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Die Fälle des Dr. K: Mängelrüge bei Sätteln - drei strittige Fälle
05.11.2022 / News

Der Sattel ist das wichtigste Bindeglied zwischen Pferd und Reiter – und sollte im Idealfall für beide optimal passen. Leider ist dies aber – auch wenn viel Geld für den Sattel ausgegeben wurde – nicht immer der Fall, wie drei Beispiele aus der Praxis von Gutachter Dr. K. zeigen ...

 

Hintergrund: Mängelrüge
Bei Geschäften zwischen Unternehmerinnen/Unternehmern muss die Käuferin/der Käufer die Ware nach Erhalt untersuchen und allfällige Mängel „binnen angemessener Frist“ bei der Verkäuferin/beim Verkäufer rügen,  andernfalls gehen ihre/seine Ansprüche (z.B. auf Gewährleistung, auf Schadenersatz etc.) verloren.
Auch wenn sich ein Mangel erst später zeigt, muss er der Verkäuferin/dem Verkäufer „binnen angemessener Frist“ angezeigt werden, ansonsten können die Ansprüche nicht mehr geltend gemacht werden.

(Internet: Letzte Aktualisierung: 27. April 2022
Für den Inhalt verantwortlich: oesterreich.gv.at-Redaktion)
 
Die Mängelrüge ist ein Rechtszug, mit dem der Erwerber eines Pferdes oder einer Sache (Kutsche, Sattel usw.) bekannt gibt, dass in seinen Augen grundlegende oder zugesicherte Eigenschaften des Tieres oder der Sache nicht vorhanden sind. Kommt es in der Folge zu keiner Einigung oder Verbesserung, sondern zu einem Rechtstreit, wird meist ein Gutachter beigezogen und vom Gericht bestellt, der nach gerichtlichem Gutachtensauftrag zu untersuchen hat, ob übliche oder zugesicherte Eigenschaften tatsächlich nicht vorliegen bzw. Mängel vorhanden sind, die zum Zeitpunkt der Übergabe – wenn auch nur in ihrer „Wurzel“ – vorhanden waren.
 
 
FALL 1
                                                          
Sachverhalt des vorliegenden Rechtsfalles
Die klagende Partei bestellte bei der beklagten Partei den „halb-maßgefertigten“ Sattel der Type EP, der am 10.07.201X vom Beklagten geliefert wurde. Bereits zu diesem Zeitpunkt passte der Sattel in den Augen der klagenden Partei nicht, weshalb er – nach Angaben der klagenden Partei - dem Beklagten zur Korrektur übergeben wurde, und (danach) neuerlich geliefert worden ist.
Im Spätherbst erfolgte ein Bereiter-Wechsel für das Pferd, danach wurde festgestellt, dass der Sattel unbrauchbar ist und ständig nach hinten und zur Seite kippt.
Über eine Beeinträchtigung des Pferdes wird in der Klage nichts erwähnt.
 
Gerichtlicher Gutachtensauftrag
1.    War der Sattel „EP“ Nr.180492273DXX zum Zeitpunkt der Übergabe sowohl für das Pferd als auch die Bereiterin B. S. passend?
2.    Wies der Sattel „EP“ Nr.180492273DXX zum Zeitpunkt der Übergabe sonstige Mängel auf, ausgehend davon, dass dieser am Pferd A von der Bereiterin B. S. verwendet wurde? Wenn JA, sind diese Mängel behebbar?
3.    War der Sattel „EP“ Nr.180492273DXX zum Zeitpunkt der Übergabe dahingehend mangelhaft, dass es zu einem nach hinten bzw. zur Seite Kippen kam, ausgehend davon, dass dieser am Pferd A von der Bereiterin B. S. verwendet wurde?
4.    Das Gericht trug auf, dass die Zeugin B. S. von den Parteienvertretern zur Befundaufnahme stellig zu machen ist.
5.    Das Gericht trug auf, dass kurze Ergänzungen - ohne Rücksicht auf den gerichtlichen Auftrag – vom Sachverständigen in eigener Sphäre zu beantworten sind.
 
 
Befundaufnahme durch den bestellten Sachverständigen
*Befunde bilden die Grundlage eines seriösen Gutachtens
* Befunde werden erhoben aus dem Gerichtsakt, aus Parteien- und Zeugenaussagen, aus Dokumenten und aus Befundaufnahmen an Ort und Stelle, an Gegenständen, an Tieren usw.
* Sachverständige können Parteien oder Zeugen nicht „vernehmen“, sondern müssen sie „ergänzend und informativ befragen“.
* Da Sachverständige nicht „vernehmen“, unterliegen Auskunftspersonen nicht der Wahrheitspflicht.
* Die Befragung von Zeugen anlässlich eines Befundaufnahmetermins durch Sachverständige muss vom erkennenden Gericht angeordnet werden.
* Zu einem Befundaufnahmetermin müssen klagende und beklagte Partei – jeweils mit Rechtsvertretung – Zugang haben.
* Eine Befundaufnahmetermin kann mit oder ohne Richterin/oder Richter durchgeführt werden, ist das „Gericht“ nicht anwesend, führt die/der Sachverständige die Leitung.
 
Benötigter Beeidungsumfang für die Gutachtenerstattung im vorliegenden Fall
11.01: Klinisch-forensische Veterinärmedizin
05.35: Reiten und Pferdesport im Allgemeinen
33.08: Pferde: Produkte, Zubehör

 

Befunde

Befundaufnahme durch Dr. K.:
Der SV erläuterte den Gutachtensauftrag und seine beabsichtigte Vorgangsweise, nämlich zuerst das verfahrensgegenständliche Pferd und den Sattel zu begutachten und anschließend eine ergänzende informative Befragung durchzuführen.
Weiters wird bekannt gegeben, dass während der Befundaufnahme fotografiert und gefilmt wird – dagegen werden keine Einwände erhoben.

Die Zeugin S. erklärt sich bereit, das Pferd mit dem verfahrensgegenständlichen Sattel zu reiten, der Kläger hat aber eine „eigene“ Reiterin mitgebracht. Unter Hinweis des SV auf den Gutachtensauftrag – nämlich, dass die Passform des Sattels für die Zeugin S. auf dem Pferd A das eigentliche Thema ist – erklärt sich der Kläger bereit, zuzulassen, dass die Zeugin S. reitet. Es wird sodann vom SV festgelegt, dass beide Amazonen das Pferd mit dem verfahrensgegenständlichen Sattel vorreiten, jedoch die Zeugin S. den Anfang macht.

 

Zuvor demonstrierte die beklagte Partei, wie sie die Erhebung der relevanten Maße an der Zeugin B. S., an deren Körper der gegenständliche Sattel angepasst worden ist.
Die beklagte Partei wurde vom SV ersucht, zu zeigen, wie die zur Auswahl und Anpassung an die Reiterin erheblichen Daten gewonnen wurden. Die erhobenen Maße ließen sich mit den Aufzeichnung am Datenmessblatt, von dem der Beklagte eine Kopie erstellt hatte, in Deckung bringen.

 

An Hand des Datenmessblattes wurden auch die, auf das Pferd bezogenen Maße überprüft.
Im Anschluss an die Befundaufnahme am Boden wurde der Wallach A gesattelt und eine Überprüfung der Lage des Sattels mit der üblicherweise verwendeten Satteldecke durchgeführt. Der Sattelgurt kam aus dem Equipment des Klägers. Daran anschließend wurde die Sattelunterlage entfernt und die dem Pferd zugewandte Seite des Sattels mit weißer Schulkreide flächig bestrichen und dann der Sattel vorsichtig dem Pferde aufgelegt. Sodann wurde das gesattelte Pferd in die Reithalle geführt und dort zuerst von der Zeugin S. und dann von der, von der klagenden Partei gestellten Reiterin vorgeritten. Diese Ritte wurden per Video dokumentiert – die Videoaufzeichnungen werden zum Bestandteil dieses GA erhoben. 
Das Pferd wurde jeweils in allen GGA und beim Rückwärtsrichten vorgestellt. Kommentare der Reiterinnen wurden erst zu Ende des zweiten Rittes abgegeben.
Die von der klagenden Partei gestellte Reiterin gab als Kommentar zunächst an, dass ihr nichts Besonderes aufgefallen sei. Sie würde sich den Sattel mit einem etwas höheren Hinterzwiesel wünschen. Schwierigkeiten in der Balance (zur Seite Kippen) hatte sie „eher nicht“.
Die Zeugin B. S. gab an: Keine besonderen Auffälligkeiten.
Im Anschluss wurden die Abdrücke der Kreide in der Sattellage des Pferdes dargestellt. Die Auflage des Sattels war in allen relevanten Teilen vorhanden.

