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Studie: Gebisslose Zäumungen sind für Pferde nicht unbedingt sanfter
04.10.2021 / News

Gebisslos zu reiten liegt wieder im Trend – und das nicht nur im Westernbereich.
Gebisslos zu reiten liegt wieder im Trend – und das nicht nur im Westernbereich. / Foto: Archiv Martin Haller

Gebisslose Zäumungen sind möglicherweise nicht sanfter oder bequemer als klassische Zäumungen mit Gebiss. Einer aktuellen Studie zufolge kann der Druck auf die Nasenknochen unter gebisslosen Zäumungen besorgniserregende Höhen erreichen, ähnlich wie es bei zu engen Nasenriemen der Fall wäre.

 

Gebisslose Zäumungen erfreuen sich unter ReiterInnen steigender Beliebtheit – weil sie einen unbestreitbaren Vorteil besitzen: Das Pferdemaul bleibt von einem harten Metallgebiss und seinen möglichen negativen Folgen verschont. Doch das muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass eine gebisslose Zäumung auch sanfter oder bequemer für das Pferd ist, wie eine aktuelle Studie aus Großbritannien nahelegt – sie verteilt die vom Reiter eingesetzte Kraft nur an andere Körperstellen bzw. -strukturen und könnte dort nicht nur als unangenehm empfunden werden, sondern möglicherweise sogar schädlich sein, so das Resümee der beiden Autorinnen Nina Robinson und Tracy L. Bye vom University Center Bishop Burton in Yorkshire, Großbritannien.

„Wenn Reiter die Zügel anziehen, müssen sie die Kraft, die sie dafür aufwenden, irgendwo hinführen, und es hängt alles davon ab, wo sie hingeleitet wird“, so Tracy Bye genüber dem Portal TheHorse.com. „Diese Kraft auf die Zügel ist ungefähr gleich groß und kann auf eine Trense, auf die Nase oder auf das Genick eines Pferdes gelenkt werden“, sagte sie. „Wir haben in unserer Untersuchung zwar nicht die Zügelspannung an sich festgestellt, aber wir haben den Druck gemessen, der sich aus dieser Spannung ergibt. Und wir können nicht sagen, dass gebisslose Zäumungen für das Pferd unbedingt sanfter oder freundlicher sind.“

Für ihre Untersuchung verwendeten die beiden Wissenschaftlerinnen fünf Reitpferde, die wechselweise über drei Tage hinweg mit drei verschiedenen Zäumungen geritten wurden: einem klassischen englischen Reithalfter mit Trense sowie zwei gebisslosen Zäumungen – nämlich einem Sidepull sowie einem Cross-Under Bitless Bridle. Der Nasenriemen des englischen Reithalfters wurde entsprechend der ,Zwei-Finger-Regel’, die beiden gebisslosen Zäumungen nach Herstellervorgaben angelegt, gemessen wurde jeweils mit Nasenriemen-Messkeil – für das Cross-Under Bitless Bridle bedeutete dies einen Ein-Finger-Abstand, für das Sidepull sogar etwas weniger. Die Forscher brachten bei jeder der drei Zäumungen Drucksensoren unter dem Genickstück und dem Nasenriemen an. Die Pferde wurden 30 Minuten pro Tag für drei Tage hintereinander in jeder der drei Zäumungsvarianten jeweils vom selben Reiter geritten.

Die Ergebnisse zeigten, dass der durchschnittliche Druck auf das Nasenbein (über eine Länge von 11 Zentimetern) bei der gebisslosen Sidepull-Zäumung um 65 % höher war als bei der klassischen Trensen-Zäumung. Bei der gebisslosen Cross-Under-Zäumung war der durchschnittliche Druck etwa 11% höher als bei der Trensen-Zäumung (bei dieser könnte der Druck unter dem Kiefer natürlich höher gewesen sein, was die Forscher aber nach eigenen Angaben nicht untersucht haben.) Die Druckspitzen auf das Nasenbein waren beim Sidepull um 147 % höher und beim Cross-Under um 109 % höher als bei der Trensen-Zäumung.

Die hohen Druckbelastungen der gebisslosen Zäumungen auf das Nasenbein waren jedenfalls auffallend und geben durchaus Anlass zur Sorge, auch wenn sie nicht unbedingt Schäden verursachen: „Dies sind Belastungen, die möglicherweise schädlich für Pferde sein können – aber nur, wenn sie über einen längeren Zeitraum hinweg über diesen Schwellenwerten aufrechterhalten werden, das wissen wir einfach noch nicht“, so Tracy Bye.

Die beiden Wissenschaftlerinnen stellten auch fest, dass die Pferde dazu neigten, ihren Kopf höher zu tragen und den Hals mehr zu strecken, wenn sie mit einer gebisslosen Zäumung geritten wurden. Eine solche Position könnte zu Rückenschmerzen und schlechter Leistung beitragen, sagten sie. Beim Druck auf das Genick zeigten sich hingegen keine signifikanten Unterschiede zwischen den drei Zäumungen.

Das Resümee der Forscherinnen: „Viele Reiter entscheiden sich für eine gebisslose Zäumung, um z.B. Probleme im Training zu überwinden, wenn das Pferd sich gegen den Druck des Gebisses wehrt“, sagte Bye. „Die Lösung für diese Probleme sollte man nicht bei einem einzelnen Ausrüstungsteil suchen, da die Druckbelastungen aus dem Zügel nicht verschwinden, nur weil man die Art der Zäumung wechselt – sie wandern einfach zu anderen Gesichtsstrukturen. Die wirkliche Lösung muss darin bestehen, die Reiter so auszubilden und zu unterstützen, dass sie effektiv mit ihren Pferden kommunizieren können.“

Die Studie „Noseband and poll pressures underneath bitted and bitless bridles and the effects on equine locomotio" von Nina Robinson und Tracy L. Bye ist am 19. Mai 2021 in der Zeitschrift ,Journal of Veterinary Behavior' erschienen und kann in englischer Kurzfassung hier nachgelesen werden.

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