News 

Rubrik
Zur Übersichtzurück weiter

Zahnfüllungen können Karies bei Pferden stoppen
26.02.2023 / News

Die Zahnmedizin bei Pferden hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht und profitiert auch von den Materialien und Erfahrungen aus dem Humanbereich, wie die aktuelle Studie zeigt.
Die Zahnmedizin bei Pferden hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht und profitiert auch von den Materialien und Erfahrungen aus dem Humanbereich, wie die aktuelle Studie zeigt. / Symbolfoto: Archiv

Britische Pferdezahnärzte konnten in einer Studie zeigen, dass Harzfüllungen, wie sie auch in der Humanzahnheilkunde verwendet werden, langfristige Lösungen zur Vorbeugung und Behandlung von Karies bei Pferden bieten.


Im Gegensatz zu Menschen weisen die oberen Backenzähne von Pferden tiefe Einfaltungen auf, die sogenannten Infundibula. Aufgrund einer Entwicklungsstörung, deren Ursachen bislang noch nicht restlos geklärt sind, können sich in diesen Einfaltungen Hohlräume bzw. Löcher bilden, wenn es zu keiner ausreichenden Auffüllung der Zahn-Außenwände mit Zement kommt. Diese Löcher können jahrelang unsichtbar – und unproblematisch – bleiben. Aber wenn die Zähne von Pferden im Laufe ihres Lebens immer wieder durchbrechen und wenn sich die ältere Zahnoberfläche abnutzt, können sich diese Löcher infizieren – was zur sogenannten Infundibularkaries führt – und den Zahn strukturell schwächen.

Je nach Art und Schweregrad dieses Problems können verschiedene Füllungen, die ursprünglich für die menschliche Zahnmedizin entwickelt wurden, zur Behandlung dieser Hohlräume eingesetzt werden – im Idealfall zu einem Zeitpunkt, bei dem der Zahn noch nicht mit Karies infiziert ist. Dann lassen sich Zahnprobleme bei Pferden lösen, noch bevor sie angefangen haben.

Der Pferdetierarzt und Zahnspezialist Dr. Christopher Pearce von ,The Equine Dental Clinic’ in Wimborne (Großbritannien) hat gemeinsam mit seiner Kollegin Nicky Brooks untersucht, wie sich derartige Füllungen bzw. Restaurationen von Pferdebackenzähnen mit Infundibularkaries langfristig bewähren und wie sicher und zuverlässig diese modernen Verfahren rückblickend sind.  Jüngste Fortschritte bei zahnärztlichen Materialien, Instrumenten und Techniken haben den Einsatz von Zahnrestaurationstechniken durch Pferdetierärzte zwar erleichtert – doch bislang gebe es, so Dr. Pearce, keine Studien, in denen die Sicherheit oder Wirksamkeit von Restaurationen der Infundibula von Pferdebackenzähnen nachgewiesen werden konnte. Genau dies wollte er mit seiner 2022 veröffentlichten Untersuchung leisten.

Einleitend erklärten die AutorInnen, dass es im fortgeschrittenem Stadium notwendig sein könnte, von Infundibularkaries befallene Pferdezähne zu entfernen – dies jedoch gleichsam eine ,ultima ratio’ in der Behandlung darstelle. Es sei häufig sehr wohl möglich, die Zähne zu retten, indem man sie füllt, bevor ernsthafte Probleme auftreten. Die Behandlung umfasst dabei das Entfernen von Futterresten ebenso wie das gründliche Reinigen des Hohlraums sowie das anschließende Auffüllen des Lochs mit einem festen, haftenden und formschlüssigen Material.

