Sicherheit für Pferde und Menschen: Provozierte Gefahren 11.03.2023 / News
In der Artikelserie von Dr. Reinhard Kaun geht es diesmal um die Gefahren und Risiken, die im alltäglichen Umgang mit Pferden lauern und häufig – sei es aus Unwissenheit, Unachtsamkeit oder Leichtsinn – oftmals geradezu provoziert werden, wie eine Reihe von Praxisbeispielen zeigt.
Schwerer Reitunfall einer Anfängerin im Rahmen einer Spring-Stunde Risikofaktoren: Gleichgewichts- und Balanceprobleme – pullendes Pferd – Sprünge in Richtung Stall
Materialmangel beim Bügelriemen – es sollte auch immer ein Reserveloch „nach oben“ geben.
Materialmangel beim Bügelriemen – kausal für einen Unfall
Der Mensch, der für das „zerkratzte“ Pferd die Verantwortung trägt, hält offenbar nichts von diesem Verbot und würde das tolerierte Risiko auch überschreiten.
Selbst dort, wo auch Pferde „baden“ dürfen, ist höchste Vorsicht geboten. Schwimmen mit Pferden ist gefährlich und will gekonnt sein!
Dies ist wohl eine „Privatmitteilung“ – dennoch ist es ratsam, hier das Pferd zu führen.
Alles Mögliche kann (absichtlich oder unabsichtlich) über dem Weg liegen ...
Der Waldbesitzer warnt – man sollte ihm glauben.
Szene am unmittelbaren Rande eines Dressurturniers mit mehr als 100 beteiligten Pferden – ein Kommentar ist nicht nötig!
Risikofaktoren: Zäumung, Verwahrung, Kleidung
In einigen europäischen Ländern verweigern Versicherungen bereits die Leistung, wenn keine pferdegerechte Kleidung und Ausrüstung getragen wurde.
Diese Adjustierung ist im Sattel nicht nur höchst geschmacklos, sondern für einen Ausritt (wie hier im Bild) auch sehr gefährlich.
Was nützen die schönsten Tafeln in der Reithalle – die Zigarettenpackung liegt bereit……….
……und das „Ergebnis“ gleich unterhalb am Boden!
Tote Tiere stellen durch Cadaverin und Putreszin – die Leichengifte – eine Gefahr für Pferde dar. Die tote Katze lag eine Woche lang unter dem Transporter in unmittelbarer Nähe der Stallungen eines Ausbildungsbetriebes.
Pferde verabscheuen Leichengeruch zutiefst – ein häufiger Grund, warum sie gewisse „Ecken“ und „Wege“ scheinbar grundlos – ja panisch- meiden. Das Einschläfern in Reithallen, auf Reitplätzen oder Weiden sollte man deshalb unbedingt vermeiden.
Vorhersehbares Fütterungsrisiko: Verschwitzte Sattelunterlagen verursachen Schimmelbildung, verdorbene Heu- und Strohballen müssen verbrannt werden.
Aus unerfindlichen Gründen wird gerade bei Kindern gespart, wenn es um gute Ausrüstung geht – nur eine Handvoll alter „Einheitshelme“ stehen in nicht wenigen Betrieben zur Verfügung – es verwirklicht sich der Weisheit: Ein schlecht passender Helm verursacht die Verletzungen, vor denen er schützen sollte.
……dass hier die Bügelriemen nicht passen, ist evident…..
…..aber das ist auch keine (gute und korrekte) Lösung.
Auf jedem Gespann müssen (FEI)/sollten Beifahrer sein – ob Groom, Lady-Groom oder Gentleman- Groom ist unerheblich – aus Sicherheitsgründen entscheidend ist aber pferdegerechte Kleidung!
Die Dame im Besitze dieser schlanken Fessel war „Beifahrerin“ anlässlich einer Parade – und nicht, wie man annehmen könnte, als Bock-Dame neben dem Fahrer – im Fond saßen nämlich „unbedarfte“ Ehrengäste.
(Quelle: ein Freizeitpark in Norddeutschland, dessen Namen der Autor vergessen hat.)
Jede Person, die mit Pferden umgeht und/oder Pferdesport betreibt, muss ihre persönlichen Grenzen für toleriertes Risiko selber und individuell definieren – entscheidend ist dabei die Frage, ob diese Entscheidung im Schadensfalle auch vor Gericht vertreten und bewiesen werden kann.