 

 

Beim Abtasten des Rückens durch den SV fiel die völlige Empfindungslosigkeit auf. Der Kläger gab dazu an, dass vor Kurzem durch Dr. H. der Rücken „eingespritzt“ worden ist. Befragt nach dem Grund dafür, gab der Kläger an: „Weil der Sattel nicht passt und das Pferd daher verspannt ist.“[zit.]
Auf Vorhalt, dass der verfahrensgegenständliche Sattel nach seiner eigenen Angabe nicht mehr benützt worden wäre, gibt der Kläger an, dass „beim Springen der Sattel noch immer benützt worden wäre.“ Auf Nachfrage räumte der Kläger ein, dass der Sattel auch nach dem Reiterwechsel noch immer benützt worden ist – „ein paar Mal.“[zit.]
Die Sattellage des Pferdes wurde nach Angabe des Klägers „letzten Donnerstag“ (d.i. vor 5 Tagen) infiltriert.
 
Festgehalten wird, dass das Aufsatteln durch den Kläger fehlerbehaftet war, was die Verwendung der Gurtstrupfen anlangt, es wurde nämlich jeweils die erste und letzte Strupfe verwendet, womit die Möglichkeit, den Sattel der Körperform des Pferdes anzupassen, nicht ausgenutzt wurde und außerdem, dass die Schnallenschoner nicht ausgestrichen waren. Letzteres ist für die aufgezeigten Lederschäden am Sattel verantwortlich.
 
Vom beauftragten Sachverständigen über den Charakter der ergänzenden, informativen Befragung aufgeklärt, nämlich dass dem SV gegenüber keine Wahrheitspflicht besteht, aber das Gericht die Angaben zur Aussage erheben kann,  geben - ergänzend und informativ - befragt, folgende Personen freiwillig und im Beisein der intervenierenden Rechtsvertreter an:
 
Klagende Partei:
–   A ist seit 6 Jahren in seinem Eigentum.
–  Über mehrfaches Befragen: Technische Mängel werden am Sattel nicht gerügt, sondern nur, dass er zur Seite und nach hinten kippt.
–  Der Kläger selbst war in die „Sattelsache“ nur insoweit involviert, als er den Sattel bezahlt hat. Seine Vorbringen basieren auf den Aussagen seines Bereiters, nicht auf eigener Sachkenntnis oder Erfahrung.
–  Das verfahrensgegenständliche Pferd wird auch auf Turnieren vorgestellt. Eine nicht zufriedenstellende Turnierteilnahme im November 201x führte zum Reiterwechsel.
–  Die in der Rechnung von Tierarzt Dr. H.  angeführte Blutuntersuchung konnte nicht ausgewertet werden, weil das Wochenende dazwischenkam.
–  Der Kläger war bei der Übergabe des neuen (verfahrensgegenständlichen) Sattels nicht zugegen.
–  Zur Behandlung der Knoten in der Sattellage wurden im Herbst 201x
2 Dosen Equisolon Plv. © verbraucht.
 
Beklagte Partei:
–  Die Übergabe des verfahrensgegenständlichen Sattels fand am 10.07.201x statt.
–  Ein Proberitt fand bei der Übergabe nicht statt.
–  Eine Beanstandung des verfahrensgegenständlichen Sattels fand bei der Übergabe nicht statt, weder vom Kläger noch von der Zeugin S.
–  Bei den Kontrollterminen am 24.07. und 19.11.201x gab es keine Beanstandungen. Die Knoten in der Sattellage sind dem Beklagten nicht aufgefallen bzw. erinnerlich. Der Kläger war nicht dabei – Knoten in der Haut der Sattellage waren kein Thema.
–  Die Lieferung umfasste den Sattel ohne Gurt.
–  Bei der Lieferung wurde an Ort und Stelle   der Sattel im unteren Kammer- bzw. Schulterbereich mit Wolle etwas aufgepolstert.
–  Der Sattel war ein „Halb-Maßsattel.“
 
Zeugin B. S.; ehemalige Bereiterin der klagenden Partei:
–  Sie war von November 201x  ein Jahr lang für den Kläger tätig.
–  Die Trennung erfolgte auf Grund einer unbefriedigenden Turnierteilnahme mit A  im Herbst 201x.
–  Anfang 201x entstand der Wunsch nach einem neuen Sattel – die Zeugin war die „V-Person“ zum Beklagten. Der Wunsch entstand deshalb, weil der, zu dieser Zeit in Verwendung befindliche Sattel der Zeugin zu groß war.
–  Der verfahrensgegenständliche Sattel kam nach Verwendung einiger „Probesättel“ in die nähere Auswahl und wurde dann - in den Maßen der Zeugin angepasst – vom Kläger bestellt.
–  Mit dem Zurückschneiden des Sattelblattes wurde der vorgefertigte Sattel auf die Körpermaße der Zeugin individuell angepasst und geliefert.
–  Die Zeugin hat den Sattel am 10.07.201x übernommen, der Kläger bezahlte ihn. Dabei wurde der neue Sattel dem Pferd angepasst. Ob zu diesem Zeitpunkt das Pferd mit dem neuen Sattel auch geritten wurde, ließ sich nicht abschließend klären.
–  Die Zeugin benützte in der Folge ausschließlich und durchgehend den verfahrensgegenständlichen Sattel, bis sie sich vom Kläger trennte; in dieser Zeit machte sie keine negativen Feststellungen.
–  Die erste Mängelrüge kam erst, nachdem ein Bereiter-Wechsel stattfand, die Zeugin selber hatte während der gesamten Zeit, in der sie für den Kläger tätig war, keine Probleme mit dem Sattel.
–  Sie ist in dieser Zeit 4 – 5 Mal pro Woche auf A geritten.
–  Die aufgezeigten Knoten in der Sattellage stammten von der Verwendung des vorhergehenden Sattels. Nach Behandlung und bei Verwendung des verfahrensgegenständlichen Sattels sind die Knoten verschwunden.
–  Vor dem letzten Turnier, dessen unbefriedigender Verlauf letztendlich zur Trennung vom Kläger geführt hat, hat sie bereits darauf hingewiesen, dass das Pferd nicht gesund wäre. „Das Pferd ist nicht weggekommen, nicht in die Luft gekommen.“[zit.]
–  Das Turnier dauerte drei Tage, die „Performance“ des Pferdes wurde von Tag zu Tag schlechter.
–  In der Zeitspanne, in der die Zeugin das Pferd unter Beritt hatte, war ein „Einspritzen“ des Rückens nicht notwendig.
 
Der Beklagtenvertreter spricht abschließend das „Benützungsentgelt“ für den Sattel an. Ein diesbezüglicher Gutachtensauftrag liegt nicht vor, weil behauptet worden ist, dass der Sattel nicht mehr verwendet worden wäre, der Kläger hat nunmehr andere Angaben gemacht.
 
Am Ende der Befundaufnahme wurden die Streitparteien und deren Rechtsvertreter befragt, ob seitens des SV erschöpfend befragt und befundet worden ist oder ob weitere diesbezügliche Wünsche bestehen. Weitere Fragen oder Ergänzungen wurden nicht angeregt.
 
 
Sachverständige Fallanalyse durch Dr. K.:
 
Befunde für die Schlussfolgerungen
 
–  Der verfahrensgegenständliche Sattel ist ein sog. Halb -Maßsattel, dessen Sattelblatt auf die individuellen Maße der Zeugin S. abgestimmt ist.
–  Die Zeugin S. ritt mit diesem Sattel vom Zeitpunkt seiner Übergabe am 10.07.201x bis zu ihrem Ausscheiden aus den Diensten des Klägers ein Jahr später.
–  Während dieser Zeit hatte sie beim Beritt von A ausschließlich diesen Sattel in Verwendung.
–  Die gerügten Eigenschaften, nämlich nach hinten und zur Seite kippen, konnte sie weder in diesem Zeitraum noch beim Vorreiten im Rahmen der SV- Befundaufnahme nachvollziehen.
–  Technische oder Fertigungsfehler werden beim verfahrensgegenständlichen Sattel nicht ins Treffen geführt.
–  Bei der Übergabe des Sattels am 10.07.201x war der Kläger nicht persönlich anwesend. Der Beklagte führte letzte Adaptationen mittels Sattelwolle durch.
–  Bei den Sattelkontrollen durch den Beklagten sind Mängelrügen durch den Kläger nicht nachvollziehbar.
–  Zum Zeitpunkt der Befundaufnahme durch den bestellten SV macht der Sattel einen ziemlich gebrauchten Eindruck und ist teilweise beschädigt.
–  Der Kläger räumt ein, dass der Sattel auch nach der erfolgten Mängelrüge immer wieder in Verwendung war.
 

