Kolik-Schmerzen beim Pferd: Bei diesen Anzeichen sind sie besonders schlimm 03.12.2020 / News
Das Flehmen bzw. Kräuserln der Oberlippe ist eine Verhaltensweise, die mit Kolik-Schmerzen verbunden sein kann. / Symbolfoto: Archiv Die akute Schmerz-Skala bei Pferden mit Kolik-Verdacht (EAAPS) vergibt je nach Verhaltensweise einen Score von 0 bis 5. Bei mehreren gezeigten Schmerz-Anzeichen ist dasjenige mit dem höchsten Score relevant. / Grafik: Yamit Maskato et.al.
Den Schweregrad von Schmerzen bei Pferden mit Kolik-Verdacht einzuschätzen ist schwierig und oftmals subjektiv. Eine einfache, aber praxistaugliche Schmerz-Skala kann bei dieser Einschätzung wertvolle Hilfe leisten, wie eine aktuelle Studie zeigt.
Selbst für Experten ist der Schweregrad von Kolik-Schmerzen mitunter nur schwierig einzuschätzen und letztlich mit hoher Subjektivität verbunden. Deshalb hat es immer wieder Versuche gegeben, dies zu objektiveren und auf eine solide wissenschaftliche Basis zu stellen. Untersuchungen und klinische Erfahrungen haben gezeigt, dass die Schwere der Schmerzen ein zentraler Parameter für wichtige klinische Entscheidungen ist, etwa hinsichtlich der Überwachung des Patientenstatus, der Bewertung der Wirksamkeit von Schmerzmitteln und nicht zuletzt bei der schwerwiegenden Frage, ob das Pferd so sehr leidet, dass eine weitere Behandlung angesichts des Leidens eines Pferdes nicht mehr sinnvoll bzw. aus humaner Sicht zu rechtfertigen ist.
So wurde bereits vor einigen Jahren eine Schmerz-Skala für Kolik-Pferde entwickelt, die sogenannte EAAPS (Equine Acute Abdominal Pain Scale), die sich bei einer Untersuchung mit Video-Clips von Pferden mit Kolik als gut anwendbar und aussagekräftig herausgestellt hat. Nun haben Wissenschaftler der Veterinärmedizinischen Lehrklinik der Universität von Jerusalem sowie der Veterinärmedizinischen Ateilung der Universität von Liverpool in einer aktuellen Studie diese Schmerz-Skala neuerlich validiert und hinsichtlich ihrer praktischen Umsetzbarkeit auf die Probe gestellt.
Diese ,akute Schmerz-Skala’ EAAPS soll es klinischem Personal rasch und einfach erlauben, sich ein möglichst ,objektives’ Bild vom Ernst und vom Schweregrad der Schmerzen bei Pferden mit Kolik-Verdacht zu machen. Dabei werden typische Körpersignale bzw. Verhaltensweisen des Pferdes in eine Art ,Rangordnung’ gebracht – von leichten, milden Schmerzanzeichen bis zu schweren, massiven Symptomen. Diese werden einer Skala von 0 (leicht, mild) bis 5 (schwer bzw. sehr schwer) zugeordnet. Liegen keine offensichtlichen schmerzverbundenen Verhaltensweisen vor, wird Score 0 vergeben; das Schauen nach den Flanken sowie das Flehmen bzw. Kräuseln der Oberlippe wird mit Score 1 bewertet, das Liegen in Brustlage mit dem Bemühen, sich zu strecken sowie Ruhelosigkeit mit Score 2, das Treten Richtung Bauch und das Scharren mit den Hufen mit Score 3, wiederholte Versuche, sich niederzulegen bzw. Zusammenkauern sowie das Hinlegen in Seitenlage mit Score 4 und schließlich das Wälzen als schwerstes Schmerzsignal mit Score 5 (siehe auch Grafik oben).