Obwohl sie ursprünglich die Verwendung harter Materialien wie Glasionomerzemente und Porzellan erwogen hatten, stellten die Wissenschaftler fest, dass fließfähiges und komprimierbares Harz – also die „weißen“ Kompositfüllungen, wie sie auch in der Humanzahnheilkunde verwendet werden – besser für die Pferdezahnheilkunde geeignet sind: Sie sind zwar etwas weniger hart, weisen aber dennoch eine hohe Festigkeit und Haftkraft auf – und sind vor allem in der Lage, sich mit der gleichen natürlichen Geschwindigkeit wie Pferdezähne abzunutzen. So können Schmerzen, Krankheiten und Brüche, die Karies im Fundibularbereich verursachen kann, effektiv gestoppt werden, wie die Daten ihrer Studie zeigen.

Zwischen 2006 und 2012 verfolgten Dr. Pearce und seine Kollegen den Fortschritt von 92 Pferden (die Pferde waren zwischen 6 und 25 Jahre alt und wiesen ein Durchschnittsalter von 14 Jahren auf) mit insgesamt 223 Backenzahnfüllungen, die mit unterschiedlichsten Dentalmaterialien (Glasionomerzement, fließfähigen und komprimierbaren Harzkompositen etc.) durchgeführt worden waren. Die Zeitspanne zwischen der Behandlung und erneuter Untersuchung wurde zusammen mit zwischenzeitlichen Befunden klinischer Anzeichen, Restaurationsmaterialverlust und allen weiteren pathologischen Veränderungen der Zähne, einschließlich Kariesprogression, Fraktur oder Erkrankungen der Zahnwurzelspitzen, erfasst. Nachuntersuchungen wurden über zwei Untersuchungsperioden – 2006-2012 und 2017 – durchgeführt.

Die Ergebnisse waren eindeutig: Während des gesamten Studienzeitraums zeigten 99 % der behandelten Pferde, die für Nachuntersuchungen zur Verfügung standen, keine nachteiligen klinischen Anzeichen oder entwickelten Anomalien der restaurierten Zähne, die bei einer oroskopischen Untersuchung feststellbar waren. Bei den erneut untersuchten Pferden zeigte sich bei 83 % der Restaurationen ein minimaler oder kein Verlust des Restaurationsmaterials, wobei die okklusale Oberflächenabnutzung sichtbar vergleichbar mit anderen benachbarten Oberkieferzähnen war. Die statistische Analyse zeigte, dass der Erfolg des Verfahrens mit dem verwendeten Restaurationsmaterial, der Restaurationstechnik und dem zum Zeitpunkt der Restauration vorhandenen Kariesgrad zusammenhing (Grad 3 ist erfolgreicher als Grad 2).

Das Resümee der AutorInnen war daher klar positiv: „Die Wiederherstellung von Infundibula bei Pferden mit Materialien, die für die menschliche Zahnheilkunde entwickelt wurden, einschließlich fließfähiger Harzkompositmaterialien, ist ein sicheres und langlebiges Verfahren und scheint die Entwicklung weiterer pathologischer Veränderungen, einschließlich apikaler Infektionen und Zahnfrakturen, zu verhindern.“

Die WissenschaftlerInnen wiesen aber auch darauf hin, dass das Füllen von Infundibula eine umfassende Ausbildung in der Veterinär- und Zahnmedizin von Pferden sowie in der Technik selbst erfordert: Ärzte sollten auch in der Lage sein, ideale Kandidaten basierend auf dem Schweregrad der infundibulären Karies und den damit verbundenen Risiken zu identifizieren, wenn sie unbehandelt bleiben.

Die Studie „Long-Term Follow-Up of Restorations of Equine Cheek Teeth Infundibula (2006-2017)" von Christopher J. Pearce und Nicky Brooks ist am 14. Jänner 2022 in der Zeitschrift ,Frontiers in Veterinary Science' erschienen und kann in englischer Zusammenfassung hier nachgelesen werden.

Kommentare

Bevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...
Zur Übersichtzurück weiter

 
 
ProPferd.at - Österreichs unabhängiges Pferde-Portal − Privatsphäre-Einstellungen