Gutachten i.S. des Gutachtensauftrages
 
Zu 1.: Gutachten:
Es konnten seitens des bestellten Sachverständigen keine Befunde erhoben werden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit den Rückschluss zuließen, dass der verfahrensgegenständliche Sattel bei seiner Übergabe der Bereiterin B. S. oder dem Pferde A nicht gepasst hätte.
 
Zu 2.: Gutachten:
Sogenannte „sonstige Mängel“ wurden und werden von der klagenden Partei nicht vorgebracht und konnten auch vom Sachverständigen im Zuge der Befunderhebung nicht festgestellt werden. Es ist daher davon auszugehen, dass der verfahrensgegenständliche Sattel zum Zeitpunkt der Übergabe mit hoher Wahrscheinlichkeit keine „sonstigen Mängel“ aufgewiesen hat.
 
Zu 3.: Gutachten:
Weder aus den Angaben der Zeugin S. bei der ergänzenden informativen Befragung noch aus den Mitteilungen der Reiterin, die vom Kläger bei der Befundaufnahme gestellt worden ist, noch durch Analyse der Videoaufzeichnungen konnten Befunde gewonnen werden, die ein Kippen des Sattels nach hinten oder zur Seite anzunehmen berechtigen würden.
Es ist daher davon auszugehen, dass ein Mangel „nach hinten und zur Seite Kippen“ zum Zeitpunkt der Übergabe bei Verwendung des Sattels durch die Zeugin S. am Pferde A mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vorhanden war.
 
Der Ordnung halber ist die fachliche Bemerkung angebracht, dass Abweichungen des Reiters infolge Reiterwechsels im Hinblick auf Körpergewicht, Körpergröße und Reitstil  jedoch derartige Phänomene auf Basis physikalischer Naturgesetze auslösen können.
Pferd, Sattel und Reiter sind dynamische System, der Sattel dient als „Bandscheibe“ zwischen Reiter und Pferd.

 
Nach Kenntnisstand des SV Dr. K. wurde die Klage abgewiesen.

 
Die forensische Relevanz zum Thema (Quelle: www.pferd.co.at/Downloads
 
§ 922 ABGB : Gewährleistung: Haftung für
bedungene oder gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaften
– Verwendung der Natur des Geschäftes gemäß
– Verwendung der Verabredung gemäß

 
Forensische Relevanz:
–  Der Sattel konnte gemäß der, einem solchen Auftrag innewohnenden Voraussetzung ordnungsgemäß verwendet werden.
–  Sowohl das zuzuordnende Pferd, vielmehr aber noch eine ReiterIn hinterlassen auf dem Sattel ihren individuellen „Fingerabdruck“.
–  Ein gut eingesessener Sattel passt nicht zwingend einem anderen Reiter, auch wenn  er auf demselben Pferd verwendet wird.
 
(Der wissenschaftlich-veterinärmedizinische Stand dieses Gutachtens entspricht dem Jahre 2019)

Erstellt 06.10.2022
 
 
FALL 2

Sachverhalt des vorliegenden Rechtsfalles
Die klagende Partei erwarb im Jänner und März 201x von der beklagten Partei zwei Markensättel und bezahlte dafür in Summe € 7300.00. Für die erworbenen Sättel ist – so die Klage – der Beklagte der einzig zugelassene Vertragshändler, weshalb Anpassungsarbeiten an den Sätteln nur durch ihn vorzunehmen sind. Seitens der Klägerin wird angeführt, dass die beiden Sättel, obwohl sie vom Beklagten nach jeweiliger Vermessung als passend befunden worden sind, von Anfang an nicht auf die beiden Pferde gepasst hätten und auch eine vertraglich verpflichtende Anpassung nicht vorgenommen worden ist. Bei einem der beiden Pferde entwickelte sich in der Folge sogar ein Muskelschaden.

Mit Urteil vom 30.08.20XX wurde vom Erstgericht das Klagebegehren im Falle von Sattel 1 und Pferd 1 abgewiesen, während das Berufungsgericht mit Entscheidung vom 12.03.20XX der Berufung zu Pferd 2 und Sattel 2 teilweise Folge gab.
Die Feststellungen des Berufungsgerichtes führte zu einer Fortsetzung des Verfahrens mit Schwerpunkt Pferd 2 und Sattel 2. (Fall 3)

 

Gerichtlicher Gutachtensauftrag:
 
–  Wurden die klagsgegenständlichen Sättel 1 und 2 von der beklagten Partei für die Pferde der klagenden Partei namens 1 und 2 richtig angepasst und waren diese für diese Pferde geeignet?

–  Erfolgte eine ordnungsgemäße Vermessung durch die beklagte Partei insbesondere bei Berücksichtigung der Vermessungs-Skizzen Beilagen ./5 und ./6?

–  Erfolgte eine fachgerechte Anpassung der Sättel beim Verkauf?

– Hätten die Sättel danach während der Nutzung adaptiert werden müssen?

–  Ist es branchenüblich, dass regelmäßige Anpassungen im Kaufpreis des Sattels inkludiert sind?

–  Können die E© – Messungen Beilage ./C und ./E darüber Auskunft geben, ob die Sättel zum Übergabezeitpunkt richtig angepasst waren?

–  Ist eine muskuläre Schädigung am Rücken des Pferdes1 darauf zurückzuführen, dass der von der beklagten Partei verkaufte Sattel ungeeignet war bzw. nicht ordnungsgemäß angepasst worden war?

–  Welche Rolle spielen allfällige Vorschäden (z.B. kissing spines, Schiefe) des Tieres?

–  War die Zugabe der Zusatznahrung „Equitop Myoplast“ für den Heilungsprozess notwendig?

–  Sind die Kosten für den Tierarzt und den Chiropraktiker für die Behandlung des Tieres angemessen?
 

 
Allgemeines zum Sattel

Ein Sattel der Bauart wie die hier streitgegenständlichen wird von der Form her als englischer Sattel bezeichnet und besteht aus zwei Elementen:
–  Ein (unsichtbarer) starrer Teil – der sogenannte englische Sattelbaum, bestehend aus Holz oder Kunststoff und Kopf- Eisen.
–  Der sichtbare elastische und flexible Teil – bestehend aus Leder und Sattelwolle

Fotos oben: Nadja Völkl/Die Sattelkammer (www.diesattelkammer.de)

Die flexiblen Teile und die mit der Zeit verformbaren Polsterung (Sattelkissen). Der verfahrensgegenständliche Sattel Nr. 1 wirkt, grobsinnlich betrachtet gerade und symmetrisch.
 
Die grundlegende Form und die Anforderung an die Passform werden zunächst durch Auswahl eines geeigneten Sattelbaums bestimmt. Dieser bekommt dann eine „Hülle“ aus Leder, dessen Polsterung aus Sattelwolle oder Schaumstoff besteht, dieser Anteil des Sattels ist elastisch und flexibel. Die Unterseite des Sattels, also die Polsterung, passt sich sukzessive der Form des Pferderückens an, die obere Seite – die Sitzfläche für den Reiter – passt sich mit der Zeit dem Gesäß des Reiters an.

Veränderung in der Körperform (von Pferd und Reiter) durch Gewichtszunahme oder Gewichtsabnahme, Veränderung der Muskelausbildung an Rücken und Schulter, aber auch altersbedingter Umbau der Körperform bedingen, dass sich der Sattel in der Form verändern kann.

Sowohl Reiter wie auch Pferd drücken einem Sattel den „Stempel“ auf, wobei naturgemäß nur die Lederteile und die Sattelwolle diese Formveränderung nachvollziehen.

Deshalb ist es notwendig, den Sattel von Zeit und zu Zeit neuerlich zu überprüfen bzw. bei Bedarf neu zu polstern oder die „müde“ Sattelwolle auszutauschen.

Die starren Teile des Sattels (Sattelbaum, Kopfeisen oder Ortsspitzen) können brechen. Verändert sich jedoch die „weiche Form“ des Sattels, können die starren Teile durch bewegungsbedingtes Verschieben der Polsterung Druck auf Teile des Pferderückens und der Schulter ausüben: In der Folge entsteht eine Rückenempfindlichkeit und später eine Druckatrophie (im vorliegenden Fall eine „Delle“).
 