Im Zentrum standen dabei die rasche Einsetzbarkeit der Skala bzw. deren rasche Erlernbarkeit und Benutzerfreundlichkeit – wichtige Qualitäten im klinischen Alltag, in dem oft innerhalb kürzester Zeit folgenreiche Entscheidungen zu treffen sind. Den insgesamt 35 teilnehmenden Personen – darunter Tierärzte, Techniker und Studenten der Veterinärmedizin an den beiden genannten Institutionen (26 in Liverpool sowie 9 in Jerusalem) – wurden dabei 231 Pferde vorgestellt, die mit akuten Bauchschmerzen bzw. Kolik-Symptomen an die jeweiligen Kliniken eingeliefert worden waren. Ohne vorheriges Training sollten die Testpersonen die Schwere der Schmerzen anhand von zwei Skalen bewerten – neben der akuten Schmerz-Skala EAAPS auch noch die visuelle Analog-Skala VAS (visual analogue scale).
Im direkten Vergleich erwies sich die akute Schmerz-Skala als als deutlich überlegen und wurde von den Testpersonen als besonders gut umsetzbar, als einfach und als schnell anwendbar bewertet. Auffallend war auch, dass erfahrene Erstanwender die Verwendung von EAAPS als deutlich schneller einstuften als weniger erfahrene Teilnehmer. Die Studien-AutorInnen hoben vor allem zwei wichtige Eigenschaften hervor – nämlich die gute Ausführbarkeit und hohe Zuverlässigkeit der Skala. Die Ausführbarkeit wurde dabei „unter realen Bedingungen getestet, wenn das schmerzgeplagte Pferd schnell und einfach beurteilt werden muss und wenn man in Notsituationen schnelle klinische Entscheidungen zu treffen hat“, so die Wissenschaftler. Auch die Tatsache, dass keine der teilnehmenden Testpersonen in dieser Studie zuvor eine Schulung oder ein Training in der Verwendung des EAAPS erhalten hat und es dennoch problemlos einsetzen konnten, spreche sehr für diese Skala: So war kein einziger Teilnehmer der Meinung war, dass die Anwendung sehr schwierig oder sehr langsam wäre.
Das Resümee der Forscher: „Das EAAPS lieferte valide Ergebnisse und war schnell und einfach zu bedienen. Das EAAPS ist die somit einzige Schmerzskala für Pferde, die in diesem Umfang in klinischen Fällen in Pferdekrankenhäusern auf diese Eigenschaften getestet wurde. Die Verwendung des EAAPS erfordert offensichtlich keine spezielle Schulung, ist in klinischen Fällen einfach anzuwenden und kann das Wohlbefinden von Pferden verbessern.“
Die Studie „Pain Scale (EAAPS) in Clinical Cases of Colic in Horses" von Yamit Maskato, Alexandra H. A. Dugdale, Ellen R. Singer, Gal Kelmer und Gila A. Sutton ist am 29. November 2020 in der Zeitschrift ,animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
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Soll man bei Kolik-Verdacht sein Pferd Schritt führen? 21.11.2020 / News
Schritt führen ist für ein Pferd, bei dem Kolik-Verdacht besteht, meist eine gute Idee – doch es kann in bestimmten Fällen die Situation auch verschlimmern. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay
Wir alle haben es schon gehört und gelesen: Bei Anzeichen einer Kolik ist leichte Bewegung – zum Beispiel Schritt führen – in der Regel günstig. In vielen Fällen stimmt das auch – doch in Wahrheit ist die Sache etwas komplizierter …
Kolik ist der Albtraum jedes Pferdebesitzers und eine unmittelbare, akute Bedrohung des Pferdewohls, die im schlimmsten Fall sogar tödlich enden kann. Nicht nur rasches Handeln ist dabei gefragt, sondern vor allem auch richtiges, um die Situation nicht noch weiter für das Pferd zu verschlimmern. Fest steht: Eine Kolik ist immer ein Notfall, wie auch ProPferd in einem umfassenden Fachartikel (siehe) dargelegt hat – daher sollte bei Kolik-Verdacht umgehend der Tierarzt konsultiert werden.
