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Durchbruch im Kampf gegen Hufrehe? Gen-Studie macht Pferdebesitzern Hoffnung
07.12.2021 / News

Hufrehe ist für das Pferd meist mit erheblichen Schmerzen verbunden, führt zu Lahmheit und einer deutlich verminderten Lebensqualität – und endet im schlimmsten Fall mit dem Einschläfern des betroffenen Tieres.
Hufrehe ist für das Pferd meist mit erheblichen Schmerzen verbunden, führt zu Lahmheit und einer deutlich verminderten Lebensqualität – und endet im schlimmsten Fall mit dem Einschläfern des betroffenen Tieres. / Symbolfoto: Archiv/World Horse Welfare

US-WissenschaftlerInnen haben mit Hilfe ausgefeilter genetischer Analysen neue vielversprechende Ansätze für die Früherkennung und Behandlung von Hufrehe entdeckt: Weitere Forschungen könnten nicht nur zur Entwicklung eines Bluttests, sondern auch zu neuen Medikamenten führen.

 

Hufrehe – eine Entzündung der Huflederhaut, bei der sich die Hufkapsel von der Lederhaut ablöst – ist eine bei Pferdebesitzern gefürchtete Diagnose, und das leider zurecht: Die Erkrankung ist für das Pferd meist mit erheblichen Schmerzen verbunden, führt im fortgeschrittenen Stadium zu Lahmheit und einer deutlich verminderten Lebensqualität – und endet bei schwerem Verlauf nicht selten damit, dass das betroffene Tier eingeschläfert werden muss.  „Hufrehe ist ein ernstes Problem für das Pferd und seinen Besitzer“, weiß auch Dr. Samantha Brooks, außerordentliche Professorin für Pferdephysiologie am Institut für Lebensmittel- und Agrarwissenschaften der Universität von Florida – und ihr ist auch klar: „Wir haben derzeit nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, um die Krankheit selbst zu behandeln. Wir behandeln Symptome, Schmerzen und mechanische Instabilität, haben aber noch nichts gegen die Ursache.“

Studien zu Hufrehe wurden bisher durch den Mangel an genetischer Information spezifisch für Hufgewebe behindert. Um diese Einschränkung zu überwinden, griffen WissenschaftlerInnen der Universität von Florida und der Universität von Pennsylvania auf die „New Bolton Center Laminitis Discovery Database“ der Universität von Pennsylvania zu, ein Archiv mit Daten und Proben von natürlich vorkommenden Hufrehe-Fällen, die seit 2008 gesammelt wurden. Mit dieser Datenbank untersuchten die Forscher 36 archivierte Gewebeproben von 20 Vollblutpferden, die wegen Hufrehe behandelt wurden. Über ihre bemerkenswerten und möglicherweise bahnbrechenden Ergebnisse berichtete vor kurzem die Fachzeitschrift ,BloodHorse’.

Es gibt – so Dr. Samantha Brooks – drei Arten von Hufrehe, die alle die Struktur und Funktion des Pferdehufes beeinträchtigen. Die neue Forschungsarbeit lieferte eine Momentaufnahme der aktiven Bahnen und Funktionen des Hufes, wobei der Schwerpunkt bei der sogenannten Belastungsrehe lag – jener Form der Hufrehe, der auch das berühmte Rennpferd Barbaro erlegen ist. „Wir verstehen zwar die Situationen, die eine Hufrehe auslösen, aber wir haben kein gutes Verständnis dafür, was dabei genau im Huf passiert. Mit unserer Studie wollten wir einen sehr umfassenden Blick auf die Prozesse zu Beginn der Entwicklung der Hufrehe werfen“, so Dr. Brooks. Mithilfe einer Genexpressionsanalyse katalogisierten die Forscher die Veränderungen der Gentranskription bei den 20 Pferden. Einige hatten gesunde Hufe, einige befanden sich in einem frühen Krankheitsverlauf und andere in einem fortgeschrittenen. Die ForscherInnen versuchten, durch ihre umfangreichen Analysen Trends im Krankheitsprozess aufzuspüren.

„Indem wir die Datenbank meines Labors anzapfen und die beispiellose Expertise von Dr. Brooks in der Pferdegenetik und Transkriptomanalyse einbeziehen, haben wir neue und vielversprechende Wege bei Zellstress und Entzündungsreaktionen identifiziert, die unser Verständnis der Unterstützung der Hufrehe und ihrer Krankheitsprozesse erheblich verbessern“, meinte Dr. Hannah Galantino-Homer, VMD, PhD, DACT, leitende Forscherin in der Hufrehe-Forschung am New Bolton Center der Veterinärmedizinischen Universität von Pennsylvania.