Ein Sattel passt:
–  Wenn keine technischen Mängel vorliegen
–   Wenn er im Schwerpunkt liegt und den Reiter im Schwerpunkt sitzen lässt
–  Wenn die Ortsenden/ Ortsspitzen des Sattelbaumes leicht nach außen zeigen bzw. der Schulter genügend Freiheit lassen
–  Wenn die Sattel-Kammer dem Widerrist und der Wirbelsäule genügend Platz lässt
–  Wenn er hinter dem Schulterblatt liegt und die Bewegung der Schulter nicht behindert und
–  das Reitergewicht gleichflächig auf dem Pferderücken verteilt.
[zit. aus „Handbuch der Sattelanpassung“]
 
Sachverständige Fallanalyse
 
Pferd 1
Das verfahrensgegenständliche Pferd weist einen asymmetrischen und schiefen Körperbau in der gesamten Rückenpartie, speziell aber hinter der Brustwirbelsäule, auf. Der Aktenlage ist zu entnehmen, dass dieser Umstand beiden Streitparteien bekannt war und dies auch beim Kauf der Stute schon Thema war. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang die Mitteilung der beklagten Partei, dass die Stute vor dem hier verfahrensgegenständlichen Sattel auf einem Maßsattel (eines anderen Sattelherstellers)  geritten wurde und die „Dellen“ zu diesem Zeitpunkt bereits vorhanden waren und sich mit dem neuen – verfahrensgegenständlichen“ Sattel sogar reduziert haben.
 
Reiten zu Pferde ist ein dynamischer Vorgang, bei dem Reiter, Pferd und Sattel in ständiger Bewegung sind, wobei bei Dressurpferden bei entsprechender Förderung gemäß der Ausbildungsskala und der Forderung einer relativen Aufrichtung insbesondere der Rücken „tätig“ ist.
Dies bedingt, dass der Sattel wie eine „Bandscheibe“ zwischen dem Pferderücken und Reitergesäß verformt wird, was bei schiefen und asymmetrischen Pferden eine kontinuierliche Formveränderung nach einer Seite bewirkt, die ebenfalls zur Schiefe und Asymmetrie des Sattels führt.
Wie der bestellte SV aus über einem halben Jahrhundert der Beschäftigung mit dem Thema weiß, gibt es Pferde, für die auf Dauer kein passender Sattel zu finden ist, weil Schiefe und Asymmetrie im Körperbau auch in der Regel keinen geordneten symmetrischen Bewegungsablauf zulassen. Die klagende Partei im gegenständlichen Fall weist selber auf regelmäßige Taktfehler des Pferdes 1 hin. Viele Reiter arrangieren sich aber mit dem Bewegungsmodus ihres Pferdes – die Sättel verschleißen sich aber regelmäßig sehr schnell – sie passen weder Pferd noch Reiter auf Dauer.
Ein typischer Vorbericht ist, dass ein neuer Sattel zunächst als sehr angenehm und als deutliche Verbesserung beschrieben wird, je nach Intensität des Beritts aber nach 3 bis 6 Monaten die ersten Rückenprobleme beim Pferd – und häufig auch beim Reiter- auftreten.
Im gegenständlichen Fall zeigte sich bei der Befundaufnahme, dass der Kreideabdruck des Sattels Nr. 1 am Rücken von Pferd 1 - bei lose aufgelegtem und leicht angedrücktem Sattel   – eine schiefe und asymmetrische Zeichnung hinterlässt. Im hinteren Bereich drückt das linke Sattelkissen gegen die Dornfortsätze.
Ferner ist zu erkennen, dass der Sattel – nur mit seinem Eigengewicht aufgelegt und angedrückt - auf beiden Seiten den Dornfortsätzen  aufliegt. Im Gegensatz dazu ist im Bericht vom E© Sattelprotokoll zu lesen: Sattel liegt in der Mittel hohl, Brückenbildung.
 
Auf Grund dieses, vom bestellten SV erhobenen Sattelbefundes und des mittelgradigen Schmerzes bei der Rückenpalpation, wurde auf eine weitere und vertiefende Untersuchung unter dem Reiter verzichtet  (Unnötige, vermeidbare  Schmerzen; § 222 StGB)
Ginge es um eine medizinische Diagnose (z.B. als Therapiegrundlage) geht der SV regelmäßig folgendermaßen vor:
–  Besattelung des Pferdes ohne Sattelunterlage >
–  Beritt des Pferdes in allen drei Gangarten für etwa 20 Minuten>
–  Gesattelte Aufstellung des Pferdes unterhalb eines erhöhten Punktes (Heuboden, Balkon)>
–  Schnelle Abnahme des Sattels>
–  Fotografische Aufnahmen des Pferderückens und der Sattellage mit der Infrarotkamera.
–  Auswertung der Aufnahmen am PC gemäß dem Farbspektrum.
 
Aus Tierschutzgründen wurde von diesem modus operandi abgesehen.
 
In der Klageschrift wird – Pferd 1 betreffend – angeführt:
 
–  Es entwickelte sich bereits kurz nach Verwendung des verfahrensgegenständlichen Sattels „muskuläre Schäden in Form einer Delle“ [zit.]
–  „Aus diesem Grund war es erforderlich, das Pferd in tierärztliche Behandlung zu geben, was zu einem Entfall der Nutzung des Pferdes geführt hat“ [zit.]
 
Auf Beilage./5 (Sattelskizzen der beklagten Partei) ist demgegenüber schon beim Erstkontakt handschriftlich festgehalten: “Rücken links Delle vom alten Sattel – (Sattler K.)“ [zit.]

Aus Recherchen beim OEPS geht hervor, dass das Pferd 1 VOR dem Ankauf des verfahrensgegenständlichen Sattels nur einmal als Turnierteilnehmerin in einer Dressurpferdeprüfung – Klasse A – aufscheint und zwar in A., wo bei drei Startern der dritte Platz belegt wurde.
NACH Ankauf des Sattels Nr.1 hat die klagende Partei mit ihrem Pferd 1 bei 4 Dressurturnieren an 10 Prüfungen der Klassen LM, L und LP teilgenommen, wobei sie - mit einer Ausnahme – mittlere bis hintere Ränge belegte.

Die letzte Turnierteilnahme ist mit 06.09.201x dokumentiert.

Etwa einen Monat später erfolgte dann der Besuch in einer deutschen Pferdeklinik.
Was in der Klageschrift mit den Worten „kurz nach der Verwendung…“ dargestellt wird, betrifft also tatsächlich einen Zeitraum des Turniereinsatzes von 6 Monaten bzw. bis zur tierärztlichen Intervention von 7 Monaten.

Aus dem Tierärztlichen Attest der deutschen Pferdeklinik geht hervor, dass die Beugeprobe an der geringgradig lahmen rechten Hinterextremität positiv verlaufen ist. Dies wurde jedoch vertiefend nicht weiter abgeklärt.

Ebenfalls wird berichtet, dass der Rücken deutlich schmerzhaft war und im Röntgenbild bei einem Dornfortsatz eines Brustwirbels eine Engstelle auf Grund einer „cranialen Zubildung“ gefunden wurde.

Eine Diagnose z.B.  „kissing spines“ ist ebenso wenig angeführt, wie ein Bezug zum Sattel. Es ist nicht protokolliert, ob der Sattel in der deutschen Pferdeklinik überprüft worden ist bzw. ob das Pferd 1auch damit vorgeritten wurde.
 
