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Basiswissen Hippologie: Pferdekauf ohne Reue
07.06.2025 / News

Der Kauf von Pferden ist eine schier unerschöpfliche Quelle von Zerwürfnissen, Streitereien und Gerichtsverfahren. Dr. Reinhard Kaun fasst die wichtigsten Fakten und Sachverhalte zusammen und weist auf die häufigsten Ursachen für rechtliche Auseinandersetzungen hin.

 

Der Chefredakteur des hippologischen Forums PROPFERD, Herr Mag. Leopold Pingitzer, setzt mich von Zeit zu Zeit über Reichweite und Leserkreis in Kenntnis, da durch meine Absenz von jedweden Sozialen Medien mir persönlich solche Informationen nicht zugänglich sind.

Ich weiß deshalb, dass meine Leser aus zwei Gruppen bestehen, wobei die erste – fast möchte ich sagen, dass sie zur „Familie“ gehört – sich aus mehreren Hundert Stammlesern zusammensetzt, die sich auch – wie ich vernehme – von Zeit zu Zeit über die unterschiedlichen Medien äußern.

Die zweite Gruppe rekrutiert sich aus zufälligen oder gelegentlichen Besuchern, die infolge von Suchbegriffen oder Recherchen zum „Thema Pferd“ auf www.propferd.at landen – und erfreulicherweise – dann auch meist zum Leserstamm stoßen und bleiben.

 

Am Beginn der Artikelfolge „Hippologische Vorlesungen“, der jetzt doch schon einige Monate und Publikationen zurückliegt, habe ich die Bezeichnung „Vorlesung“ mit Bedacht und deshalb gewählt, weil in dieser Serie ein großes Thema, nämlich die „Angewandte, ethische und forensische Hippologie“ kapitelweise abgehandelt wird, die Einzelscheiben am Ende dann ein großes Ganzes darstellen werden und sollen.

Die Basis dieser „Reihe“ stellt eine Power-Point- Arbeit von über 600 Folien dar, die ich vor einigen Jahren in mehrwöchiger Arbeit zusätzlich mit meinen Texten kommentiert und „auf Band“ besprochen habe, mit dem Ergebnis, dass viele Stunden „Vorlesungen“ als Gesamtdokument fertiggestellt werden konnten.

Im Zuge dieser jetzigen Publikationsserie wird der bestehende Stoff noch einmal einer kritischen Prüfung und korrigierenden oder aktualisierenden Überarbeitung unterzogen; dennoch – und das ist mir natürlich vollkommen bewusst – lassen sich insbesondere für Stammleser vielleicht manchmal ermüdende Wiederholungen nicht vermeiden; Themen, die bei wichtigen Pferde- Fakten eben eine besondere Bedeutung haben – was in einem anderen inhaltlichen Zusammenhang manchmal als banale Wiederholung eines (vermeintlich schon bekannten) Themas wirken mag, kann vor allem im Aspekt der Forensischen Relevanz neue Aussagekraft gewinnen – wie es halt in einer Vorlesung vor interessiertem Publikum auch realiter zugeht und wie es meine Vortrags- und Vorlesungstätigkeit über nunmehr 56 Jahre immer auch bewiesen hat.

Ob nach den Vorlesungen über Sportpferdetraining, Präklinisches Notfallmanagement und Katastrophenmedizin, Forensische Veterinärmedizin und Sachverständigenwesen an der Veterinärmedizinischen Universität Wien …… 

 

…….oder im Rahmen von Großdemonstrationen für „Hunde und Pferde-Notfälle“ bei der RETTER MESSE in Wels……..

 

…..stets waren Echo und Begeisterung der Studierenden…..

 


….oder der Kursteilnehmer – hier zur Pferdesanitäter-Ausbildung (eine Kavalleristen-Abteilung unter dem Kommando von RA Dr. Günther Dobretsberger, die sich mit großem Ernst der gesamten Ausbildung unterzogen hat) …..

 

…..und der Zuschauer groß und zustimmend. Persönliches Feedback und das Gespräch von Angesicht zu Angesicht werden bei reiner Schreibtischarbeit und Online-Aktivität zunehmend aber schmerzlich vermisst. 


Jetzt – im hohen Alter – wurden, von gelegentlichen Onlineveranstaltungen abgesehen, aus den „Vorlesungen“ vielmehr Be-Schreibungen, Schilderungen, Geschichten und Erzählungen aus dem Fundus einer tiefen Lebenserfahrung; und ich muss zugeben, die „Hörer“, meine „Hörer“, gehen mir ab; der mit gespannten Gesichtern meist volle Hörsaal war stets ein aufbauendes Erlebnis.

