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Studie spürt die riskantesten Hindernisse für Vielseitigkeitspferde auf
03.08.2022 / News

Eine besonders gefährliche Kombination: Abwärtssprung mit Landung im Wasser – hier ist das Risiko eines Sturzes besonders hoch.
Eine besonders gefährliche Kombination: Abwärtssprung mit Landung im Wasser – hier ist das Risiko eines Sturzes besonders hoch. / Symbolfoto: Archiv/Julia Rau

Mit Hilfe aufwendiger Datenanalysen konnten britische Wissenschaftler die riskantesten Geländehindernisse im Vielseitigkeitssport identifizieren. Insgesamt zehn Hindernistypen waren mit einem erhöhten Sturzrisiko verbunden – darunter Abwärts- und Wassersprünge.

 

Geländestürze im Vielseitigkeitsreiten können besonders gefährlich sein und zu schweren oder tödlichen Verletzungen für Pferd und Reiter führen. Die Risiken dieses Sports waren bekannt, wurden aber jahrzehntelang erstaunlich wenig beachtet, wie Dr. Euan Bennet und seine Forscherkollegen in ihrer aktuellen Studie feststellten: „Trotz der langen Geschichte des Sports erlangte das Thema Sicherheit im Vielseitigkeitssport erst 1999 weltweite Aufmerksamkeit, als fünf Todesfälle von Reitern bzw. Reiterinnen im Vereinigten Königreich in diesem Jahr zu einer weitreichenden Überprüfung der Sicherheitsaspekte dieser Disziplin führten“, so Dr. Bennet. Das ,International Eventing Safety Committee' der FEI kam im folgenden Jahr in einem Bericht zu dem Schluss, dass „alles getan werden sollte, um Stürze von Pferden zu verhindern“.

Seitdem haben sich Studien zur Identifizierung von Risikofaktoren hauptsächlich auf Aspekte des Geländereitens auf Parcoursebene sowie auf Verhaltensfaktoren rund um Pferd und Reiter konzentriert. Dr- Bennet und seine KollegInnen stellten in ihrer Untersuchung fest, dass in den letzten 20 Jahren diverse Regeländerungen in Bezug auf das Kursdesign, den Hindernisbau und das Wettkampfformat vorgenommen wurden – dass jedoch keine Studien die Auswirkungen der Änderungen untersucht haben, etwa z. B. die Einführung von abwerfbaren Hindernissen, um die gefürchteten Rotationsstürze zu verhindern.

In ihrer Untersuchung machten sich Dr. Euan Bennet, Heather Cameron-Whytock und Tim Parkin – allesamt prominente ForscherInnen auf dem Gebiet der Sicherheit in Vielseitigkeitsbewerben – daher daran, die mit den jeweiligen Hindernissen bzw. Hindernistypen verbundenen Risikofaktoren für Pferde zu identifizieren, die weltweit an Vielseitigkeitsturnieren auf höchstem Niveau teilnehmen. Sie analysierten dafür Daten der ,Global Eventing Database’ der FEI über einen Zeitraum von 11 Jahren (von Januar 2008 bis Dezember 2018), die jeden Start eines Pferdes in allen der FEI angeschlossenen internationalen, Meisterschafts-, Olympischen und Weltmeisterschafts-Bewerben in der Vielseitigkeit abdecken.

Das Trio beschrieb die Datenbank als umfang- und facettenreich, mit vielen Details zu jedem Wettbewerb und mit Informationen zu Hindernissen, Pferden, Reitern und Stürzen. „Für jeden Sturz wird ein detailliertes Sturzberichtsformular ausgefüllt, damit die Umstände des Sturzes als Teil der FEI-Datenbank erfasst werden“, so die AutorInnen.

Der Umfang des analysierten Datenmaterials war in der Tat eindrucksvoll: Insgesamt wurden während des Zeitraums 204.399 Einzelhindernisse in 6450 einzigartigen FEI-Wettkämpfen verwendet, was etwa 6.100.000 individuellen Sprüngen entspricht. Von 202.771 Vielseitigkeitsstarts im Untersuchungszeitraum gingen 190.429 Pferde in die Geländephase. Dabei wurden insgesamt 10.519 Stürze verzeichnet, was einer Quote von 5,2 % entspricht. 89 % dieser Stürze ereigneten sich an einem Geländehindernis.

Aus den Analysen ergab sich, dass sieben Hindernistypen eine verringerte Sturzgefahr aufwiesen – die Forscher identifizierten aber auch zehn Hindernistypen mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit eines Sturzes: Hindernisse mit Abwärtstendenz (Abwärtssprünge) – insbesondere auch mit Landung im Wasser, oder solche mit abwerfbaren Elementen ebenso wie die hinteren Elemente von kombinierten Hindernissen waren alle mit einem erhöhten Sturzrisiko verbunden. Auch die späteren Sprünge in einem Parcours waren mit einer erhöhten Sturzwahrscheinlichkeit verbunden.