Sattelvermessung

Die von einem Privatgutachter im gegenständlichen Fall vorgenommene Sattelvermessung arbeitet nach dem Prinzip der Landschaftsreliefvermessung mit dem Gerät E ©. Das Gerät wird in der Mitte der Wirbelsäule in der Sattellage – beginnend beim Widerrist – dem Pferderücken aufgelegt und dann werden die Längsachse und 11 seitlichen Armpaare der Wölbung entsprechend   fixiert. In der Längsachse ist eine Veränderung des Winkels pro Segment ausschließlich nach oben und unten möglich, eine seitliche Abweichung – wie z.B. vorliegend bei Schiefe oder Verkrümmung der Wirbelsäule – kann nicht erfasst werden. Anschließend werden von beiden Seiten umfangreiche Fotodokumentationen angefertigt.
Im zweiten Schritt wird der zu prüfende Sattel auf seine Sitzfläche gelegt und das Messgerät mit dem Profil der Sattellage des Pferdes auf jene Fläche gelegt, die sonst dem Pferderücken aufliegt. Aus den räumlichen Differenzen wird auf die Passform des Sattels geschlossen.
Wie später noch gezeigt wird, könnte diese Methode nur dann exakte Messergebnisse liefern, wenn der gesamte Sattel aus starren Materialien bestünde, was jedoch nicht der Fall ist. Schon alleine dadurch, dass der Sattel, wenn er auf dem „Kopf“ steht, durch das Gewicht der Sattelblätter seitlich auseinandergezogen wird, verändert sich die Form der Sattelkissen und die Weite der Kammer- wenn auch nur geringfügig.
Der Sattel bildet zwischen Pferd und Reiter ein in sich bewegliches, verformbares und dynamisches System, das mit einem, überwiegend starren Messgerät nicht seriös erfasst werden kann. Eine weitere „Schwäche“ dieses Systems liegt darin begründet, dass eine Sattelüberprüfung in Bewegung und unter dem Reiter nicht möglich ist. In realiter ist aber entscheidend, dass der Sattel dem Pferde und seinem Reiter bei und während der Ausübung des Reitsportes passt.
 
Gutachten

Frage 1: Gutachten:
Auf Grund der Demonstrationen durch die beklagte Partei bei der Befundaufnahme kann davon ausgegangen werden, dass die jeweilige Anpassung der verfahrensgegenständlichen Sättel professionell und korrekt erfolgt ist.
Da beim Pferd 2 keine Rückenprobleme aufgetreten sind, kann von einer Eignung des Sattels Nr. 2 für dieses Pferd ausgegangen werden.
 
Das Pferd 1 wurde mit Sattel Nr. 1 zumindest 6 Monate als Turnierpferd für Dressurprüfungen genutzt und erst nach 7 Monaten wurde das Pferd 1 wegen einer geringgradigen Lahmheit an der rechten Hinterextremität in der Pferdeklinik vorgestellt.  Daraus kann abgeleitet werden, dass der verfahrensgegenständliche Sattel Nr. 1 zumindest für diesen Zeitraum geeignet war – wenn man zugleich berücksichtigt, dass zumindest eine „Delle“ am Rücken schon wesentlich früher vorhanden gewesen sein könnte.
 
Frage 2: Gutachten
Die beklagte Partei demonstrierte, – wie dokumentiert – wie sie die Vermessung der Sattellage der beiden Pferde vorgenommen hat. Der Beklagte zeigte auch auf, wie er durch eine Drehung des „Kurvenlineals“ um 180 Grad die Asymmetrie feststellte.
Die Vermessungsskizze Beilage./5 für den Sattel Nr. 1 weist alle demonstrierten Kriterien auf.
Die Skizze Beilage Nr. 6 für Sattel Nr. 2 gibt lediglich die Widerristposition an.
 
 
Frage 3: Gutachten:
Wie die Anpassung der Sättel beim Kauf (Übergabe) im Detail erfolgt ist, ließ sich nicht mehr genau rekonstruieren.
 
Frage 4: Gutachten:
Eine „Nachbetreuung“ durch den Sattler bzw. Sattelhändler ist Vereinbarungssache. Die beklagte Partei gab an, dass sie routinemäßig nach 8-12 Wochen eine kostenfreie Nachkontrolle durchführt. Dies ist auch bei Pferd 1 und Sattel 1 geschehen.
Bei Pferd 2 – Sattel 2 konnte wegen Erkrankung des Pferdes keine Nachkontrolle durchgeführt werden.
 
Eine neuerliche Sattelanpassung wird routinemäßig in Abhängigkeit von der Intensität der Nutzung des Sattels oder bei Veränderung der Körperform des Pferdes nach 6 – 12 Monaten vorgenommen, wobei es in der Sphäre des Pferdebesitzers liegt, dies in die Wege zu leiten.
 
Frage 5: Gutachten:
Verbindliche Branchenüblichkeiten bestehen zu dieser Frage nicht, es ist vielmehr Vereinbarungssache zwischen Sattler/Händler und Pferdebesitzer, die stark vom Preis des verkauften Sattels abhängt – je billiger, desto weniger Service ist üblich.
 
Frage 6: Gutachten:
Zunächst ist festzuhalten, dass die Messdokumenten Beilage./C und Beilage ./E für die überprüften Sättel lediglich eine ungenaue Bezeichnung der Sättel anführt und für keinen der verfahrensgegenständlichen Sättel dessen  Nummer  festgehalten ist. Aus forensischer Sicht sind die Protokolle deshalb mangelhaft und (gerichtlich) nicht verwertbar.
Bekanntermaßen kann sich bei einem Pferd die Körperform innerhalb weniger Wochen z.B. durch Krankheit negativ, durch intensives Training positiv verändern, was speziell auch die Rückenmuskulatur betrifft.
Die Überprüfung der beiden Sättel am 02.09.201x und 02.12.201x lässt also keinen seriösen Rückschluss zu, ob die Passform etwa ein halbes Jahr zuvor korrekt war.
 
Frage 7: Gutachten:
Auf Basis der vorliegenden Befunde ist diese Frage nicht eindeutig mit JA oder NEIN zu beantworten.
Die Belastbarkeit der Beilage./5 unterliegt naturgemäß der richterlichen Beweiswürdigung. Dort ist – von der beklagten Partei schriftlich – festgehalten, dass am 14.02.201x eine Delle vom alten Sattel zu beobachten war.
Im Tierärztlichen Attest zur Untersuchung in der Pferdeklinik am 02.10.201x wird der Rücken zwar als schmerzhaft beschrieben, ein auffälliger pathologisch-anatomischer Befund – der im Zusammenhang mit den Schmerzen jedenfalls hohe Relevanz hätte – wird dort nicht angeführt.
Die Behauptung der Klageschrift, es seien „bereits kurz nach Verwendung des Sattels muskuläre Schäden in Form einer Delle im Muskelgewebe“ [zit.] aufgetreten, kann auf Grund des Attests nicht nachvollzogen werden.
Bei der Befundaufnahme hat die klagende Partei von zwei Dellen erzählt, hingegen in der Klageschrift ist von „einer Delle“ im klaren Singular die Rede.
Da eine fachliche Beantwortung dieser Frage auf solider Basis nicht möglich ist, wird sie unter Verweis auf die Befunde der richterlichen Beweiswürdigung zugewiesen.
 
Frage 8: Gutachten:
Die hippologische Literatur sowie jeder kundige Reiter und Züchter kennt den pferdewissenschaftlichen Fachbegriff der „natürlichen Schiefe“. Damit ist eine Biegung der Wirbelsäule gemeint, die man der gekrümmten Lage des Fohlens im Mutterleib zuschreibt und die – bei gekonnter Herangehensweise und fachkundigem Beritt – korrigierbar ist. Dieses Phänomen liegt hier NICHT vor!
 
Die Schiefe von Pferd 1 ist – hilfsweise – mit einem „aus der Spurgehen bzw. einem verzogenen Rahmen bei einem Fahrzeug“ zu vergleichen, der Achsenbruch der Wirbelsäule ist im hinteren Drittel der Sattellage festzustellen. Über die Konsequenzen im Bewegungsmuster wurde bereits ausgeführt.
Die vorliegende „unnatürliche“ Schiefe kann auf einen Fehler der Natur, aber auch auf eine Verletzung im Fohlenalter zurückzuführen sein. Züchter wissen in der Regel um dieses Manko und berücksichtigen es in der Preisgestaltung beim Verkauf.
Die Diagnose „kissing spines“ entsprang nach Aussagen der klagenden Partei der Untersuchung des Pferdes in der deutschen Pferdeklinik am 02.10.201X, wiewohl sie in deren Attest ein Jahr später nicht angeführt ist.
„Kissing Spines“ – also sich schmerzhaft berührende Dornfortsätze von Rückenwirbeln – können als Folge der vorliegenden Schiefe mit einseitigem Druck des Sattels gegen die Wirbelsäule entstehen (periostale Reaktion), aber auch Folge eines andauernd Defizit behafteten Beritts – speziell bei mangelnder Losgelassenheit – sein.
Eine grundlegende Diagnostik und ein daraus resultierendes Sanierungsprogramm ist für Pferd 1 nicht nachvollziehbar.
 
Frage 9: Gutachten:
Notwendig nicht unbedingt, aber sicher für das Pferd sehr hilfreich.
 