Bis zu seinem Eintreffen greifen Pferdebesitzer oftmals zu einem vermeintlich bewährten ,Hausmittel’ – nämlich sein Pferd leicht zu bewegen, sprich: Schritt zu führen, und das mitunter stundenlang. Wie Tierärztin Melinda Freckleton und Autorin Christine Barakat in einem Artikel für das ,Equus-magazine’ schreiben, ist dieses „Überbrückungs-Ritual“ zwar tatsächlich in vielen Fällen sinnvoll und empfehlenswert – doch eben nicht in allen. „Die Idee, dass jedes Pferd mit Schmerzen im Verdauungstrakt Schritt gehen muss, ist ein hartnäckiger Mythos in der Pferdehaltung. Die Wahrheit ist aber, dass ein kolikendes Pferd Schritt zu führen in spezifischen Situationen hilfreich sein kann – dass es aber in anderen Fällen die Lage sogar verschlimmern könnte“, so die Autorinnen.
Tatsächlich komme es auf den Einzelfall und die individuellen Umstände an, ob man auf dieses Mittel zurückgreifen soll oder eher nicht:
– So können sich leichte Koliken mitunter in kurzer Zeit auflösen. Wenn das Pferd ruhig in einem Stall oder einem runden Stall steht oder liegt, entfernen Sie einfach alles Heu und Wasser und lassen Sie es ruhig ruhen, während Sie mit ihrem Tierarzt sprechen und sich von ihm weitere Tipps holen.
– Manchmal kann die Bewegung des Gehens dazu beitragen, die Darmtätigkeit soweit anzuregen, dass eine leichte Verstopfung oder eine eingeschlossene Gasblase gelindert wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies geschieht, hängt jedoch nicht davon ab, wie lange das Pferd läuft, so die Autorinnen: „Wenn sich ein Pferd nach einer halben Stunde zügigen Gehens nicht verbessert hat, wird man damit allein keine weitere Verbesserung erzielen. Und wenn sich die Schmerzen des Pferdes beim Gehen zu verschlimmern scheinen oder wenn er sich nur ungern bewegt, zwingen Sie es keinesfalls dazu! Rufen Sie sofort Ihren Tierarzt an!“
– Zu bedenken ist auch dies: Schmerzen können selbst ein normalerweise braves und leicht zu handhabendes Pferd unvorhersehbar und sogar aggressiv machen. Es kann für die Beteiligten gefährlich sein, ein Pferd zu führen, das so starke Schmerzen hat, dass es sich wälzen möchte. Schmerzen auf diesem Niveau deuten auch darauf hin, dass das Pferd höchstwahrscheinlich ein Kandidat für einen chirurgischen Eingriff ist und dass das Gehen seinen Zustand nicht verbessern wird. In diesem Fall sollte man alle Bemühungen darauf konzentrieren, es schnell in eine Tierklinik zu bringen. „Das Schritt-Führen mit kolikenden Pferden muss mit einem klaren Konzept von Risiko und Nutzen erfolgen. Sprechen Sie nochmals mit Ihrem Tierarzt (der in einem solchen Fall schon unterwegs sein sollte), wenn er Ihnen zuvor zum Schritt-Führen geraten hat, sie aber feststellen, dass das Pferd dabei so starke Schmerzen hat, dass Ihre Sicherheit gefährdet ist.“
– Auch ein weiterer Aspekt darf nicht außer Acht gelassen werden, so die Autorinnen: Andere Krankheitszustände bzw. gesundheitliche Probleme, die für den Laien wie Koliken aussehen, können durch Schritt-Führen verschlimmert werden. „Ein Pferd mit einer leichten Hufrehe, einem Abszess oder Phlegmone/Lymphangitis kann zunächst einfach Darmschmerzen haben. Das Schritt-Führen dieser Pferde wird ihre Beschwerden weiter verschärfen. Dabei ist es in vielen Fällen hilfreich, die Temperatur des Pferdes zu messen: Koliken allein sind normalerweise nicht mit Fieber verbunden.“
Wie man Kolik-Symptome verlässlich erkennen kann und sich als Pferdebesitzer bei Kolik-Verdacht richtig verhält, kann man in diesem Fachartikel „Kolik-Symptome erkennen und richtig reagieren: 12 wichtige Fragen“ von Mag. Matthias Koller und Dr. Clemens Mahringer nachlesen.