 

 

Auch über den Kauf von Pferden wurde schon wiederholt geschrieben, in früheren Serien wurden Gerichtsfälle vorgestellt und auch diesmal wird – allerdings in neuen - Episoden dargestellt, wo die Quelle der Zerwürfnisse, Streitereien und Prozesse entspringt.

Eine bedauerliche Erkenntnis in dieser Hinsicht ist ganz offensichtlich, dass „moderne Menschen unserer Zeit“ vielfach verlernt haben, einen Text gründlich zu lesen, einen Sachverhalt zu studieren, anstatt ihn oberflächlich zu überfliegen und nur das Bequeme als Gewinn für das eigene Selbst „herauszulesen“; eine bedenkliche Entwicklung; wir – Chefredakteur Mag. Pingitzer und ich – wollen bewusst mit inhaltreichen Publikationen und Berichten einen Gegenpol bilden:

„70 – 80 % der Studenten an der deutschen Universität O. haben massive Probleme, sich auch nur mittelschwere Texte zu erarbeiten“ beklagt der Althistoriker M.S., oder „Viele Erstsemester erwarten, dass sie alle Informationen mit dem Löffel gefüttert bekommen. Wenn man ihnen sagt, lest doch einmal in einem Lehrbuch nach, sind viele geschockt!“ berichtet J.E., Biologin, Universität T. (Quelle: Ein Buch lesen? Ganz?!, A. Agarwala & M. Spiewak; DIE  ZEIT Nr. 18)
  
 


Immer wieder kann man auf Dokumenten, die sich konkretisierend und beschreibend auf Pferde ohne Farbabzeichen beziehen, dass sie keine „Abzeichen“ besäßen: eine solche Dokumentation ist aber falsch, denn zu den angeborenen Abzeichen gehören neben den angeborenen Farbabzeichen auch charakteristische Haarwirbel und die Form der Kastanien.

Haarwirbel haben eine besonders individuelle Lage, Form und Zahl an der Stirn und an beiden Seiten des Halses, während die Haarwirbel an der Brust und an den Flanken und Hosen nur wenige individuelle Besonderheiten aufweisen.

Bei den Stirnwirbel ist die Anzahl (meist einer, gelegentlich auch zwei, in seltenen  Fällen auch drei), ihre Lage entweder in der Mittellinie oder seitlich verschoben bzw. in, über oder unter Augenhöhe von bezeichnender Eigentümlichkeit. Stirnwirbel können auch sehr prägnante Formen aufweisen (die zu beschreiben sind), noch mehr trifft dies für die Haarwirbel am rechten und linken Seitenhals zu: von der einfachen Haar-Wirbelform über gestielte und federförmige Varianten kennt die Natur viele Spielarten, die jeweils für ein Pferd charakteristisch sind.

Die Haarwirbel müssen im Pferdepass eingezeichnet und beschrieben werden, zur Dokumentation empfiehlt sich auch Fotografie und Speicherung am Mobiltelefon.

 

 

Implantierte Chips können verloren gehen, entfernt und zerstört werden, Brände können verändert oder unkenntlich gemacht werden, Namen können geändert werden, Pferdepässe können verschwinden – Haarwirbel aber bleiben und sind häufig (zu wenig) beachtet Merkmale; wenn sie im Dokument korrekt festgehalten wurden, kann man sie als „Geheim-Codes“ lesen, z.B. als Handy- Fotos gespeichert und jederzeit vergleichbar.

Auch in unseren Breiten treiben bandenähnliche Personengruppen, die alle zwei Jahre ihr Wohnsitz-Bundesland wechseln,  ihr Unwesen mit Kauf, Verkauf, Tausch und Untergang von Pferden – deren Pferdepässe werden anderen Pferden zugeordnet, weil „sich der Käufer eh` nicht auskennt“ – Braune ohne Farbabzeichen sind beliebte Hehlerware, als besonders „liebes Schnäppchen“ angeboten, in Wirklichkeit zum Leben im Ausgedinge von naiven Leuten abgegeben, brav infolge Wasserentzug, zur Zeit nicht lahm infolge medikamentöser „Nachhilfe“ und vier Wochen Boxen-Arrest. 

