Die sogenannte Graskrankheit (Equine Grass Sickness, EGS) ist eine gefährliche Nervenerkrankung bei Pferden, deren genaue Ursache bislang unbekannt war. Nun hat ein internationales Forscherteam den wahrscheinlichen Auslöser identifiziert – ein „bedeutender Durchbruch“ für verbesserte Diagnosen und neue Behandlungen, so die AutorInnen.
Internationale ForscherInnen haben die wahrscheinliche Ursache der Graskrankheit bei Pferden (Equine Grass Sickness = EGS) identifiziert: In einem Leitartikel des ,Equine Veterinary Journal’ unterstreicht Autor Prof. Bruce McGorum die Bedeutung der nunmehr vorgelegten Studie und hebt insbesondere auch deren künftige Auswirkungen hervor. Die Ergebnisse legen nahe, dass ein Neurotoxin, das in seiner Wirkung bestimmten Schlangengiften ähnelt, aber von Weidemikroben produziert wird, der mutmaßliche Übeltäter ist. Dieser Durchbruch könnte den Weg für neuartige Behandlungen und verbesserte Diagnosen dieser schlimmen Krankheit ebnen, so Prof. Bruce McGorum.
Die Graskrankheit (EGS), in Fachkreisen auch als Equine Dysautonomie bekannt, tritt in den meisten europäischen Ländern nur selten auf, ist aber in Großbritannien sowie einigen Regionen Südamerikas eine der häufigsten Todesursachen bei Pferden und Ponys, wobei mehr als 80 % der Fälle tödlich verlaufen.
EGS wurde erstmals vor über 100 Jahren in Schottland diagnostiziert und ´schädigt das autonome Nervensystem, das unwillkürliche Körperfunktionen steuert, mit besonders schwerwiegenden Auswirkungen auf den Magen-Darm-Trakt. Die klinischen Symptome reichen von Depressionen, Schwierigkeiten beim Essen und Schlucken über Gewichtsverlust bis hin zu Magenreflux, Bauchschmerzen und Tod. Die Krankheit verursacht eine schnelle Degeneration der Nerven, was zu einer Lähmung des Magen-Darm-Trakts und anderen systemischen Auswirkungen wie Muskelschwäche, herabhängenden Augenlidern, übermäßigem Speichelfluss, Schwitzen und Muskelzittern führt.
Da es derzeit keine wirksame Behandlung für die schwersten (akuten und subakuten) Formen der Krankheit gibt, werden Pferde aus humanitären Gründen eingeschläfert, normalerweise innerhalb von 24 bis 48 Stunden nach Auftreten abnormaler Symptome. Im Gegensatz dazu können bis zu 50 % der Pferde mit der leichten (chronischen) Form der Graskrankheit mit intensiver Pflege und unterstützender Betreuung überleben.
Ein internationales Forscherteam des Dick Vet Equine Hospital (The Royal Dick School of Veterinary Science, University of Edinburgh), der Newcastle University, dem Istituto Zooprofilattico Sperimentale delle Venezie und der Universität Padua konnte nun bedeutende Fortschritte bei der Identifizierung des für EGS verantwortlichen Neurotoxins vermelden: Mithilfe von Elektronenmikroskopie untersuchten sie postmortale Proben von Pferden mit EGS und verglichen sie mit Kontrollproben. Ihre Ergebnisse zeigten, dass 72,2 % der neuromuskulären Verbindungen (NMJs) bei von EGS betroffenen Pferden eine abnormale Morphologie aufwiesen, verglichen mit nur 6,9 % bei Kontrollpferden.
Diese Anomalien stellen vermutlich eine toxinspezifische Signatur für ein neurotoxisches Enzym namens Phospholipase A2 dar. Dieses Enzym stört die mikroskopischen Kommunikationsstellen zwischen Nerven und Muskeln (NMJs), die für eine normale Muskelfunktion entscheidend sind.
Laufende Arbeiten zielen darauf ab, die Quelle dieses Toxins endgültig zu identifizieren. ForscherInnen vermuten, dass es von einem Mikroorganismus wie einem Bakterium oder Pilz produziert wird, der auf Weiden während der kalten und trockenen Wetterbedingungen gedeiht, die normalerweise Ausbrüchen von EGS vorausgehen.
Interessanterweise finden sich neurotoxische Phospholipase-A2-Enzyme auch im Gift vieler Giftschlangen. Obwohl Giftschlangen nicht an EGS beteiligt sind, hoffen Forscher, dass Medikamente, die bislang zur Behandlung von Nervenschäden bei Schlangenbissopfern dienen bzw. dafür entwickelt werden, möglicherweise auch die Nervenregeneration und Genesung bei Pferden mit Graskrankheit unterstützen könnten.
Prof. Bruce McGorum wörtlich „Die Identifizierung einer wahrscheinlichen Ursache für die Graskrankheit bei Pferden stellt einen bedeutenden Durchbruch dar. Wir hoffen, dass diese Entdeckung zu neuen Behandlungsmethoden und verbesserten Diagnosemöglichkeiten für diese verheerende Krankheit führt. Wir sind sehr dankbar für die großzügige Unterstützung, die wir von Pferdebesitzern, Tierärzten, Wissenschaftlern, Wohltätigkeitsorganisationen und Fördereinrichtungen erhalten haben.“
Und er fuhr fort: „Weitere Arbeiten zur Bestimmung der Quelle dieses Neurotoxins sind im Gange; es wird wahrscheinlich von einem Mikroorganismus wie einem Bakterium oder Pilz produziert, der während des kalten und trockenen Wetters, das der Krankheit vorausgeht, auf der Weide des Pferdes wächst.“
Diese Entdeckung stellt einen „bedeutenden Fortschritt" im Verständnis der Graskrankheit bei Pferden dar, so die AutorInnen weiter. Durch die genaue Bestimmung der wahrscheinlichen Ursache können sich die ForscherInnen nun auf die Entwicklung wirksamer Behandlungen und Präventionsstrategien konzentrieren. Fortschritte bei der Identifizierung der Quelle des Toxins und der Erforschung therapeutischer Eingriffe zur Nervenregeneration bieten Hoffnung, die Auswirkungen dieser verheerenden Krankheit zu verringern.
Den Leitartikel „Neurotoxic phospholipase A2: A proposed cause of equine grass sickness and other animal dysautonomias (multiple system neuropathies)“ von McGorum, B., Pirie, R.S., Bano, L., Davey, T., Harris, J. and Montecucco, C. (2025), erschienen im ,Equine Veterinary Journal’ 57, S. 11-18, kann man hier nachlesen.
Die Studie „Equine grass sickness is associated with major abnormalities in the ultrastructure of skeletal neuromuscular junctions“ von McGorum BC, Davey T, Dosi MCM, Keen JA, Morrison LR, Pirie RS und Shaw DJ, Harris JB ist im ,Equine Veterinary Journal’ 57 (2025) erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.