11.05.2015 - Kolik-Symptome erkennen und richtig reagieren: 12 wichtige Fragen
Kolik-Symptome erkennen und richtig reagieren: 12 wichtige Fragen 11.05.2015 / Wissen
Wälzen oder längeres Liegen können Hinweise auf eine Kolik darstellen – das Pferd sollte dann kontinuierlich beobachtet werden. / Symbolfoto: Simone Aumair Leichte Bewegung wie etwa Schritt führen ist in der Regel günstig, wenn der Verdacht auf Kolik besteht. / Symbolfoto: Simone Aumair Pferd in Kolik-Intensivbox mit Infusionsbehandlung und zusätzlicher EKG-Dauerüberwachung. / Foto: Pferdeklinik Tillysburg Viele Kolikformen können erfolgreich konservativ behandelt werden – in manchen Fällen ist jedoch eine Kolik-OP unvermeidlich. / Foto: Pferdeklinik Tillysburg
Kolik ist eine gefürchtete Erkrankung und die mit Abstand häufigste unnatürliche Todesursache bei Pferden. Wie aber erkennt man eine Kolik – und wie verhält man sich als Pferdebesitzer bei Kolik-Verdacht richtig? Mag. Matthias Koller und Dr. Clemens Mahringer geben Antwort auf die wichtigsten Fragen rund um Kolik.
Unter einer „Kolik“ versteht man Schmerzen im Bauchraum. Diese Schmerzen können in verschiedenen Organen lokalisiert sein und verschiedene Ursachen haben:
• Darm: Darmkrampf („Spastische“ Kolik), Verstopfungen, Blähungen, Darmverschluss, etc.
• Magen: Magengeschwüre, Magenüberladung, etc.
• Blase
• Niere
• Eierstöcke
• Bauchfell
• Gallengänge
• Blutgefäße
Es gibt aber auch noch andere Erkrankungen und Zustände, die mit „kolikähnlichen“ Symptomen einhergehen können: z.B. Kreuzschlag, Geburt, Kreislaufprobleme, etc… Woran aber kann man eine Kolik verlässlich erkennen, und wie reagiert man richtig bei Verdachtsfällen? Auf diese und weitere wichtige Fragen geben die Tierärzte Mag. Matthias Koller und Dr. Clemens Mahringer Antwort.
1) Wie erkennt man Kolik?
Die Symptome bei Kolik können durchaus vielfältig sein: Appetitlosigkeit bis hin zur völligen Futterverweigerung, Niederlegen, Festliegen, Wälzen, Umsehen nach dem Bauch, Scharren, Schwitzen, Unruhe, beschleunigte Atmung, häufiger Harnabsatz. Aber auch Müdigkeit, auffallend „ruhiges“ Verhalten und längeres Liegen können auf Kolik hindeuten. Bei sehr hochgradiger Kolik kann es auch zum Einnehmen unnatürlicher Stellungen (Hundesitzige Stellung, sägebockartige Stellung) bis hin zum rücksichtslosen „Sich-Hinwerfen“ kommen.
2) Welche Ursachen gibt es für Kolik?
Die mit Abstand häufigste Ursache sind Futter- und Fütterungsfehler
Weitere Ursachen bzw. Kolik begünstigende Faktoren sind:
• Zahnprobleme
• Parasiten („Würmer“)
• Magen („Magengeschwüre“)
• Infektionen
• Wetter (insbesondere Wetterumschwünge)
• Bewegungsmangel
• Stress
3) Welche Futter- und Fütterungsfehler können zu Kolik führen?
Falsche Futterqualität: Verdorbenes bzw. verschimmeltes Futter (Verstopfungen, Blähungen, Rupturen, Darmentzündungen, Hufrehe,…); zu frisches Heu bzw. zu frischer Hafer (Durchfall, Blähungen, Hufrehe); erwärmtes Grünfutter (Blähungen); faulige Futtermittel (Durchfall, Hufrehe); gefrorene Futtermittel (Durchfall, Hufrehe); Stroh mit hohem Windhalmanteil (Dünndarmverstopfung); Giftpflanzen
Falsche Futterauswahl: Zu rohfaserarme und dafür zu stärkereiche Futtermittel (z.B. Weizen, Roggen,…) – es kommt zu Fehlgärungen, Magen- und Darmkatarrhen, Blähungen, Magenüberladung,…; einseitige Verwendung von rohfaserreichen Futtermitteln (z.B. reine Strohfütterung) – es kommt zu Verstopfungen, v.a. des Blinddarmes und/oder des Grimmdarmes.