 

 

Mir sind Fälle beim „Kauf auf Probe“ untergekommen, in denen die Person, die sich als „Verkäufer“ vorgestellt hatte, tatsächlich aber der Lebensgefährte der Pferdeigentümerin war, die von einer Verkaufsabsicht nichts wusste; 

…in denen der Verkäufer der Ehemann (im internationalen Dressursattel zu Hause) einer nicht unbekannten Pferdemedizinerin war, die eine sehr günstige Ankaufuntersuchung für das sehr teure, aber lahme Pferd „verfasst“ hatte, das als „Maturageschenk für das Töchterl“ (wohnhaft in einem anderen Staat) vom vermögenden Vater gedacht war. Zusammen mit der Probezeit endete auch die Wirkung der heilenden Hände – ein endloses Verfahren war die Folge, das den alten Spruch zu neuer Aktualität erhob: „Suche den Feind im Schatten deiner Hütte – oder in diesem Fall: Deines Reitstalles!“

 

 

Zugesicherte Eigenschaften, die für einen Kauf Voraussetzung waren, aber nicht erfüllt wurden, zählen sehr oft zum späteren Zankapfel – also gemäß Homer in der „Ilias“: Der goldene Apfel der Zwietracht, denn Zank ist mit heftigem Wortwechsel und Streit gleichzusetzen. Dies insbesondere dann, wenn die Ansprüche des Klägers/Käufers nicht mit den Zusicherungen des Beklagten/Verkäufers übereinstimmen oder wissentlich durch Rechts-Sekundanten – verzerrt werden.

In einem schon aus anderen, vom verfahrensgegenständlichen Pferde losgelösten Rechtsstreit um Zuständigkeiten, Anschriften und Vollmachten, wurde eine Stute gemäß der Klage als „Freizeit- und Vielseitigkeitspferd“ gekauft, was an sich schon ein Widerspruch – Freizeit gegen Turnierpferd – ist. In einem weiteren Vorbringen wurde dann die Kaufabsicht auf ein „Freizeit-, Vielseitigkeits- und Orientierungspferd“ erweitert, bei der Kaufuntersuchung wurde etwas später als beabsichtigter Verwendungszweck „sport“, insbesondere „dressage“ angegeben.  Auf der Wunschliste stehen also vier verschiedene Einsatzmöglichkeiten, die – wie  für wahre (und wahrhaftige) Pferdeleute leicht zu erkennen ist – doch vom Typ und der Anforderung her weit auseinanderklaffen.

Im Trüben zu fischen bedeutet Verschleppung der Wahrheit, die dann oft mühsamer und langwieriger Erforschung bedarf – nicht Gerichte oder Sachverständige verschleppen Verfahren, sondern Ungenauigkeiten, fehlerhafte Darstellungen, Ungereimtheiten, Mangel an Kooperation und, und, und: wenn das Pferd nicht mittlerweile gestorben ist, streiten „sie“ heute noch – manchmal selbst dann.

 

 

Zugesicherte Eigenschaften verbergen sich nicht in einer geheimen Schatulle, ein Pferd trägt sie – offen und abrufbar – mit sich herum, ein Pferdekäufer muss aber in der Lage sein, diese den Besitz oder das Fehlen dieser Eigenschaften zu sehen, zu erkennen und sie abzurufen: viele gut ausgebildete und exzellent erzogene Pferde verkommen, weil sie in die vielzitierten „falschen Hände“ kommen; es sind nicht immer die Groben, die Gefühllosen, die Eiskalten – nein – es sind oft weiche, nachgiebige und inkonsequente Personen, mangels eigenen Wissens und Könnens (und auch ihrer Unbelehrbarkeit) unfähig, den Pferden das zu geben, was sie zu ihrer Sicherheit und somit ihrem Wohlbefinden am Dringendsten benötigen - klare und konsequente Regeln und ,verstehbare und logische Abläufe in einem geschützten Umfeld:

– beim Führen
– beim Anbinden und Stehen in Box und Stallgasse
– beim Verlassen und Betreten der Box, Führanlage, Waschplatz
– bei der Verabreichung von Futter
– bei der Fell-, Langhaar- und Hufpflege
– beim Aufzäumen
– beim Auf- und Absatteln, Nachgurten, und Aufschirren
– beim Aufsitzen ruhiges Stehen
– beim An- und Ausspannen ruhiges Stehen
– beim Hufschmied und Beschlagen
– bei einer (tierärztlichen) Untersuchung (Impfung/Injektion)
– bei  Begegnung mit anderen Pferden.

Wenn manche werte Leserin, mancher geschätzte Leser nun diese Ansprüche als (wie es Anwälte zu bezeichnen pflegen) „Sowieso – Punkte“ abtun, so unterliegen sie einem Irrtum – ein Großteil der Mängelrügen hat hier den Ursprung.

Der Kauf/Verkauf eines Pferdes geht – vorhersehbar – mit tiefgreifenden Veränderungen für das Tier einher: die handelnden Personen werden andere, bisherige Stallgefährten bleiben zurück, das neue Umfeld, nach langem Transport, ist verwirrend, der Tagesablauf ungewohnt – um dem Pferde Stabilität, Sicherheit zu geben, um ihm sein Wohlbefinden wieder erlangen zu lassen, ist grundlegend zu beachten, dass der Rahmen an Regeln und Abläufen weitgehend dem bisher Gewohnten entspricht und nur langsam, behutsam (bei Bedarf) geändert und angepasst wird.