Frage 10: Gutachten:
Soweit die angesprochenen Kosten die deutsche Pferdeklinik betreffen, sind sie nachvollziehbar, angemessen und schlüssig.
Mangels nachvollziehbarer Dokumentation und genauer Kenntnis der Tätigkeit des Chiropraktikers ist eine Aussage über die Angemessenheit dieser Kosten nicht möglich.
 
Nach Kenntnisstand des Autors wurde die Klage abgewiesen.

 

 


FALL 3:
 
Sachverhalt des folgenden Rechtsfalles

Dieser Fall, der mit dem vorigen in unmittelbarem Zusammenhang steht, zeigt sehr eindrucksvoll, wie sich die Rechtsprechung mit dem Instrument „Berufung“ selbst kontrolliert.
Während das Berufungsgericht mit Entscheidung vom 12.03.201x  der Berufung zu Pferd 1 und Sattel 1 keine Folge gab,  folgte es -speziell  in Bezug auf das Gutachten des bestellten  Sachverständigen Dr. K. und das Pferd 2 mit dem Sattel 2 der Berufung teilweise:
[zit.] „Mit dem Umstand, dass die Parteien – und diesen folgend offenbar auch der Sachverständige – [….] ist es wohl zu erklären, dass der SV weder in seinem schriftlichen Gutachten (ON15) noch in seiner Gutachtensergänzung (ON 31 f) in der gebotenen Ausführlichkeit auf den Sattel 2 eingegangen ist.  Die einzige, aus dem Gutachten ableitbare Schlussfolgerung – dass der Umstand, dass bei Pferd 2 keine Rückenprobleme aufgetreten seien, dafür spreche, dass der Sattel 2 passend (gewesen) sei – rechtfertigt die getroffene Feststellung ebenso wenig wie die, auf gleichen Erwägungen beruhende Würdigung der Aussage der klagenden Partei.
Zum einen ist schon grundsätzlich fraglich, ob das Ausbleiben von Rückenproblemen einen vertretbaren Schluss auf die Passgenauigkeit des Sattels zulässt; zum anderen sagte die klagende Partei aus, dass sie den Sattel 2 nur relativ kurz und selten[….] verwendet habe, weil das Pferd 2 aus anderen Gründen längere Zeit ausgefallen sei, sodass auch aus diesem Grund keine Rückschlüsse auf die Passgenauigkeit des Sattels gezogen werden können. [……]
Dagegen liegen aber sehr wohl Hinweise darauf vor, dass der Sattel 2 für das Pferd 2 zu lang sein könnte.“  [21 R 358/18 x]
 
Aus der Sicht des Gutachters Dr. K. ist zum Berufungsurteil anzumerken, dass weder für das erste Gutachten ON 15 noch für das Ergänzungsgutachten ON 31 ein gerichtlicher Auftrag zur Frage der Länge des Sattels 2 für Pferd 2 vorlag. Mit dem folgenden Verfahren wurde dem Auftrag des Berufungsgerichtes Folge geleistet.
 
Gerichtlicher Gutachtensauftrag für Fall 3
 
–  War der Sattel 2 für das Pferd 2 im Übergabezeitpunkt passend?
–  Gab es beim Sattel 2 für das Pferd 2 im Übergabezeitpunkt eine Brückenbildung?
–  War der Sattel 2 für das Pferd 2 im Übergabezeitpunkt zu lang?

 
 
 
Hintergrund: Berufung
Das Berufungsgericht hatte den Rechtsfall an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung der noch offenen und strittigen Punkte zurücküberwiesen. Der Rechtsvertreter der klagenden Partei, der schon bisher ungewöhnlich geharnischt und über Maßen kämpferisch war, versuchte nun neuerlich vehement, den Gutachter Dr. K. loszuwerden, ihn „abzuschießen“. Ein Mittel dazu war unter anderem ein Privatgutachten. Eine Privatgutachten kann von jeder kundigen Person erstattet werden, üblicherweise aber werden von Anwälten Gutachter aus der Sachverständigenliste der Justiz dazu ausgewählt. Privatgutachter werden von ihrem Auftraggeber beauftragt, Schwachstellen oder fachliche Angriffspunkte beim Gerichtsgutachten aufzuzeigen und diese zu „filettieren“. Ein Privatgutachter arbeitet als Söldner im Auftrag einer der Streitparteien und kann auch bei der Gutachtenserörterung im Gerichtssaal zum Einsatz kommen.  

 


Äußerung des bestellten SV Dr. K. auf ein Schreiben des Klagevertreters
 
Mit Schreiben ON 54 vom 08.05.201X trug das erkennende Gericht dem SV Dr. K. eine Äußerung zum Schreiben der klagenden Partei ON 52 auf.
Diesem Auftrag wurde entsprochen.
 
–  Sämtliche Behauptungen, die eine Unvoreingenommenheit oder eine Unparteilichkeit des bestellten SV in Zweifel ziehen, werden als unwahr zurückgewiesen. Es war vielmehr der Rechtsvertreter der klagenden Partei, der bereits anlässlich der Befundaufnahme am 09.06.201X eine feindliche Stimmung provozierte und sich auch zu lautstarken verbalen Äußerungen bemüßigt fühlte.

–  Wenn die klagende Partei ihre Bedenken gegenüber der Objektivität des bestellten SV auf seine Äußerungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung stützt, so wäre daraus abzuleiten, dass das erkennende Gericht eine mangelnde Objektivität des bestellten SV nicht selbst erkannt hat.

–  Der bestellte SV hat im Rahmen des gesamten Verfahrens in der üblichen Art und Weise (durch Fragen und Hinterfragen) Befunde erhoben, diese jedoch niemals für unglaubwürdig erachtet, denn der bestellte SV prüft Befunde rein sachbezogen nur auf ihre Glaubhaftigkeit.

–  Was die fachlichen Bedenken anlangt, übernimmt die klagende Partei größtenteils die Diktion aus ihrem Privatgutachten (PGA).
 
Dazu wird vom bestellten SV Dr. K. festgehalten:
 
Unter dem Punkt „Gutachten und Wertung “ (Seite 55 des Privatgutachtens von Dr. R. S.) führt der Privatgutachter (im Folgenden als „P“ bezeichnet) an, dass der gerichtlich bestellte SV Dr. K. sich veralteter Methoden bediene und verweist dazu auf das Literaturverzeichnis auf Seite 62 seines Privatgutachtens.
Ein Großteil der dort angeführten „Fachbücher“ stammt aus der Feder des Privatgutachters selbst und stellt keinesfalls den geltenden Maßstab der Sattelüberprüfung dar, sondern ist eine Verkaufshilfe für den von ihm betriebenen Online-Shop, u.a. für Sättel.
 
In seinem Buch zur Sattellehre, (OLMS Verlag 2013) bei dem der P. als Mitautor aufscheint, ist weder im Kapitel des P. noch auf den gesamten 520 Seiten eine gültige Methode der Sattelanpassung oder Sattelüberprüfung angeführt, die E© Methode findet im gesamten Buche nicht einmal Erwähnung. Vielmehr führt der P. zu den von ihm angeführten Prüfmethoden an:
„Ausdrücklich sei aber nochmals darauf hingewiesen, dass weder ein thermografisches Bild noch eine Satteldruckmessung, aus dem klinischen Kontext gerissen, verlässliche Aussagen über die Passform des Sattels liefern können“ (Seite 152).
 
Im Buch zur Reitlehre (Parey, 2006), dessen Alleinautor der P. ist, finden sich im Kapitel „Ausrüstung des Pferdes“ ab Seite 78 lediglich Gemeinplätze über verschiedene Satteltypen.
Auch in diesem Buche ist keine, der vom P. in seinem Privatgutachten als „modern“ bezeichnete Form der Sattelüberprüfung angeführt, auch nicht die E© - Methode.
 
Ferner wird in diesem Privatgutachten irreführend auf eine, bis heute weder erschienene noch fachlich überprüfte  „Leitlinien- Veröffentlichung“ des P.  verwiesen.
 
Wie aus der Literaturübersicht im Privatgutachten nachvollziehbar ist, beschäftigt sich der P. erst seit etwa 13 Jahren mit der Thematik „Sattelüberprüfungen“ - das Sattlerhandwerk dagegen gibt es jedoch seit über 2000 Jahren, Pferde noch länger!
Die angeführten Bücher, deren Autor der P. ist, sowie auch „Das Sattelbuch“ und „Gutes für den Pferderücken“ (vom P. fälschlicherweise als „Der gesunde Pferderücken“ bezeichnet) sind „Werbebroschüren“ für eine Sattlerei, die auch das E© – System vertreibt und mit deren Sättel der Privatgutachter in seinem Online-Shop handelt.
Es handelt sich dabei keineswegs um Fachliteratur oder ausbildungsbegleitende Behelfe für Fachpersonal (Reiterlehrer, Sattler, Tierärzte), sondern um Tertiär- und Trivialliteratur für „Leute mit Pferden“, sehr wohl zu unterscheiden von echten „Pferdeleuten“.
 