Falsche Futterzubereitung: Zu kurz gehäckseltes Stroh (unter 2-3 cm) – Verstopfungen von Dünn-, Blind- und/oder Grimmdarm; zu kurz geschnittenes Gras (z.B. vom Rasenmäher) – Dünndarmverstopfung (verfilzter Darminhalt); nicht eingeweichte Trockenschnitzel – Schlundverstopfung, Magenüberladung, Ruptur.
Falsches Futtermanagement: Zu wenige Mahlzeiten, v.a. auch mit zu großen Mengen leichtverdaulicher Futtermittel (Kraftfutter) – Fehlgärungen im Magen, Übersäuerung des Blinddarms, wechselnde Fresslust, Hufrehe; unkontrollierte, übermäßige Futteraufnahme; plötzlicher Futterwechsel; zu starke körperliche Belastung unmittelbar nach der Fütterung; zu kaltes Wasser für durstige Pferde; zu große Wasseraufnahme während des Fressens; Wassermangel (und vermehrtes Schwitzen).
4) Wie verhalte ich mich bei Kolik?
Eine Kolik ist immer ein Notfall und muss dementsprechend ernst genommen werden. Die Pferde sollten kein weiteres Futter mehr zu sich nehmen (Futter wegnehmen), Wasser darf aufgenommen werden. Ideal ist in den meisten Fällen leichte Bewegung, z.B. Schritt führen. Falls das Pferd nur sehr ruhig ist und nichts frisst, empfiehlt es sich, die Körpertemperatur zu messen (Normal ist 37,5° - 38°), denn immer wieder haben solche Pferde keine Kolik, sondern sie fressen nicht, weil sie Fieber haben. Bei einer Kolik sollte immer ein Tierarzt konsultiert werden.
5) Wie verhalte ich mich bis zum Eintreffen des Tierarztes?
Kein Futter mehr verabreichen bzw. Futter wegnehmen; kontinuierliche Beobachtung des Patienten; leichte Bewegung ist in der Regel günstig (z.B. Schritt führen, selber bewegen lassen auf Reitplatz oder in Reithalle – Pferd darf sich hinlegen und auch wälzen); bei Schwitzen kann das Pferd zugedeckt werden.
6) Worüber sollte man nachdenken?
Kommt eine Einlieferung des Pferdes in eine Klinik in Frage, falls dies sinnvoll und notwendig ist? Für den Fall, dass eine Operation nötig wäre, kommt dies überhaupt in Frage? Wie kann das Pferd schnellstmöglich in eine Klinik transportiert werden? Falls das Pferd im Stall bleibt: Wie kann das Pferd überwacht werden und von wem? Gibt es die Möglichkeit, das Pferd einige Zeit kontinuierlich/regelmäßig zu überwachen – auch in der Nacht?
7) Wird jedes Pferd, das wegen Kolik in eine Klinik kommt, operiert?
Nein, operiert wird nur, wenn es notwendig ist. Aber in einer Klinik kann oft eine umfangreichere und genauere Kolikdiagnostik gemacht werden und dann entsprechend gezieltere Maßnahmen/Therapien durchgeführt werden. Viele Kolikformen können dann durchaus erfolgreich konservativ behandelt werden, z.B. durch die Verabreichung von großen Flüssigkeitsmengen mittels Infusion, etc… Wichtig ist aber, dass das Pferd rechtzeitig in die Klinik gebracht wird. Dies erhöht in der Regel die Heilungschancen erheblich und zwar sowohl für operative als auch für konservative Fälle. Ein Pferd mit Kolik, das nach dem ersten Besuch des Tierarztes nicht geheilt ist, ist im Regelfall ein Patient für die Klinik – es sei denn, dass eine exakte Diagnose gestellt werden kann und die diagnostizierte Kolikform ambulant gut behandelbar ist.
