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FPÖ fordert berittene Einheiten zur Grenzsicherung
04.04.2017 / News

Der Einsatz berittener Kräfte zur Grenzsicherung hätte erhebliche Vorteile, so Landeshauptmann-Stellvertreter Johann Tschürtz.
Der Einsatz berittener Kräfte zur Grenzsicherung hätte erhebliche Vorteile, so Landeshauptmann-Stellvertreter Johann Tschürtz. / Foto: Fotolia/fritzmax

Die FPÖ hat vorgeschlagen, berittene Einheiten von Polizei und Bundesheer beim Grenzschutz einzusetzen – doch die Entscheidung darüber liegt bei der Bundesregierung.

 

Am Montag (3. April 2017) hat Landeshauptmann-Stellvertreter und Obmann der FPÖ Burgenland, Johann Tschürtz, seinen überraschenden Plan vorgestellt: Künftig sollen berittene Einheiten von Polizei und Bundesheer an der Grenze patroullieren und damit zu einer deutlichen Erhöhung der Grenzsicherheit beitragen, so Tschürtz. Speziell für die Aufgaben des Grenzschutzes brächte der Einsatz von berittenen Polizisten und Soldaten erhebliche Vorteile: „Durch die erhöhte Sicht lässt sich das zu beobachtende Areal besser überblicken - oder auch die Geländegängigkeit. Das ist natürlich auch so zu betrachten, dass es hier einen psychologischen Faktor gibt. Denn durch den beruhigenden Faktor Tier können Menschen dann natürlich auch gewaltlos bleiben“, so der burgenländische FPÖ-Obmann gegenüber dem ORF.

Für den Anfang stellt sich Johann Tschürtz eine Truppe von ungefähr 20 Pferden vor, die Kosten dafür schätzte er auf ca. 100.000,– Euro. Für die Realisierung des Projekts könnten die Ressourcen der Theresianischen Militärakademie in Wr. Neustadt genutzt werden, die „derzeit noch" zur Verfügung stehen, so Tschürtz. Die Reitausbildung an der MilAk ist nach einer Entscheidung des damaligen Verteidigungsministers Gerald Klug eingestellt worden – die ehemals 30 Militärpferde sind großteils verkauft, vorhanden ist im Wesentlichen noch die Infrastruktur und natürlich das Know-how, das quasi wieder reaktiviert werden könnte.

Der Haken an der Sache: Die FPÖ hat diesbezüglich keine Entscheidungskompetenz – die liegt ausschließlich bei der Regierungskoalition von SPÖ und ÖVP und den von ihnen geführten Ministerien, sprich: dem Innenministerium, das für die Polizei zuständig ist, sowie dem Verteidigungsministerium, das für berittene Soldaten entscheidungsbefugt wäre. Das ist auch Johann Tschürtz klar, der zudem zugab, den Vorschlag nicht mit seinem burgenländischen Koalitionspartner SPÖ abgesprochen zu haben. Man wolle daher das Thema über die Bundes-FPÖ in den Nationalrat bringen, so Tschürtz.

Ob es tatsächlich zum Aufbau einer berittenen Polizei- bzw. Bundesheer-Einheit kommt, steht somit in den Sternen. Noch vor drei Jahren hätte man einer solchen Idee wohl nur minimale Chancen auf eine Realisierung eingeräumt – doch die Zeiten haben sich angesichts der herrschenden Flüchtlingskrise geändert: Viele einstmals unverrückbare ideologische Positionen der Parteien gelten angesichts der politischen und gesellschaftlichen Realität längst als überholt. Man wird bald erfahren, ob auch das langjährige ideologische „Tabu-Thema" berittene Polizei dazugehört (siehe unten).

Dass berittene Kräfte beim Grenzschutz wertvolle Dienste leisten könnten und motorisierten Einheiten in vielerlei Hinsicht überlegen wären, hat ProPferd-Autor Martin Haller bereits vor einem Jahr in einem ausführlichen Gastkommentar dargelegt – sehr lesenswert!


Ein Blick in die Geschichte
Die letzte berittene Polizeieinheit in Wien wurde 1950 mittels Erlass des Innenministeriums aufgelöst, also vor mittlerweile 67 Jahren. Zur Gründung einer neuen berittenen Polizei in Wien ist es – trotz mehrmaliger Anläufe – nie gekommen. Anfang der 90er Jahre gab es den wohl ernsthaftesten Versuch, als der damalige Bürgermeister Helmut Zilk auf der Donauinsel berittene Polizisten einsetzen wollte. Doch Polizei und Innenministerium legten sich quer. Auch die Gründung einer Reiterstaffel im Prater wurde mehrfach diskutiert und wieder verworfen. Offiziell waren stets die hohen Kosten einer solchen Staffel das gewichtigste Gegenargument – doch wie die Zahlen aus Hamburg verdeutlichen, halten sich die durchaus in überschaubaren Grenzen.
In Wahrheit stand aber wohl stets ein anderer Grund dahinter – der Journalisten auch unter vorgehaltener Hand bestätigt wurde: In Wien könne es nach den Ereignissen von 1927 einfach nie wieder berittene Polizisten geben. In Wien kam es am 15. Juli 1927 zum sogenannten Justizpalastbrand: Nach dem von vielen als skandalös empfundenen Schattendorfer Urteil hatte eine wütende Menge den Justizpalast angegriffen und in Brand gesetzt, Polizisten – darunter auch berittene Einheiten – gingen massiv gegen die Demonstranten vor und schossen in die Menge, es gab 89 Todesopfer unter den Zivilisten und fünf tote Polizeibeamte. Die Ereignisse des Jahres 1927 waren ein blutiger Vorbote auf den Bürgerkrieg 1934 – die Bilder der berittenen Polizisten, die gegen demonstrierende Arbeiter vorgehen, hatten sich aber tief in die Erinnerung sozialdemokratischer Politiker und Funktionäre eingegraben.

Beim österreichischen Bundesheer gab und gibt es seit jeher Pferde – wenngleich mit dem Ende der Reitausbildung an der Theresianischen Militärakademie 2015 eine mehr als 260-jährige Kavallerie-Tradition zu Ende ging. Was es weiterhin gibt sind die sogenannten Tragtierstaffeln, die 2007 im Tragtierzentrum Hochfilzen in Tirol zusammengeführt wurden.  Hauptaufgabe des Tragtierzentrums ist das Unterstützen der Truppe durch den Transport von Waffen, Munition, Verpflegung und anderen Versorgungsgütern. Aber auch die Ausbildung der Tiere und der Tragtierführer erfolgt in Hochfilzen. Das Zentrum verfügt lt. Website des Bundesheers zur Zeit über 52 Tragtiere – durchwegs Haflinger – und entsprechende Infrastruktur. 20 Berufssoldaten und 45 Grundwehrdiener verrichten dort ihren Dienst. Im Gegensatz zu Fahrzeugen können die Haflinger problemlos in hochalpinem Gelände und abseits von Wegen und Straßen Transportaufgaben übernehmen. Die Pferde können dabei Lasten von mehr als 100 Kilogramm tragen und pro Tag bis zu 100 Kilometer zurücklegen. Einsätze von bis zu 16 Stunden sind möglich. Ihr Einsatz hat also – anders als beim früheren Reitausbildungszug an der MilAk – weniger mit Traditionspflege als mit militärischer Notwendigkeit zu tun.

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