–  Auf Seite 3 ihres Antrags auf Bestellung eines anderen Sachverständigen an Stelle von Dr. K. spricht die klagende Partei neben der Objektivität auch die Waffengleichheit an und meint damit offensichtlich den Art. 6 der EMRK – das Recht auf ein faires Verfahren.
Es stellt sich die Frage: Wird ein Verfahren deshalb unfair, weil ein bestellter Gerichts-Gutachter mit probaten, überlieferten und modernen Methoden einen Sachverhalt aufklärt?
 
Der geneigte Leser der „Fälle des Dr. K.“ sieht also, dass es im Ablauf eines Verfahrens nicht immer so reibungslos zugeht, wie „der Blick von Außerhalb“ den Anschein erwecken mag.
Unter erfahrenen Juristen gilt als Regel: Nur ein gutes Gutachten wird heftig bekämpft.


Benötigter Beeidungsumfang für die Gutachtenerstattung im vorliegenden Fall
11.01: Klinisch-forensische Veterinärmedizin
05.35: Reiten und Pferdesport im Allgemeinen
33.08: Pferde: Produkte, Zubehör

 
Sachverständige Fallanalyse durch Dr. K.:
Um Wiederholungen zu vermeiden, wird im Folgenden nicht mehr das Gutachten selbst, sondern eine Reihe von Auszügen aus der Gutachtenserörterung dargestellt, die Fragen der Rechtsvertreter beantworten:
 
Zu Frage 1:
Die Muskelmasse eines Pferdes macht etwa 50 % der Körper-Masse aus. Im vorliegenden Fall handelte es sich nicht um Neuaufbau von Muskulatur bei einem jungen Pferd, sondern um das „Um-Bemuskeln“ infolge der Änderung der Reitweise von Western zu Englisch. Betroffen sind hiervon sowohl Trage- wie auch Bewegungsmuskeln, die einerseits langsam abgebaut und, den neuen Bedürfnissen entsprechend, neu geformt werden müssen. Von Relevanz im gegenständlichen Fall sind die Muskeln des Schultergürtels sowie die Rückenmuskulatur, allen voran der Lange Rückenmuskel, der ein fast ausschließlicher fleischiger und gut durchbluteter Bewegungsmuskel ist und sich innerhalb von etwa 3 – 5 Wochen allmählich umbauen kann, seine endgültige und belastbare Form aber kaum vor Ablauf eines Jahres erhalten wird. Aus sachverständiger Sicht ist es jedoch vorliegend nicht seriös möglich, eine begrenzte Zeitspanne für den Umformungsprozess anzugeben, da nicht nachvollziehbar ist, mit welcher Intensität und Methode die Umstellung von „Western“ auf „Englisch“ erfolgt ist. Das Spektrum reicht von der alleinigen Verwendung eines nunmehr englischen Sattels und dem Reiten von klassischen Dressurlektionen bis zu wissenschaftlich - methodischem Training   mit isotonischen und isometrischen Übungen.

 

Die Abbildungen zeigen den, für die Sattellage relevanten Körperbereich eines Pferdes mit den verschiedenen Schichten der Muskulatur, die allesamt bei Änderungen der Reitweise einer Umformung unterliegen.
 
Zu Frage 2:
Die Umstellung der Reitweise von „Western mit Westernsattel“ auf „Englisch mit englischem Sattel“ geht nach der mehr als 50 jährigen einschlägigen Erfahrung des SV immer mit einer Umformung der Muskulatur besonders im Bereich von Hals, Schulter und Thorax bzw. Rücken des Pferdes einher.
Die besten Erfahrungswerte liegen hier bei ehemaligen Trabrennpferden vor, bei denen der Umbau von „Rennpferd im Sulky“ auf „Reitpferd“ ein- bis eineinhalb Jahre dauern kann.
 
Zu Frage 3:
Im vorliegenden Fall ist festzuhalten, dass aus einem gedrungenem Westernpferd im Quadratformat kein Dressurpferd im Warmbluttyp und Rechteckformat geformt werden kann.
Einer Biegung und Stellung des Pferdes sind deshalb schon von seiner figürlichen Ausstattung her Grenzen gesetzt. Das verfahrensgegenständliche Pferd 2 war bis zur Umstellung der Reitweise einen Westernsattel gewöhnt, der von Haus aus länger ist als der verfahrensgegenständliche Sattel 2.
Dem Video mit der Bezeichnung „Pferd 2“ ist zu entnehmen, dass die für die Lektionen in diesem Niveau geforderte Biegung und Stellung bei einem Dressurturnier unter der Klägerin im Sattel gezeigt werden konnte.
 
Für die Beurteilung der Länge eines Sattels ist nicht maßgebend, ob er über die 18. Rippe hinausragt, sondern wo seine Druckbelastung endet.
 
Dazu der Text im Privatgutachten:
–   Eine Druckbelastung über der 18.Rippe könnte die Seitbiegung …negativ beeinflussen
–   Dazu aus P.s „Reitlehre“
-  Keine seitliche Biegung der Wirbelsäule, > wahre Rippen (1.-8. Rippe)
-  Nicht viel mehr bei Atmungsrippen (bis 18.Rippe)

Detail der Aufnahme: Der Pfeil markiert ein nicht veränderbares, angeborenes Farbabzeichen, das parteieneinvernehmlich mit der ungefähren Position des 18.BW bzw. der 18. Rippe festgestellt wurde. Der Kreideabdruck durch Sattelbelastung endet an dieser Stelle.
 
Zu Frage 4:
Der vom Gericht bestellte SV Dr. K. hat mit keinem Wort festgestellt, dass das, von der klagenden Partei vorgelegte Video auf Grund seiner Qualität nicht mit Sicherheit befundet werden kann sondern:
Der SV hat vielmehr im Mail vom 28.10.201X dem Gericht mitgeteilt, dass „nicht mit Sicherheit festgestellt werden konnte, ob die Reiterin im Sattel tatsächlich die Klägerin  ist“.
 
Alle anderen zu befundenden Kriterien, insbesondere Pferd 2 und Sattel 2, konnten problemlos nachvollzogen werden.  Es bestehen also keine Widersprüche, die erhobenen Befunde finden sich schlüssig im Gutachten.
 
Zu Frage 5:
Es ist richtig, dass die Lage der Sattelgurtstrupfen auf dieser Aufnahme in schräger Richtung verlaufen.
Dazu ist im Vergleich mit den Abbildung 12 und 13 (Seite 20 GA) festzuhalten, dass das Pferd im erwähnten Foto in einer Trab-Bewegung ist und die rechte Vorderextremität weit nach vorne schwingt.
Die Aufnahmen im Stand der Ruhe sind nicht zum Vergleich in Bewegung – zumal im schwungvollen Trabe – geeignet, da die Position des Sattelgurtes durch die Bewegung der darunter liegenden Muskulatur beeinflusst wird.
 
Zu Frage 6:
Reiten ist eine Sportart mit dreidimensionaler Bewegungsdynamik. Der Sattel stellt die Verbindung zwischen dem Sitz des Reiters und dem Rücken des Pferdes her. Alle drei „Teile“ (Reiter, Sattel, Pferd) können bei gutem Sitz des Reiters, bei passendem Sattel und bei angenehm schwingenden Bewegungen des Pferdes in eine geschmeidige und angenehme Rittigkeit münden.
Aus dem Bewegungsmuster des Pferdes auf dem vorgelegten Video kann nicht geschlossen werden, dass das Pferd 2 durch den Sattel 2 behindert oder irritiert wird.
Festzustellen ist jedoch, dass „Pferd 2“ Schwankungen im Gleichgewicht und in der Balance seiner Reiterin mit Schweifschlagen bzw. manchmal Kopfschlagen quittiert, besonders wenn die Reiterin nicht in der Schwerlinie sitzt.
 