8) Was muss man bei der Fütterung beachten, um Koliken vorzubeugen?
Richtige Fütterung: Besser mehrere kleine Portionen als wenige größere Portionen füttern; Pferde nicht direkt vor dem Reiten füttern; immer zuerst Raufutter (z.B. Heu,…) füttern, dann erst Kraftfutter; nicht zu viel Kraftfutter füttern (Menge sollte sich an der tatsächlichen Arbeitsbelastung des Pferdes ausrichten). Qualitativ gutes Futter und qualitativ gute Einstreu verwenden. Qualitativ gutes Wasser anbieten. Das Pferd sollte 24 Stunden am Tag freien Zugang zu sauberem Wasser haben. Bei kalten Temperaturen empfiehlt es sich, das Wasser zu temperieren, um die Aufnahme von genügend Wasser zu gewährleisten.
9) Was muss ich bei Futterumstellungen beachten?
Etwaige Umstellungen (auch jährlicher Beginn des Koppelganges) sollten immer langsam erfolgen, damit sich das Verdauungssystem des Pferdes (und die darin enthaltene Bakterienflora) allmählich an die neue Fütterung gewöhnen kann. Zu rasche Futterumstellungen sind eine ganz typische Kolikursache.
10) Wie kann man (außer durch korrekte Fütterung) sonst noch Koliken vorbeugen?
• Regelmäßige Zahnkontrollen (mind. 1x jährlich)
• Regelmäßige Kotproben und bei Bedarf Entwurmungen
• Regelmäßige und ausreichende Bewegung
11) Warum sind Parasiten ein Problem?
Parasiten können den Verdauungstrakt erheblich schädigen bzw. die Verdauung stören und zwar durch:
• Entzündungen des Darmes bzw. der Darmwand (v.a. bei Bandwürmern,…)
• Verletzungen der Darmgefäße (z.B. Gefäßverschluss – daraus kann ein Absterben von Teilen der Darmwand resultieren)
• Verstopfungen durch zu viele Parasiten (z.B. bei Spulwürmern,…)
12) Kann man das Entstehen einer Kolik verhindern?
Nein, man kann das Entstehen einer Kolik nicht immer verhindern, aber man kann durch vorbeugende Maßnahmen das Risiko reduzieren; und durch richtiges Verhalten bei Kolik die Heilungschancen verbessern.
Autoren:
Mag. Matthias Koller und Dr. Clemens Mahringer
Pferdeklinik Tillysburg
4490 St. Florian
www.pferdeklinik.at
16.10.2015 - Fünf Faktoren, die auf eine schwere Kolik hinweisen
Fünf Faktoren, die auf eine schwere Kolik hinweisen 16.10.2015 / News
Das Verhalten eines Pferdes lässt Rückschlüsse auf den Schweregrad seiner Schmerzen zu – und ist ein wesentlicher Indikator, um eine kritische Kolik zu erkennen. / Foto: Simone Aumair
Ein britisches Forscherteam hat analysiert, welche Punkte der tierärztlichen Erstuntersuchung auf einen erhöhten Schweregrad einer Kolik hinweisen können. Sie entdeckten fünf wichtige Indikatoren.
Für jeden Pferdebesitzer ist bei Verdacht auf eine Kolik klar: Der Tierarzt muss her – denn eine Kolik ist ein medizinischer Notfall, der rasche Behandlung erfordert. Für den Tierarzt ist eine Kolikuntersuchung eine Herausforderung, denn die Symptome einer Kolik sind nicht immer eindeutig erkennbar und können in unterschiedlicher Stärke und Ausprägung auftreten. Es obliegt dann der Einschätzung und der Erfahrung des Veterinärs, die vorliegenden Symptome korrekt zu interpretieren und insbesondere eine schwere bzw. ernste Kolik von einer weniger schweren, nicht lebensbedrohenden Form oder gar von bloßen Bauchschmerzen aufgrund anderer Ursachen zu unterscheiden. Doch welche medizinischen Indikatoren können bei dieser gravierenden Entscheidung hilfreich sein?
