch die Fachverbände stärker in die Pflicht nehmen wollte. Sportminister Darabos wurde jedoch bald durch Mag. Klug ersetzt, die Reform der Sportförderung blieb auf halbem Weg stecken – und der jetzige Verteidigungs- und Sportminister Hans Peter Doskozil hat angesichts der Flüchtlingsproblematik wirklich andere Sorgen.
So ist es kein Wunder, daß die Sportverbände weiter vor sich hinwurschteln, weitgehend ohne Kontrolle, ohne lästige Öffentlichkeit und auch ohne jeglichen Leistungsdruck. Der OEPS kassiert 2016 rekordverdächte 900.000,– Euro an Sportförderung – und, überspitzt formuliert, besteht seine Gegenleistung in der Entsendung einer einzigen Athletin zu den olympischen Sommerspielen nach Rio. Ein guter Deal für den OEPS – ein schlechter für den Steuerzahler und ein fataler für den österreichischen Pferdesport. Denn so wird das nichts,
meint Ihr
Leopold Pingitzer
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