Zu weiteren Fragen wird festgehalten:

–  Bei Pferd 2 wurde krankheitsbedingt (Gelenkserkrankung) keine routinemäßige Nachkontrolle des Sattels durch die beklagte Partei. durchgeführt.
–  Klagende Partei: „Den Sattel für das Pferd 2 hat meine Mutter Probe geritten.“ [zit.]
–  Klagende Partei: „Den Sattel der beklagten Partei habe ich jedenfalls im Zeitraum Jänner bzw. Februar bis März 201X verwendet.“[zit.]
–  Klagende Partei: „Es sind mir jedenfalls keine Probleme wie bei Pferd 1 (siehe Fall2) auch bei  Pferd 2 aufgefallen.“[zit.]
–   Beklagte Partei:  Zunächst haben wir dann den Sattel 2 für Pferd 2 vermessen. „Die klagende Partei hat mir damals gesagt, dass Pferd 2 bis jetzt (sic!!) – also bis Anfang Oktober 201X- Western geritten wurde und sie jetzt Englisch reiten möchte.“ [zit.]
 
 
Zu Pferd 2
Rückenprobleme werden in der Klageschrift und im späteren Verfahrensverlauf bei diesem Pferd nicht angeführt, allerdings ergab die Sattelmessung bei E©, dass Verbesserungen notwendig wären.
Rückenprobleme sind bei diesem Pferd auch kein Streitthema.
 
Der Privatgutachter führt an mehreren Stellen seines Privatgutachtens an, dass der gerichtlich beauftragte SV Dr. K.  nicht bemerkt hat, dass der Sattel von Pferd 2 zu lang ist und über die 18. Rippe zu liegen kommt.

Hierzu ist zu bemerken, dass bei der ersten E©- Vermessung die Länge des Sattels nicht beanstandet wurde, und die Zeugin und Tierärztin Mag. K.  den Sattel lediglich als „eine Spur zu lang“ bzw. als „grenzwertig“ bezeichnet.
 
Pferd 2 und der klagsgegenständliche Sattel 2
Aus den erhobenen Messdaten ist abzuleiten, dass im Verhältnis von Sattel 2 zu Pferd 2 zwei Konstante vorliegen:
–  Die Länge des Sattels, die sich seit der Übergabe des Sattels nicht verändert hat,
–  Das Stockmaß des Pferdes, das mit 158 cm fast 3 Jahre immer gleichblieb.
Veränderbare bzw. veränderte Komponenten sind jedoch:
–  Polsterung des Sattels während der Lagerung und Nutzung
–  Bandmaß durch Zunahme der Wölbung an Schulter und Brustkorb
–  Brustumfang durch Veränderung des Körpergewichtes und der Bemuskelung
–  Körpergewicht durch Zunahme der Körper- Masse.
 
Bis zur zweiten Befundaufnahme durch den gerichtlich bestellten SV Dr. K. hat sich das Bandmaß vergrößert, das Gewicht erhöht und der Brustumfang annähern gleichbleibend dargestellt. Dies zeigt auf, was dem sehenden Auge auch in natura erkennbar ist: Das Pferd hat sich umgeformt, Hals und Schulter, aber auch der Rücken im caudalen Bereich des M. trapezius haben sich der „englischen Reitweise“ angepasst. Der verfahrensgegenständliche „englische“ Sattel 2 konnte dieser Veränderung naturgemäß nur in den „Weichteilen“ durch Verformung der Sattelwolle folgen. Durch die Massezunahme an der Schulter erhielt das Pferd eine leichte Keilform, als deren Folge der Sattel beim Beritt „nach hinten“ rutscht. Dies wird klar durch Fotos aufgezeigt, die Lage der Gurten hat sich verändert.
Die jeweiligen Veränderungen spielen sich in kleinen Bereichen von unter 5cm ab, es geht also um keine dramatischen Distanzen.
 
Für Menschen ohne Pferdekenntnis ist überdies festzuhalten, dass die „Sattellage“ kein streng begrenzter, einzuhaltender Bereich ist, sondern individuelle Variationen innerhalb einer gewissen Bandbreite erlaubt. Wie man sah, sattelte die Klägerin lieber etwas weiter hinten, der Beklagte bevorzugt den vorderen Bereich. Entscheidend ist immer, dass durch den Sattel die Bewegung des Pferdes nicht behindert wird – vorne in der freien Bewegung der Schulter, hinten durch Belastung hinter dem Tragebereich. Exakte Maßangaben entsprechen nie den Gegebenheiten der Natur, die eine Vielgestaltigkeit der einzelnen Individuen aufzeigt, weshalb seriöse Aussagen immer nur für den Einzelfall und Beachtung von individueller Körperform und Bewegung von Pferd und Reiter getroffen werden können.
Studien zur Satteldruckmessung haben beeindruckend gezeigt, dass bei selben Sätteln und selben Pferden die Individualität des Reiters keine klare Aussage über eine Passform eines Sattels erlaubte.
Insoferne ist es auch nicht als gesichert anzunehmen, dass das Ergebnis des Proberitts durch die Mutter  1:1 auf die klagende Partei selbst zu übertragen ist.
 
Gutachten
 
War der Sattel 2 für das Pferd 2  im Übergabezeitpunkt passend?

Gutachten:
Aus hippologischer und veterinärmedizinischer Sicht wurden keine Befunde erhoben, die mit hoher Wahrscheinlichkeit den Rückschluss zulassen, dass der verfahrensgegenständliche Sattel 2 zum Übergabezeitpunkt dem Pferd 2 nicht gepasst hätte.
Festzuhalten ist, dass das Probereiten eines Sattels nicht durch eine Ersatzperson möglich ist, wenn eine individuelle Anpassung das Ziel ist.

 
Gab es beim Sattel 2 für das Pferd 2 im Übergabezeitpunkt eine Brückenbildung?

Gutachten:
Auf Basis der erhobenen Befunde - in ihrer Gesamtheit gesehen - kann der Rückschluss, dass eine Brückenbildung beim verfahrensgegenständlichen Sattel 2 zum Übergabezeitpunkt vorgelegen wäre, nicht gezogen oder nachvollzogen werden.
 
War der Sattel 2 für das Pferd 2 im Übergabezeitpunkt zu lang?
Gutachten:

Der verfahrensgegenständliche Sattel 2 ist seit dem Übergabezeitpunkt in seiner Länge nicht verändert worden, die Sattellänge ist als Konstante anzusehen.
Verändert hat sich im Beobachtungszeitraum jedoch die figürliche Ausstattung des Pferdes 2, einerseits durch Umstellung von Westernreitweise auf englische Reitweise im Zeitraum der Anschaffung des verfahrensgegenständlichen Sattels, andrerseits durch offensichtliche Beendigung der Lahmheitsphase und Wiederaufnahme des üblichen Reitdienstes.
Durch die Veränderung der Bemuskelung an Schulter und Rücken, die mit der Umstellung der Reitweisen regelmäßig und vorhersehbar einhergeht, ist es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer keilförmigen Veränderung der „Sattellage“ und des Thorax (Messdaten!) gekommen, wodurch der Sattel 2 bei Bewegung weiter nach hinten geschoben wird. Die objektive Länge des Sattels 2 wird dadurch nicht verändert, sehr wohl jedoch die Position seiner Auflagefläche in der Sattellage des Pferdes 2.
Ergänzend wird noch angefügt, dass selbst bei subjektiv zu langem, weil nach hinten gerutschtem Sattel, dies für die „Performance“ des Pferdes 2 gemäß der Videoanalysen offensichtlich keine nachteiligen Folgen hat.

Die Klage wurde abgewiesen.

(Der wissenschaftlich-veterinärmedizinische Stand dieses Gutachtens entspricht dem Jahre 2019)
Erstellt 10.10.2022

ZUM AUTOR: Dr. Reinhard Kaun ist Tierarzt seit 1969 und ständig beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, der im Laufe seiner 33-jährigen Tätigkeit als Gerichtsgutachter mehr als tausend Gutachten erstattet  hat. Neben vielen Qualifikationen im Pferdesport (z.B. FEI-Tierarzt, Turnier- und Materialrichter, FEI-Steward, Dopingbeauftragter)  war er  als Fachtierarzt für Pferdeheilkunde und Fachtierarzt für Physikalische Therapie und Rehabilitationsmedizin tätig. Die „Fälle des Dr. K." haben sich tatsächlich zugetragen, wurden aber jeweils in Text und  Bildern verfremdet und anonymisiert,  womit  geltendem Medienrecht und Datenschutz vollinhaltlich genügt wird. Die Fälle wurden vom Autor um das „Fall-spezifische“ bereinigt und werden somit nun als neutraler Lehrstoff von allgemeiner hippologischer Gültigkeit  für interessierte Verkehrskreise zur Weiterbildung dargestellt.

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