Die Recherche führte zu drei zentralen Erkenntnissen.

Die erste bezieht sich auf Keratin, ein wichtiges Strukturprotein, das hilft, die strukturelle Integrität von Materialien wie Haaren, Nägeln und Pferdehufen zu erhalten. Diese Studie war eine der ersten, die die Veränderungen in der Keratinfamilie durch den Hufrehe-Krankheitsprozess untersuchte. Einige der mit Keratin in Zusammenhang stehenden Gene und die Regulierung des Herstellungsprozesses der Zelle begannen mit Beginn der Krankheit nachzulassen. Dies ist ein unmerklicher, schleichender Vorgang – vergleichbar etwa mit einem Autoreifen, der langsam Luft verliert: Er läuft zwar noch, büsst aber immer mehr seine Funktion ein und wird langsamer.

Zweitens: Eine andere Art von Zellmaschinerie, die häufig bei Hufrehe untersucht wird, ist eine Klasse von Enzymen, die Metalloproteinasen genannt werden; Enzyme, die den Erhalt des Zytoskeletts unterstützen. Diese Enzyme müssen ein sorgfältiges Gleichgewicht aufrechterhalten. Hufe müssen in der Lage sein, unter dem Gewicht des Pferdes zu wachsen und nicht zusammenzubrechen, was ein Gleichgewicht zwischen Umbau und Gewebeaufbau im Huf erfordert. Wenn die Metalloproteinasen zu aktiv werden, verliert der Huf an struktureller Festigkeit. Eine frühere Theorie zur Behandlung dieses Prozesses bestand darin, zu verhindern, dass diese Enzyme zu aktiv werden. Eine Behandlung, die auf diese Enzyme abzielt, könnte jedoch auch das Hufwachstum stoppen, was wahrscheinlich zu weiteren Problemen führen würde.

Und drittens: Wenn Keratin abgebaut wird, führt eine Entzündung im Huf zu Hufrehe. Wissenschaftler fanden eine Sammlung von Genen, die für die Auslösung dieser Entzündung verantwortlich sind, was den Weg für zukünftige Medikamente zur Behandlung der Entzündung ebnen könnte. Die Gene führten zu der Annahme, dass einige menschliche Entzündungsmedikamente gegen Autoimmunerkrankungen Pferden mit Hufrehe helfen können. Veränderungen der Genexpression in erkranktem Gewebe spiegeln sich häufig in Veränderungen der Proteine wider, die im Verlauf der Erkrankung im Blut nachgewiesen werden können. Zum Beispiel wiesen in dieser Studie spezifische Proteine oder Biomarker, die im Blut des Menschen nach einem Schädel-Hirn-Trauma ansteigen, eine erhöhte Expression in den Proben von Pferden mit Hufrehe auf. Ärzte haben diese Verbindungen verwendet, um die Schwere dieser Verletzungen beim Menschen einschätzen zu können, ohne weitere bildgebende Verfahren oder invasivere Tests zu verwenden. Brooks hofft, dass dies als Instrument auch zur Überwachung des Fortschreitens einer Hufrehe beim Pferd verwendet werden könnte.

„Wir erkennen eine schwere Hufrehe leider oft erst dann, wenn es ganz schlimm geworden ist“, sagte Brooks. „Frühzeitige Überwachungstools und Möglichkeiten zur Bekämpfung der Krankheit waren aufregende Ergebnisse, aber wir brauchen weitere Forschung, bevor diese neuen Tools einsatzbereit sind.“  Dr. Brooks hofft, dass diese Forschung letztlich zur Entwicklung eines Bluttests führen kann, um die neuen Biomarker im Zusammenhang mit Hufrehe zu erkennen – und am Ende auch zu wirksamen Medikamenten für die an der Krankheit leidenden Pferde.

„Letztendlich weisen uns diese neuen Erkenntnisse auf einen gezielteren Ansatz für zukünftige Forschungen hin, von dem wir hoffen, dass er dazu beitragen wird, neue Lösungen zur Vorbeugung und Behandlung dieser schweren, stark beeinträchtigenden Erkrankung zu finden“, gibt sich auch Dr. Galantino-Homer zuversichtlich. Auch Dr. Samantha Brooks ist angesichts der jüngsten Entdeckungen optimistisch: „Dies ist ein großer Schritt zur Verbesserung unseres Verständnisses von Hufrehe. Was uns vor zehn Jahren noch als völlig unheilbar erschienen ist, könnte in weiteren zehn Jahren möglicherweise frühzeitig behandelbar sein und einen entscheidenden Unterschied für den Verlauf der Erkrankung bedeuten.“

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