Wie aber soll dieser „fromme Wunsch“ erfüllt werden, wenn der neue Eigentümer oder Besitzer das Pferd telefonisch oder Online erworben hat, ohne es je kennengelernt zu haben??? Ohne die Üblichkeiten, Stall- und Umgangsregeln in der bisher gewohnten Sphäre des Pferdes kennengelernt zu haben, ohne die oben aufgezeigte „Check-Liste“ Punkt für Punkt erfasst zu haben. Es ist kurzsichtig, ein Pferd nur unter dem Sattel oder im Geschirr zu „be-urteilen“ – von dort kommt dann die letzte „Ausrede“!

In meinen Augen ist es grober Unfug, ein Pferd zu erwerben, dessen Gepflogenheiten, seine Manieren und Verhaltensweisen man nicht kennt und auch keine Bemühung darauf verwendet hat, sie kennenzulernen, es sei denn, man ist „reiner Verwender“, fernab jeder Bindung – wie bei Sendungen durch den Paketdienst: Bei Nichtgefallen liegt ein Rücksendeschein bei – also: Ab in den Karton!

Wenn nicht, gilt auch beim Pferdekauf der Grundsatz: „Drum prüfe, wer sich ewig bindet“ oder zumindest beabsichtigt, lange Zeit für den Gefährten PFERD  zu sorgen.

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Aus einer Vernehmung:
„Ich kaufe vier bis fünf billige Pferde pro Jahr, probiere sie auf Turnieren aus, wenn sie nicht passen, werden sie wieder weggegeben.“[zit.]
X.Y., Studentin der Geisteswissenschaften

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Gefühlskälte und Gleichgültigkeit in trauter Liaison mit Ehrgeiz und Ignoranz sind  in meinen Augen die widerwärtigsten Spielarten von Tierquälerei gegen Pferde.

 

 


Zur Anfrage einer Leserin:

 

Vor Kurzem stellte ich in dieser Vorlesungsreihe unter dem Thema „Einiges über Fahren“ den berittenen Vierspänner, vom Sattel gefahren, also „a la Daumont“ manchmal auch „a la d`Aumont“ vor. Eine zu dieser Anspannung passende Kalesche hat keinen Kutschbock.


Berittene Zugpferde gab es aber auch schon seht früh beim Militär, wie die beiden Abbildungen aus Das Pferd im Militärwesen [Gless; Militärverlag der DDR 1980] zeigen. Eine interessierte Leserin hatte zu diesem Thema angefragt. Die Herkunft der Bezeichnung „a la Daumont“ ist nicht ganz klar, manche Quellen beziehen sich auf einen Herrn von Daumont, andere wieder auf einen Landsitz in der Nähe des (fast) gleichnamigen Ortes, Sitz des französischen Adelshauses d`Aumont.

 

 

Die berittenen Pferde waren an eine „Protze“ gespannt, einen zweirädrigen Munitionskarren, an den ein Geschütz (das auf einer Lafette, einem fahrbaren Untergestell, montiert war) gehängt wurde. Das Abhängen des Geschützes für ein Gefecht, das sogenannte „abprotzen“, wurde bei den Artilleristen zum Vulgärausdruck für den Stuhlgang: „Den Arsch in Feuerstellung bringen“.

 

Gutachten, Entscheidungen, Patientenberichte, PPTs, Bilder und Lichtbilder, Grafiken sowie Literatur stammen aus dem Privatarchiv und ex libris Dris. Kaun. 
Meine Aufsätze, Publikationen, Betrachtungen und Kommentare zur Klinisch angewandten, forensischen und ethischen Hippologie stellen, wenn nicht anders gekennzeichnet, meine persönliche Meinung dar und sollen Pferdeleuten unserer Tage zur persönlichen Orientierung und helfen und dienen.
Personen aus dem kommerziellen Umfeld der Pferdewelt (Veranstalter von Kursen und Lehrgängen, Autoren, Publizisten, Sachverständige oder Rechtsberufe) mögen die, von Anstand und gutem Benehmen diktierte Regel, nicht zu stehlen, respektieren und deshalb Quellen gemäß der Zitiervorschriften benennen.
Sollten Leser meiner Schriften Einzelnes vertiefen wollen, so kann – unter den angeführten Bedingungen – aus dem reichen Fundus der Downloads von Univ. Lektor VetR  Mag. et Dr. med. vet. Reinhard Kaun auf www.pferd.co.at geschöpft werden – auch persönliche Kontaktaufnahme unter tierarztdr.kaun@pferd.co.at ist möglich – in sozialen Medien wird nicht verkehrt. 
  

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