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Studie: Asymmetrische Gewichtsverteilung in den Steigbügeln weit verbreitet
02.12.2022 / News

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01 Foto gross.jpg: Insgesamt 147 ReiterInnen wurden auf einem Sattel getestet, der auf einem Holzpferd befestigt war. (Fotocredits: Foto: Paolo Baragli et.al.)

Die meisten ReiterInnen haben eine asymmetrische Gewichtsverteilung in den Steigbügeln, das zeigen die Ergebnisse einer aktuellen italienischen Studie. Auch eine ein- oder beidhändige Zügelführung ist ein möglicher Risikofaktor für Asymmetrie beim Reiten, so die ForscherInnen.


Paolo Baragli und seine Forscherkollegen hielten einleitend fest, dass der Reitsport ein einzigartiger Sport ist, bei dem zwei Athleten unterschiedlicher Spezies und Körperform sich gemeinsam als Paar bewegen. Asymmetrie und funktionelle Lateralität in den Körperbewegungen wurden dabei sowohl bei Menschen, als auch bei Pferden beobachtet.

Lateralität – also die Präferenz der meisten Säugetiere für eine bevorzugte und damit auch stärkere Seite ihres Körpers – ist jedoch stark funktionsabhängig: Beim Menschen ist sie stärker in den oberen Extremitäten ausgeprägt, wurde aber in Studien auch in den unteren Extremitäten nachgewiesen. Das Studienteam sagte, dass die Lateralität sowohl des Pferdes als auch des Reiters zu einer möglichen Asymmetrie beitragen könnte. Allerdings ist es schwierig, den dabei stattfindenden Kraftaustausch an der Schnittstelle zwischen Pferd und Reiter zu messen.

Asymmetrie kann somit auf den Reiter, das Pferd, die Reitkombination und/oder die Art der verwendeten Ausrüstung zurückzuführen sein. Variablen wie die Erfahrung des Reiters, die Reitposition, die Art der Gangart, die anatomischen und funktionellen Eigenschaften von Reiter und Pferd sowie das Design und die Position des Sattels tragen zum Grad der Asymmetrie bei, die in der Bewegung von Pferd und Reiter festgestellt wird.

Die AutorInnen versuchten auch, mögliche Zusammenhänge zwischen der Asymmetrie der Reiter und ihrem Geschlecht, Alter, Niveau des reiterlichen Könnens, jahrelanger Reiterfahrung, Reitstil, Reitmotivation, Hauptdisziplin und Händigkeit zu identifizieren.

Die 147 ReiterInnen der Studie wurden auf einer Pferdemesse angesprochen und rekrutiert. Nach Abschluss eines Interviews, um die erwähnten Informationen zu erhalten, führten die ReiterInnen einen standardisierten Test auf einem Sattel durch, der auf einem hölzernen Modell in Form eines Pferderückens befestigt war. Jede/r hatte die Möglichkeit, vor der Prüfung auf dem Holzpferd zu üben und die Steigbügellänge individuell anzupassen.

Die Reitsimulation wurde in drei Phasen von jeweils einer Minute Länge aufgeteilt: im Sattel sitzen, in den Steigbügeln stehen sowie einen leichten Trab simulieren. Während des Tests wurden die ReiterInnen gebeten, ihre Hände auf ihren Hüften zu halten, um eine neutrale standardisierte Position beizubehalten. Die Richtungskraft auf dem linken und dem rechten Steigbügelriemen wurde alle 0,2 Sekunden für eine spätere Analyse aufgezeichnet.

In der Sitzphase wurde festgestellt, dass 99,3 % der ReiterInnen asymmetrisch waren, wobei 53,4 % von ihnen mehr Gewicht auf das rechte Bein verlagerten. In der stehenden Phase des Tests waren 98 % asymmetrisch, wobei interessanterweise 52,8 % auf der linken Seite mehr Gewicht trugen. Im simulierten leichten Trab sank die Zahl der Asymmetrien auf 46,3 %, wobei 51,5 % der TestreiterInnen auf der linken Seite schwerer waren. Die Häufigkeit der asymmetrischen Belastung der Steigbügel nahm bei den getesteten ReiterInnen also im leichten Trab um 54 % ab.

