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Reitschulen in der Krise: Die Verbände haben die Entwicklung verschlafen
07.06.2019 / News

Sabine Dell
Sabine Dell'mour hat mit ihrer vor 20 Jahren entwickelten ,ganzheitlichen Reitpädagogik' die Reitausbildung revolutioniert. / Foto: Verband der ReitpädagogInnen Österreichs

Das „Sterben“ der klassischen Reitschulen sorgt derzeit für Schlagzeilen – doch für diese Entwicklung sind die Pferdesportverbände wesentlich mitverantwortlich.  Mit der vor 20 Jahren gegründeten Reitpädagogik sind viele Betriebe einen anderen Weg gegangen – und haben Erfolg damit. Ein Gastkommentar von Reitpädagogik-Pionierin Sabine Dell’mour.

 

Die Arbeit als Reitpädagogin ist eine sehr schöne Arbeit die immer gleich reflektiert und gezeigt hat, wann und wo es mehr Ideen und Übungen braucht um das gewünschte Interesse der Reitschüler zu wecken und das Ziel zu erreichen. Gefühle erkennen, Bewegung wahrnehmen, die emotionalen Grundbedürfnisse der Reiter sehen und erkennen zu lernen. Es soll ein spannender, fördernder und passender Reitunterricht werden, der die individuellen Punkte der altersunterschiedlichen Reitschüler erfüllen soll.“ (Caroline, Vorarlberg, FEBS® und GRIPS®Reitpädagogin)

In einem großen Artikel der Tageszeitung ,Kurier‘ und sogar im OEPS-Verbandsorgan wird das Thema des Sterbens von Schulbetrieben im Reitsport ausführlich bedauert und die Erklärung im Markt und den falschen bzw. gar nicht vorhandenen Kalkulationen der jeweiligen Betriebsbetreiber gesucht. Die Landesverbände schlagen Alarm, heißt es sinngemäß.

Dabei sind diese an der Entwicklung alles andere als unschuldig. Bereits im Jahr 2007 hatte eine international einzigartige Marktsegmentstudie, die die Förderung des Breitensports mit speziellem Augenmerk auf die Mitglieder der OEPS gelegt hatte, wichtige Erkenntnisse gewonnen, die die Entwicklung des Reitsportes, bzw. der Reitschulen aufgrund der erhobenen Daten prognostizierte. Die Zahl der Massenbetriebe, die viele Schüler mit vielen Pferden zu geringen Stundenpreisen abfertigen, würde ansteigen und es würde eine Zunahme jener Reitbetriebe geben, denen es gelingt mit Spezialangeboten die individuellen Bedürfnisse der Kunden zu bedienen. Dafür wäre der Kunde auch bereit mehr zu zahlen. Die Mittelschicht der 08/15 Reitbetriebe würde erwartungsgemäß dem wirtschaftlichen Druck der Zukunft nicht standhalten können und somit wegbrechen. Genauso ist es gekommen. Viele Reitschulen stecken aktuell in der prognostizierten Krise. Die Verbände haben die Entwicklung schlicht gesagt verschlafen.

Mit der „Erfindung“ der Reitpädagogik in Österreich wurde die Prognose bereits vorweggenommen – und man hat die Zeichen der Zeit richtig erkannt. Der Verband der Österreichischen ReitpädagogInnen (VOER) vertritt als Absolventenverband die AbsolventInnen der reitpädagogischen Lehrgänge. Die Mitgliedschaft ist jedoch freiwillig.

Eine wesentliche Mitverantwortung für das Reitschulsterben trägt daher aus meiner Sicht der OEPS mit seinen Landesverbänden selber. Im steten Bestreben nach neuen Mitgliedern wird im eigenen Interesse bereits in den von den Verbänden sowohl selbst entwickelten als auch selbst durchgeführten Lehrgängen seit jeher darauf hingewiesen, dass es „ohne die Gründung eines Vereins“ unmöglich wäre einen Reit- oder auch Reittherapiebetrieb zu führen. Diese Botschaft wurde mir in jedem Lehrgang, den ich über den Verband und verbandsnahmen Vereinen absolviert hatte, mitgeteilt. Über Unternehmensführung und Wirtschaftlichkeit schwieg man sich aus. Das führte naturgemäß dazu, dass die gesamte öffentliche Reitstallszene über gemeinnützige Vereine organisiert ist. Vereine, die bekanntlich nicht auf Gewinn ausgerichtet sein dürfen und üblicherweise über Spenden und Mitgliedsbeiträgen finanziert werden, oder besser gesagt, sich nur damit über Wasser halten. Das System krankt bereits im Kern.

Auffallend ist auch, dass im Raum Niederösterreich und Wien, also exakt, in jenen Gebieten, die die höchste Dichte OEPS und FENA organisierter Lehrgänge aufweisen die Preise für Reitstunden im Vergleichswert zu den übrigen Bundesländern besonders niedrig zu sein scheinen. Da lassen sich unschwer Preise für Reitstunden unter 10 Euro für 60 Minuten finden. Wenn Sie nun glauben, es würde sich um Massenabfertigungen handeln, irren Sie. Diese Preisgestaltung betrifft durchaus Reitställe, die von pferdeliebenden Frauen geführt werden, die gar nicht mehr als eine Handvoll Pferde für den Unterricht haben.  Mit diesen Dumpingpreisen machen sich die Reitställe gegenseitig kaputt. Preise, die jedem Menschen, der nur halbwegs mit Hausverstand ausgestattet ist, ein Gefühl von Peinlichkeit bereiten, weil sie vollkommen unrealistisch und unwürdig sind.

