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Zu weite Sättel sind für Pferde ebenso schlecht wie zu schmale
03.12.2019 / News

Nur ein optimal sitzender und gut angepasster Sattel ist in der Lage, das Pferd-Reiter-System zu optimieren und das Risiko rückenbedingter Probleme oder Leistungseinbußen zu verringern, so die Wissenschaftler.
Nur ein optimal sitzender und gut angepasster Sattel ist in der Lage, das Pferd-Reiter-System zu optimieren und das Risiko rückenbedingter Probleme oder Leistungseinbußen zu verringern, so die Wissenschaftler. / Symbolfoto: Archiv/Irene Gams

Noch immer halten sich hartnäckig Gerüchte, dass eine größere Kammerweite bei Sätteln den Pferden mehr Bewegungsfreiheit ermöglichen würde. Doch diese Annahme ist falsch, wie britische Wissenschaftler nun nachweisen konnten.


Wie die Autoren vorweg betonten, ist ein optimal angepasster Sattel von entscheidender Bedeutung, um die Interaktion zwischen Pferd und Reiter zu optimieren und das Risiko von Rückenproblemen oder Leistungsverlust durch einen schlecht sitzenden Sattel zu verringern. In ihrer Studie wollten die Wissenschaftler mehr über die Auswirkungen der Sattelbaumweite auf die Funktion von Rücken und Gliedmaßen, die Satteldruckverteilung und die Dimensionen jener Muskelpartien des Pferdes erfahren, die direkt mit dem Sattel in Kontakt kommen.

Obwohl von der ,Society of Master Saddlers' branchenweit geltende Richtlinien zur korrekten Sattelanpassung festgelegt wurden, entscheiden sich immer noch manche Sattler dafür, die Kammerweite breiter zu machen als in den Branchenrichtlinien festgelegt. Dies tun sie meist in der Annahme, dass eine größere Sattelbreite die Fortbewegung des Pferdes fördert und die sogenannte ,thorakolumbare' Wirbelsäule (sprich: Brust- und Lendenwirbelsäule) – also der Bereich, der vom Sattel abgedeckt wird – ungehindert funktionieren und arbeiten kann. Doch mit dieser Annahme liegen sie falsch, wie die aktuelle Studie der britischen Wissenschaftler nachweist.

Die Forscher beschreiben die thorakolumbale Region als eine dynamische Plattform, auf der ein Sattel positioniert werden muss, ohne das Pferd zu behindern oder einzuschränken. Die Unterseite des Sattels sollte der Dynamik des Brustraums des Pferdes angepasst sein – und die Oberseite dem Becken und den Oberschenkeln des Reiters.

Für ihre Studie überprüften die Wissenschaftler die Auswirkungen eines um eine Stufe weiteren sowie engeren Sattels (basierend auf den Empfehlungen der Society of Master Saddlers) auf die Funktion der Brust- und Lendenwirbelsäule, der damit verbundenen Muskeln, der Bewegung des Pferdes und die Verteilung des Satteldrucks.

In der Studie wurden 14 Sportpferde (allesamt Warmblut-Wallache) eingesetzt. Zwei erfahrene Reiterinnen wurden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt, um sie zu reiten. Für das Experiment wurden zehn neue Universal-Sättel mit verstellbarer Kammerweite verwendet. Jeder Sattel wurde von einem qualifizierten Sattler der Society of Master Saddlers fachgerecht angepasst und war vor Beginn der Testreihe 10 Stunden lang am Pferd in Verwendung, damit sich die Polsterung „setzen" konnte. Gegebenenfalls wurden dann Anpassungen vorgenommen.

Die Reihenfolge der Sattelanpassung wurde für alle Sattler, Reiter und Tierärzte nach dem Zufallsprinzip festgelegt und verblindet. Während des gesamten Tests wurde jedes Pferd einmal mit einem korrekt angepassten, einem zu weiten und einem zu schmalen Sattel geritten. Zwischen den einzelnen Kammerweiten wurde ein 10-Grad-Unterschied angewendet.

Die Testritte umfassten ein 15-minütiges Aufwärmen, gefolgt von einer zuvor festgelegten Trab- und Galopp-Einheit in der Halle, wobei die gesamte Bewegung des Pferdes gemeinsam mit der Sattel-Pferd-Bewegung mittels Sensoren gemessen wurde. Jede der drei unterschiedlichen Sattelanpassungen – also korrekt, zu weit und zu schmal – wurde dann unabhängig von fünf qualifizierten Fachleuten beurteilt.