Warum aber sollten abwerfbare Hindernisse ein größeres Risiko für einen Sturz aufweisen? Die Erklärung der WissenschaftlerInnen: „Hindernisse, die abwerfbar und nicht fest sind, werden möglicherweise eher falsch eingeschätzt, da der Reiter denkt, dass er es auch mit weniger Anstrengung bzw. Sprunghöhe überwinden kann und sich dem Hindernis daher mit weniger Vorsicht nähert. Es könnte aber auch sein, dass Kursdesigner absichtlich anspruchsvollere Hindernisse bauen, wenn sie wissen, dass diese abwerfbare Elemente beinhalten werden.“  

Insgesamt stellten die AutorInnen fest, dass einige Hindernisse so konzipiert sind, dass sie für Pferde und Reiter äußerst herausfordernd sind, und dies spiegelte sich in der Wahrscheinlichkeit von Stürzen an bestimmten Hindernissen wider, z. B. bei solchen, die eine Landung im Wasser beinhalten. Der dringende Ratschlag der AutorInnen: „Es wird empfohlen, die anspruchsvollsten Hindernisse in der Nähe des Starts eines Geländekurses zu platzieren und nicht in in Verbindung mit Abwärts- oder Wassersprüngen“, so ihre Empfehlung. Außerdem sollte die Komplexität einzelner Elemente in kombinierten Hindernissen reduziert werden.

Bezogen auf das Niveau bzw. die Leistungsklasse von Turnieren war die Wahrscheinlichkeit eines hindernisbedingten Sturzes in den letzten drei Jahren des untersuchten Zeitraums geringer als in den ersten acht Jahren. Dies sei zweifellos ein Fortschritt – und könnte mit bestimmten durchgeführten Regeländerungen zusammenhängen, wie z. B. Anpassungen des Vielseitigkeitsformats und des Kursdesigns einschließlich der verwendeten Hindernistypen, aber auch mit Änderungen der Mindestanforderungen für eine Teilnahme auf einem bestimmten Niveau.

Hindernisse in Bewerben auf 3*- oder 4*-Niveau waren eher mit einem Sturz verbunden als Sprünge in 1*- und 2*-Bewerben, was für die ForscherInnen wenig überraschend war: „3*- und 4*-Turniere müssen natürlich längere Kurse mit mehr und schwierigeren Hindernissen beinhalten. Deshalb ist es durchaus erwartbar, dass Sprünge bei diesen Veranstaltungen eher zu Stürzen führen als Hindernisse bei 1*- und 2*-Veranstaltungen, selbst wenn man berücksichtigt, dass auf höherem Level auch Pferde bzw. Pferd-Reiter-Kombinationen von besserer Qualität antreten .“ Auch eine Zunahme der Starteranzahl einer Geländeprüfung war mit einer erhöhten Sturzgefahr verbunden, was nach Meinung der AutorInnen mit einer Verschlechterung der Bodenverhältnisse durch die größere Anzahl von Pferden auf der Strecke zusammenhängen könnte.

Die aktuellen Ergebnisse seien ein erster Schritt zur Erstellung eines Risikoprofils oder einer Punktzahl für jeden Geländekurs, um diesen zu bewerten. Dies würde helfen, die Athleten über den Schwierigkeitsgrad einer Geländestrecke zu informieren und wäre ein sinnvoller nächster Schritt, um das Risiko schwerer Verletzungen im Vielseitigkeitssport zu verringern. „Parcours-Risikoprofile können verwendet werden, um die Entwicklung von Pferden und Reitern zu unterstützen, und in Qualifikationskriterien aufgenommen werden, um in höhere Leistungslevels aufzusteigen.“ Es wäre eine sinnvolle Möglichkeit, die Reiter über das Risikoniveau einer Prüfung zu informieren – und das Risiko schwerer oder sogar tödlicher Verletzungen für Pferd und Reiter zu verringern.

Studien-Autor Dr. Euan Bennet von der University of Glasgow brachte es so auf den Punkt: „Mehr als zwei Jahrzehnte, nachdem das internationale Eventing Safety Committee darauf drängte, dass ‚alles getan werden sollte, um zu verhindern, dass Pferde stürzen‘, sollte endlich eine Verbesserung erreicht werden. Das Verständnis des wahren Risikoniveaus, das von einer bestimmten Art von Hindernissen auf einem bestimmten Kurs ausgeht, ist ein wesentlicher Schwerpunkt weiterer Risikoüberprüfungen.“

Sicherheit bei der Kursgestaltung sollte daher einen noch höheren Stellenwert erhalten und das Sturzrisiko minimiert werden – jedoch ohne die sportlichen und technischen Herausforderungen einer Prüfung zu reduzieren, so die AutorInnen: „Es wäre nicht wünschenswert, auf unsere Ergebnisse zu blicken und beispielsweise zu sagen, dass anspruchsvollere Hindernisse nicht mehr verwendet werden sollten. Vielmehr sollte überlegt werden, wie man gleichsam um diese Hindernisse herum baut und sie möglichst sicher in das Gesamtkonzept eines Geländekurses integrieren kann.“ 

Und sie meinten abschließend: „Ein verstärkter Fokus auf Sicherheit für Pferd und Reiter mit dem Ziel, die inhärenten Risiken so weit wie möglich zu minimieren, wird sich auch positiv auf die öffentliche Wahrnehmung des Sports auswirken und die gesellschaftliche Anerkennung der Vielseitigkeit in der Öffentlichkeit stärken.“

Die Studie „Fédération Equestre Internationale (FEI) eventing: Fence-level risk factors for falls during the cross-country phase (2008-2018)" von Euan Bennet, Heather Cameron-Whytock und Tim Parkin ist am 16. Juli 2022 in der Zeitschrift ,Equine Veterinary Journal' erschienen und kann in englischer Zusammenfassung hier nachgelesen werden.

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