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Studie: Gesundheits-Checks bei Distanzritten sind möglicherweise unfair
28.04.2020 / News

Bei der tierärztlichen Kontrolle wird geprüft, wie schnell die Herzfrequenz des Pferdes unter den Grenzwert von 64 Schlägen pro Minute fällt – doch dieser fixe Wert ist möglicherweise nicht aussagekräftig und müsste für jedes Pferd individuell festgelegt werden, so die StudienautorInnen.
Bei der tierärztlichen Kontrolle wird geprüft, wie schnell die Herzfrequenz des Pferdes unter den Grenzwert von 64 Schlägen pro Minute fällt – doch dieser fixe Wert ist möglicherweise nicht aussagekräftig und müsste für jedes Pferd individuell festgelegt werden, so die StudienautorInnen. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay

Die bei Distanzritten durchgeführten Herzfrequenz-Messungen und das Erreichen festgelegter Ruhewerte sollen eine Überforderung der Pferde vermeiden und gewährleisten, dass nur gut trainierte Tiere im Bewerb bleiben dürfen. Doch dieses Ziel wird möglicherweise verfehlt, wie eine aktuelle Studie nahelegt.

 

Distanzritte sind Ausdauerprüfungen für Pferde auf einer Geländestrecke von bestimmter Länge und finden unter strenger tierärztlicher Aufsicht statt. Die Kontrollen in den sogenannten ,Vet Gates’ beinhalten die Beurteilung von Herzfrequenz (HF), Kreislauf, metabolischem Zustand sowie Gangwerk. Die Regeln der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI) verlangen, dass Pferde, die je nach Klassifikation des Rittes nicht innerhalb einer bestimmten Zeit (20 bis 30 Minuten) nach Ankunft in den Vet Gates eine bestimmte Herzfrequenz (maximal 56 bzw. 64 Schläge pro Minute) aufweisen, vom Bewerb augeschlossen werden, um eine Gesundheitsgefährdung der Tiere zu vermeiden. Die Veterinär-Kommission kann diese maximale Herzfrequenz – ein fix festgelegter Wert, der für alle Pferde gilt – bei extremen Bedingungen vor oder während des Wettkampfes auch niedriger ansetzen oder die Erholungszeit verkürzen, wenn spezielle Bedingungen dies notwendig machen.

Obwohl die Herzfrequenz nur eines von zahlreichen Kriterien zur Bestimmung des Gesundheitszustandes eines Pferdes während eines Distanzrittes darstellt, hat diese Regelung – auch wegen der einfachen und objektiven Messbarkeit – dazu geführt, dass die im Vet Gate gemessene Herzfrquenz häufig als wichtigster Faktor zur Beurteilung der Reittauglichkeit angesehen wird. Das hat zur Folge, dass Distanzpferde mittlerweile auf Grund niedriger Ruhe-Herzfrequenzen (HFruhe) selektiert werden – davon ausgehend, dass sich bei diesen die Herzfrequenz nach Belastung (HFerholung) schneller erholt.

Diese Annahme ist bisher jedoch nicht wissenschaftlich untersucht worden. Zudem ist nicht bekannt, ob Pferde mit niedriger Ruhe-Herzfrequenz tatsächlich eine bessere Ausdauer und Fitness aufweisen – und genau an diesem Punkt setzt die von insgesamt vier Forschern durchgeführte Studie „Relationship between resting and recovery heart rate in horses“ an.

Ihre These: Sollte eine Beziehung zwischen der Ruhe-Herzfrequenz und der Herzfrequenz-Abnahme nach Belastung (HFerholung) bestehen, dann ist es vorstellbar, dass Pferde mit einer niedrigen Ruhe-Herzfrequenz durch das beschriebene System ein höheres Risiko einer Gesundheitsschädigung haben, da metabolische Probleme später oder gar nicht erkannt würden. Ebenso könnten Pferde mit einer hohen Ruhe-Herzfrequenz sportlich benachteiligt sein, da sie erst nach einer längeren Erholungszeit vorgestellt werden und somit auch erst später das Rennen fortsetzen können, obwohl ihre Fitness/gesundheitliche Eignung ebenso gut ist.

Ziel der Untersuchung war es, die Beziehung zwischen der Ruhe-Herzfrequenz (HFruhe) und der Herzfrequenz-Abnahme nach Belastung (HFerholung) beim Pferd näher zu analysieren, ebenso die Beziehung zwischen der Ruhe-Herzfrequenz und dem Wert v4, dem wichtigsten Parameter zur Einschätzung der Ausdauer von Pferden (v4 = die Geschwindigkeit, bei der rechnerisch unter den gegebenen Testbedingungen 4 mmol/l Laktat im Blut sind).

Die erforderlichen Messungen wurden bei einer Testgruppe von insgesamt sieben Pferden durchgeführt – und die Ergebnisse waren in der Tat bemerkenswert: 16 der 35 untersuchten Beziehungen zwischen Ruhe-Herzfrequenz (HFruhe) und der Herzfrequenz-Abnahme nach Belastung (HFerholung) waren statistisch signifikant. Es konnte hingegen keine signifikante Beziehung zwischen der Ruhe-Herzfrequenz und dem Messwert v4 der Pferde nachgewiesen werden.

Die Schlussfolgerung der Wissenschaftler: „Die bei Distanzritten vorgegebenen Grenzwerte für die Herzfrequenz-Abnahme nach Belastung (HF-Erholung) und damit Verlassen der Vet Gates könnten bedeuten, dass Gesundheitsrisiken von Pferden mit einer niedrigen Ruhe-Herzfrequenz (HFruhe) nicht oder später erkannt werden als bei Pferden mit höherer Ruhe-Herzfrequenz. Auf alle Fälle benachteiligen feststehende HF-Werte sehr wahrscheinlich Pferde mit einer höheren Ruhe-Herzfrequenz, da sie trotz eines guten Fitnesszustandes später aus den Vet Gates kommen können als Pferde mit einer niedrigen Ruhe-Herzfrequenz“, so das Resümee der Forscher.

Und weiter heißt es: „Diese Arbeit weist zudem darauf hin, dass es keine Beziehung zwischen der Ruhe-Herzfrequenz und der Ausdauer von Pferden gibt. Die Ergebnisse sprechen dafür, individuelle anstatt fixe Werte für die Herfrequenz-Abnahme nach Belastung einzuführen und so allen Pferden vergleichbare Bedingungen zum Verlassen der Vet Gates zu setzen.“

Die Studie „Relationship between resting and recovery heart rate in horses“ von Arno Lindner, Martina Esser, Ramón López and Federico Boffi ist in der Zeitschrift ,animals’ erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden. Das Forschungsprojekt wurde vom ,Verein zur Förderung der Forschung im Pferdesport e.V.’ (FFP) unterstützt.

Quelle: Verein zur Förderung der Forschung im Pferdesports e.V.

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