Ein Forscherteam der Universität von Nottingham hat sich dieser Frage gewidmet und mehr als 1.000 Kolik-Verdachtsfälle analysiert, zu denen Tierärzte gerufen wurden und die dabei einer Erst-Untersuchung samt Bewertung unterzogen wurden. Im Zentrum stand die entscheidende Frage, wie Veterinäre bei Kolikverdacht im Rahmen der Erstuntersuchung ernste, schwere Fälle von weniger schweren unterscheiden – eine Frage von zentraler medizinischer Bedeutung, denn die frühe Erkennung schwerer Fälle ist entscheidend für einen erfolgreichen Behandlungsverlauf und das Wohl des Pferdes, so die Forscher. Nach ihrer Aussage war es die erste derartige Studie, die zu dieser speziellen Fragestellung durchgeführt wurde: Nahezu sämtliche Untersuchungen zum Thema Kolik-Diagnose wurden bei Pferden gemacht, die zur genaueren Abklärung bereits in eine Pferdeklinik gebracht und dort näher untersucht wurden. Dadurch wurden vorwiegend Kolik-Diagnosen für Pferde erstellt, die man – nach einer Erst-Abklärung vor Ort – als ernst oder kritisch eingestuft und deshalb an eine Klinik überwiesen hatte. Verdachtsfälle, die lediglich im heimatlichen Stall und nicht in einer Klinik begutachtet und behandelt wurden, kamen so gar nicht ins Blickfeld – ein entscheidender Schwachpunkt bisheriger wissenschaftlicher Studien, so die Autoren. Und diesen Schwachpunkt wollten sie zumindest ein wenig erhellen.
Die Forscher arbeiteten 13 Monate lang mit 167 Tierärzten in ganz Großbritannien zusammen und sammelten Daten von insgesamt 1.016 Krankheitsfällen, zu denen die Veterinäre gerufen worden waren, weil die Pferde Schmerzen im Bauchraum zeigten und somit der Verdacht auf Kolik bestand. Das durchschnittliche Alter der Pferde lag bei 13,5 Jahren – die Altersgruppen reichten von Fohlen bis zu 42-jährigen Oldies. Die durchschnittliche Herzschlagrate bei der Erstuntersuchung lag bei 47 Schlägen pro Minute, mit einer Bandbreite von 18 bis zu 125 Schlägen. Die durchschnittliche Atemfrequenz lag bei 20 Atemzügen pro Minute, mit einer Bandbreite von 6 bis zu 100 Zügen.
Pferde, die auf einfache medizinische Behandlungen positiv ansprachen, wurden als nicht-kritisch eingestuft – Pferde, die intensive medizinische Behandlung oder gar einen operativen Eingriff benötigten, die starben oder eingeschläfert werden mussten, wurden als kritisch eingestuft. Insgesamt konnten 822 Verdachtsfälle einer der beiden Kategorien zugeordnet werden – 628 (76,4 %) waren nicht-kritisch, 194 (23,6 %) waren kritisch.
Bei einer Bewertung des Schweregrades der Bauchschmerzen mittels Verhaltensanalyse auf einer Skala von 0 bis 12 (0 = Minimum, 12 = Maximum) wurden 70,4 % der Fälle als eher leicht (0 bis 6) eingestuft, während 29,6 % als eher schwer (7–12) bewertet wurden. Wie die Forscher herausfanden, überprüften sämtliche Veterinäre das Verhalten und die Schmerzreaktionen der Pferde, um zu einer Diagnose zu gelangen. 98,9 % der Tierärzte überprüften bei ihren Untersuchungen die Herzschlagrate, 89,4 % die Atemfrequenz, 81,4 % die Körpertemperatur (rektal gemessen) und 98,7 % das Vorhandensein von Darmgeräuschen. Eine rektale Untersuchung wurde bei 73,8 % der Pferde durchgeführt, bei 35,6 % wurde eine Nasensonde eingeführt. Bei 18,1 % der Pferde wurde eine Blutprobe für diverse Blut- und biochemische Messungen abgenommen. In einigen Fällen wurden weitere diagnostische Tests durchgeführt, einschließlich einer Ultraschall-Untersuchung (3,4 %), einer Kotprobe (2,5 %) und einer Wurmei-Zählung (2 %).