Die ländlichen Fortbildungsinstitute Österreichs (LFI, www.lfi.at ),  die, wie die Kammern selbst, an dem Weiterbestehen der kleinstrukturierten bäuerlichen Betriebe interessiert und denen besonders die Frauenförderung im ländlichen Raum ein Anliegen sind, haben kein System der Pflichtmitgliedschaft. Daher gehören Unternehmensführung, Wirtschaftlichkeitsberechnungen und das Erstellen eines Unternehmenskonzeptes, sowie die Entwicklung interner Marketingstrategien seit jeher zu den verpflichtenden Inhalten der Zertifikatslehrgänge des Nachhaltigkeitsministeriums. Diese Themengebiete sind auch Bestandteil der kommissionellen Prüfungen.

Die Bildungsprodukte „Pferd“ wurden unter Berücksichtigung individueller Kundenbedürfnisse, gesellschaftlicher Trends, sowie branchenspezifisch zu erwartenden Entwicklungen erarbeitet. Sie treffen den Puls der Zeit und sind wirtschaftlich interessant, sowohl für Landwirte als auch den Tourismus.

Vor 20 Jahren, sogar als Begriff in Österreich vollkommen unbekannt, konnte die Reitpädagogik sich im In-, und Ausland etablieren. Es ist gelungen einen neuen Markt zu eröffnen und eine neue Marke bekannt zu machen.  Kundenbedürfnisse nach pferdegerechter Haltung, sowie einfühlenden Umgang mit Reitern, Reiterinnen und den Pferden zu erfüllen, Freude und Entspannung zu vermitteln, gesellschaftlich notwendige Angebote nach gesunder und altersspezifischer Bewegung und Betreuungsmöglichkeiten für Kinder mit reitpädagogischen Dienstleistungen zu schaffen. Übrigens, alles Punkte, die bereits in der Marktsegmentstudie aufgezählt wurden.

„Mit einem Stundenumsatz von Euro 60 bis Euro 80 macht das Führen eines reitpädagogischen Betriebs viel Sinn. Mit dieser Arbeit kann ich den Kindern ein Stück Fröhlichkeit schenken.  Die begeisterten Eltern würdigen meine Arbeit, die für mich selbst sinnstiftend ist. Meinen Ponys macht es Spaß und ich brauche nicht einmal eine aufwendige Reitanlange! Leider kann ich momentan keine Kinder mehr nehmen. Meine Warteliste gebe ich gerne an meine Kollegin vom Nachbarort weiter,“ so Eva, FEBS® und GRIPS Reitpädagogin Nähe Melk. Auch ihre Kollegin hat bereits eine Warteliste.

Die stete Zunahme reitpädagogischer Betriebe hat System. Die Teilnahme an den Lehrgängen ist unabhängig von einer Mitgliedschaft möglich.
Wir sind mit der Zeit gegangen und haben von Anfang an die Absolventen und Absolventinnen in ihrem Selbstverständnis als Unternehmer gefördert und praxisnahe Inhalte geboten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich viele mit unseren Bildungsprodukten erfolgreich selbständig gemacht haben und ihrem Lebenstraum dadurch ein Stück nähergekommen konnten. 

Die Reitpädagogik nach Sabine Dell’mour ist eine sinnvolle Investition in die seelische, geistige und körperliche Fitness von Menschen, die gerne mit Pferden zusammen sind.
FEBS® Spielgruppe für Kinder von 3-9 Jahren, der Weg zum Freien Reiten GRIPS® ab 8 Jahre und auch als reittherapeutischer Ansatz HIPS® in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Umwelt und Agrarpädagogik.

Weiterführende Links

Infos zu den Anbieterinnen und zu den Lehrgängen:
www.lfi.at, www.reitpaedagogik.at, http://www.agrarumweltpaedagogik.ac.at/fort-und-weiterbildung/lehrgaenge-fuer-lehrerinnen-beraterinnen-und-interessierte/hips-reittherapie/index.html

Zur Person

Sabine Dell’mour hat – nach eigenen negativen Erlebnissen beim Reiten-Lernen und Unterrichten – Ende der 1990er Jahre nach einem eigenen Weg in der Reitausbildung gesucht – und die „ganzheitliche Reitpädagogik“ entwickelt, die moderne Pädagogik mit aktuellen Erkenntnissen der Biomechanik verbinden sollte. Im Unterricht darf man Reitschüler nicht in eine Zwangshaltung bringen, so ihr Credo, sondern muss ihnen beibringen, die Bewegungen des Pferdes zu spüren und ihnen zu folgen. Ziel ist ein freier, unabhängiger und geschmeidiger Sitz als Voraussetzung für die weitere reiterliche Ausbildung. Die Methode, mit der dies alles vermittelt wird, ist eine spielerische, die sowohl dem Geschlecht als auch dem Alter der Kinder bzw. Erwachsenen angepasst sein muss. Dell’mour „Meine Kinder lernen spielend anatomisch korrektes Reiten“ – so kann man es zusammenfassen.
1999 hat Sabine Dell’mour ihre Methode in Form eines ,Reitkindergartens‘ erfolgreich ausprobiert – und 2000 den ersten Ausbildungslehrgang zusammen mit dem Ländlichen Fortbildungsinstitut der Landwirtschaftskammer Oberösterreich durchgeführt. Diese Lehrmethode „Reitpädagogische Betreuung – FEBS®“ (F = Fantasie, E = Erlebnis, B = Bewegung, S = Spiel) vermittelt Kindern in kleinen Gruppen unterschiedliche Bewegungserfahrungen mit und auf dem Pferd. Die Reaktionen auf diesen ersten Lehrgang waren so positiv, dass daraus eine bundeszertifizierte Ausbildung wurde, die mit großem Erfolg angeboten wird und 2016 um das pädagogisch-therapeutische Angebot HIPS (= Heilsames Intuitives Pferdesetting nach Dell’mour) erweitert wurde.

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