Das Studienteam fand keine Hinweise darauf, dass die Asymmetrie mit der Reiterfahrung abnahm. Ebenfalls bemerkenswert: Während die meisten TestreiterInnen Rechtshänder waren, fanden die Forscher keinen Zusammenhang zwischen der Händigkeit und der Asymmetrie der Beinbelastung.

Bei der Diskussion ihrer Ergebnisse meinten die ForscherInnen, sie hätten die Hypothese aufgestellt, dass die meisten Reiter asymmetrisch sein würden. Nachdem im Studien-Design das Pferd als Variable ausgeschlossen war (die ReiterInnen wurden auf einem Sattel getestet, der auf einem Holzpferd befestigt war), war die festgestellte Asymmetrie ausschließlich auf den Reiter zurückzuführen.

Für alle drei Reitpositionen zeigten die Ergebnisse, dass die Belastung zwischen links und rechts unterschiedlich war, so die ForscherInnen: „Nur wenige ReiterInnen zeigten in allen drei Phasen die gleiche Beinmassenverteilung.“

Ein besonders spannendes Ergebnis: Lediglich bei der Reitweise – ob der Reiter bzw. die Reiterin eine ein- oder beidhändige Zügelführung bevorzugte –  zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang mit einer erhöhten Asymmetrie der Steigbügel: Diejenigen, die normalerweise einhändig ritten, waren doppelt so häufig asymmetrisch wie ReiterInnen mit beidhändiger Zügelführung.

Dies kann an der Position der Hände liegen, aber auch an den unterschiedlichen Positionen der Füße und der unterschiedlichen Gewohnheit, bestimmte Körperhaltungen während des Reitens einzunehmen, so die ForscherInnen: „Diese Verbindung zwischen Asymmetrie und Reitstil kann sowohl für Reiter, die Rückenschmerzen beim Reiten haben, als auch für Tierärzte, die Pferde wegen Rückenproblemen behandeln, eine wichtige Überlegung sein – insbesondere während der Reitphasen einer Rehabilitation.“

Das Studienteam wies auch darauf hin, dass ReiterInnen mit einhändiger Zügelführung gebeten wurden, einen leichten Trab auszuführen – etwas, an das sie nicht gewöhnt waren, und dies könnte „ihr Gleichgewicht und damit ihre Symmetrie herausgefordert und unsere Ergebnisse verzerrt haben“, so die AutorInnen. „Unsere Ergebnisse stimmen jedoch mit der Literatur überein, und der Reitstil sollte als Risikofaktor für Asymmetrie und nachfolgende Rückenprobleme sowohl bei Reitern als auch bei Pferden aufgeführt werden.“

Die Autoren hoben hervor, dass die Verwendung von kostengünstigen, leicht zu bedienenden und schnell zu montierenden Analyse-Instrumenten die umfangreiche Datensammlung ermöglichte, was die Möglichkeit eröffnet, dass diese Technologie bis auf weiteres als kostengünstige und einfache Möglichkeit zur Identifizierung von Asymmetrien bei ReiterInnen eingesetzt werden könnte, ohne aufwändige Video-Analysen oder speziell ausgestattete, teure Sattelunterlagen.

Ihre Ergebnisse bestätigen, dass die Mehrheit der ReiterInnen eine asymmetrische Lastverteilung auf den Steigbügeln haben – und sie legen nahe, dass der Reitstil ein möglicher Risikofaktor für Asymmetrie ist, so die ForscherInnen. Weitere Studien mit einer größeren Stichprobengröße, längeren Testzeiträumen und detaillierten Kraftmessungen in verschiedenen Teilen der Steigbügel seien jedoch erforderlich, um die hier ermittelten vorläufigen Ergebnisse zu bestätigen.

Die Studie „Rider Variables Affecting the Stirrup Directional Force Asymmetry during Simulated Riding Trot" von Paolo Baragli, Alberto Alessi, Marco Pagliai, Martina Felici, Asahi Ogi, Lesley Hawson, Angelo Gazzano und Barbara Padalino ist am 30. Nov. 2022 in der Zeitschrift ,animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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