Es stellte sich heraus, dass ein um eine Stufe breiterer und schmalerer Sattel die Funktion der Brust- und Lendenwirbelsäule deutlich beeinträchtigte:

– Der zu weite Sattel führte zu Wölbungen in den Muskeln um den T13-Wirbel – das ist etwas hinter den Steigbügeln – und weiter hinten bei T18, wenn der schmale Sattel verwendet wurde.

– Der zu weite Sattel verursachte erhöhten Druck unter dem vorderen Bereich des Sattels – der zu schmale Sattel sorgte hingegen für Druckspitzen im hinteren Teil des Sattels.

– Der zu weite Sattel reduzierte die Biegungs-Ausdehnung bei Wirbel T18. Zusätzlich wurde die axiale Drehung bei T5 weiter nach vorne erhöht und bei Wirbel T13 und Wirbel L3 verringert.

„Diese Ergebnisse stehen im klaren Gegensatz zu der Überzeugung einiger Sattler, dass eine größere Kammerweite auch eine größere Beweglichkeit der Wirbelsäule ermöglicht", so die Autoren zu den Ergebnissen.

Der englische Sattel kann im Allgemeinen den Gewichtsdruck des Reiters sehr gut und effektiv verteilen – ist die Kammerweite aber zu groß gewählt, wird dadurch wahrscheinlich auch die wirksame Verteilung des Drucks negativ beeinflusst, so die Wissenschaftler. Die zu weiten Sättel erzeugten Bereiche mit hoher Druckbelastung nahe der Mittellinie des Pferderückens im Bereich der Wirbel T10 bis T13, und zwar sowohl im Trab als auch im Galopp. Die Beobachtungen zeigten auch, dass der zu weite Sattel insgesamt instabil war, was besonders deutlich beim Galoppieren erkennbar war.

Beim Reiten mit dem zu schmalen Sattel steigt dagegen der vordere Teil an, was bedeutet, dass der Sitz des Sattels nicht parallel zum Pferderücken ist und der Sattel quasi „nach hinten schaukelt". In ihrem Experiment fanden die Forscher auch Bereiche mit hohem Druck unter dem hinteren Teil des zu schmalen Sattels, der mit Wölbungen in den Muskeln um den Wirbel T18 in Verbindung gebracht wurde.

Sättel mit vier Berührungspunkten bilden gleichsam eine ,Brücke' (,bridging') – ein besonders häufiges Problem von schlecht angepassten Sätteln. Dynamisch können die vier Berührungspunkte besser als Schaukelbewegung von vorne nach hinten und von Seite zu Seite dargestellt werden. „In beiden Fällen ist ein verringerter Kontakt unter dem mittleren Bereich des Sattels festzustellen", so die Wissenschaftler.

Pferdebesitzer tun also gut daran, die Auswirkungen der Kammerweite auf das Pferd zu berücksichtigen und sich regelmäßig von Fachleuten beraten zu lassen, um eine optimale Passform des Sattels sicherzustellen: „Es ist zu hoffen, dass die Ergebnisse dieser Studie und der an anderer Stelle präsentierten Erkenntnisse genutzt werden, um unter den Sattlern das Verständnis für die Wichtigkeit eines optimal angepassten Sattels mit richtiger Kammerweite zu fördern", so die Autoren.

Ihr abschließendes Resümee fällt eindeutig aus: „Es ist wichtig, dass für jede Kombination von Pferd und Reiter der Sattel absolut korrekt angepasst wird, um das Pferd-Reiter-System zu optimieren und das Risiko rückenbedingter Probleme oder Leistungseinbußen zu verringern, die aufgrund einer falschen Sattelpassung auftreten können."

Die Studie „The Effect of Tree Width on Thoracolumbar and Limb Kinematics, Saddle Pressure Distribution, and Thoracolumbar Dimensions in Sports Horses in Trot and Canter" von Russell MacKechnie-Guire, Erik MacKechnie-Guire, Vanessa Fairfax, Diana Fisher, Mark Fisher und Thilo Pfau ist am 21. Oktober 2019 in der Zeitschrift ,Animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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