Von den 628 nicht-kritischen Fällen konnte bei einer großen Zahl – nämlich 497 – bereits nach einmaliger Behandlung Entwarnung gegeben werden. 93 Fälle wurden nach weiteren Arztbesuchen erfolgreich behandelt, 37 nach Überweisung in eine Klinik. Ein Pferd wurde aus anderen Gründen eingeschläfert (hier hat eine ganze Serie diverser medizinischer Probleme die Entscheidung des Besitzers beeinflusst).
Von den 194 kritischen Fällen mussten 135 schon nach dem ersten Tierarzt-Besuch eingeschläfert werden, 1 wurde nach weiteren Visiten eingeschläfert, 23 Pferde wurden nach der Erstuntersuchung in eine Klinik gebracht und kolikoperiert, 16 davon mussten nach der Überweisung eingeschläfert werden, 12 Pferde verstarben, 6 Pferde erholten sich nach konservativer Behandlung – und ein Pferd wurde nach mehreren Besuchen des Tierarztes in die Klinik gebracht und dort kolikoperiert.
Die Gründe für das Einschläfern wurden in 65 Fällen dokumentiert. In 15 Fällen notierte der Tierarzt „Vom Besitzer gewünschtes Einschläfern". In 11 Fällen notierte er „Besitzer kann sich Klinik-Einweisung/Operation nicht leisten". In 7 Fällen kam aufgrund des Schmerzbildes oder des Alters ein Transport in die Klinik oder eine OP nicht in Frage. Kein Effekt von schmerzstillenden Maßnahmen wurde in 30 Fällen als Grund für das Einschläfern angegeben. ,Equine Grass Sickness' (EGS) wurde in zwei Fällen als Grund für das Einschläfern protokolliert.
Nach einer detaillierten Auswertung der Diagnose-Beschreibungen waren es fünf wesentliche Indikdatoren, die – gesamthaft betrachte – bei einer Erstuntersuchung hilfreich sind, um kritische von weniger kritischen Verdachtsfällen zu unterscheiden – nämlich der Schweregrad der Schmerzen, die Herzfrequenz, die Kapillar-Füllzeit, ein schwacher Puls und das Fehlen von Geräuschen in einer oder mehreren Regionen des Bauchraums. Speziell diese fünf Faktoren sollten, so die Forscher, im Rahmen der Erstuntersuchung vom behandelnden Tierarzt genau beachtet und überprüft werden. Insbesondere die Herzfrequenz wurde übereinstimmend als zuverlässiger Indikator für kritische Kolik-Fälle mit starken Schmerzen und hoher Sterblichkeit identifiziert.
Die Forscher sehen ihre Untersuchung aber nur als ersten Schritt – dem weitere folgen sollten: „Obwohl es den Rahmen unserer Studie gesprengt hätte, wären mehr Fakten darüber wünschenswert, aufgrund welcher Tests und Untersuchungen Tierärzte ihre Entscheidungen treffen und warum sie in einigen Fällen diese Tests bevorzugen und in anderen Fällen andere. Auch die Bedeutung weiterer Einfluss-Faktoren wie die Behandlungskosten, der Zustand des Pferdes, die örtlichen Gegebenheiten und die Wünsche des Pferdebesitzers sollten wissenschaftlich aufgearbeitet werden."
Die Studie „Prospective study of the primary evaluation of 1016 horses with clinical signs of abdominal pain by veterinary practitioners, and the differentiation of critical and non-critical cases" von Laila Curtis, John Harold Burford, Jennifer Sara Marian Thomas, Marise Linda Curran, Tom Curtis Bayes, Gary Crane William England und Sarah Louise Freeman wurde in der Zeitschrift ,Acta Veterinaria Scandinavica' am 6. Oktober 2015 veröffentlicht und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
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