17.02.2023
ZUR SERIE: „Sicherheit für Pferde und Menschen“ ist eine Artikelserie von Dr. Reinhard Kaun, die in unregelmäßiger Folge auf PRO PFERD erscheinen wird und zum Sammeln gedacht ist. Die fachliche Basis stellt die im Jahre 2014 ins Leben gerufene Ausbildung zum „Sicherheitsexperten Pferd“ (Equine Awareness Manager) dar.
ZUM AUTOR: Dr. Reinhard Kaun ist Tierarzt seit 1969 und ständig beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, der im Laufe seiner 33-jährigen Tätigkeit als Gerichtsgutachter mehr als tausend Gutachten erstattet hat. Neben vielen Qualifikationen im Pferdesport (z.B. FEI-Tierarzt, Turnier- und Materialrichter, FEI-Steward, Dopingbeauftragter) war er als Fachtierarzt für Pferdeheilkunde und Fachtierarzt für Physikalische Therapie und Rehabilitationsmedizin tätig.
HINWEIS: Sämtliche Quellennachweise sind bei Bedarf beim Autor abrufbar. Sollte an einem Quellennachweis ein Zweifel bestehen, so ist der Autor unter www.pferd.co.at zu kontaktieren.
KommentareBevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...Weitere Artikel zu diesem Thema:25.02.2023 - Sicherheit für Pferde und Menschen: Gefahren am Turnier
Sicherheit für Pferde und Menschen: Gefahren am Turnier 25.02.2023 / News
In der Artikelserie von Dr. Reinhard Kaun geht es diesmal um die Gefahren und Risiken auf pferdesportlichen Veranstaltungen. Hier verlangt die Vielzahl möglicher Gefahrenquellen ein besonderes Sicherheitsbewusstsein und verantwortungsvolles Handeln von allen Akteuren – was aber häufig durch Leichtsinn und Gedankenlosigkeit konterkariert wird, wie Beispiele aus der Praxis zeigen ...
Ambiente“ bei den Stallungen einer Bundesmeisterschaft.
Der Haflinger-Einspänner kommt gerade von einer sehr anspruchsvollen Marathonstrecke zurück – zur Belohnung darf er noch zwei gewichtige Personen ziehen, anstatt vom Beifahrer zu Fuß begleitet zu werden – der junge Mann, der so leger am Wagen sitzt, riskiert dabei sein rechtes Bein.
Hoch auf dem blauen Wagen….“ – im rettungsdienstlichen Jargon ein „Sturz aus großer Höhe“ und Notarzt-pflichtig!
Selbst im schlechtesten „Western“ hat man mehr Respekt vor der Würde eines Pferdes…..
§ 1320 ABGB: „zu verwahren vernachlässigt….“
Viele Generationen begnadeter Geschirrmacher rotieren bei diesem Anblick wohl im Grabe – sieht man von den Scheuerwunden auf der Pferdehaut ab.
Aufstieg-Hilfen sind nicht für längere Fahrten oder Dauerbelastung konzipiert – drehende Räder amputieren Unterschenkel schnell, sauber und nahezu geräuschlos.
Die Anwendung der Lochzange an den Leinen bei angespanntem Pferd ist – nach Kenntnis des Autors – nicht Teil einer Marathonprüfung - Achenbach-Leinen können zwar vom Bock aus verschnallt werden, aber nur - während ein Beifahrer die Pferde sicher verwahrt.
Es scheint besonders cool geworden zu sein, vor oder nach der Marathonprüfung publikumswirksam am Bock herum zu lümmeln - das lästige am Fahrsport ist, dass auch Pferde dabei sind.
Rauchen am Bock oder im Sattel – sieht man vom schlechten Benehmen ab - wirft die „brennende“ Frage auf, wohin mit der glimmenden Kippe – natürlich in die strohdürre Wiese dieses Glutsommers! Wo sollte man sie denn auch ausdrücken??
Verladen von Pferden im Rahmen von Veranstaltungen ist immer risikobehaftet – Handschuhe und gutes Schuhwerk sollten Grundvoraussetzungen sein.
Der Verlade-Profi hilft im Problemfall weiter! Diese Bild stammt aus einer namhaften Pferdezeitschrift, deren Titel ich hier nicht nennen möchte“
Ritterspiele in Jedenspeigen
Die Schlacht bei Dürnkrut und Jedenspeigen am 26. August 1278 – auch als Schlacht auf dem Marchfeld bekannt – wurde um das Erbe der Babenberger geschlagen. Sie gilt als eine der größten Ritterschlachten Europas. Der 60-jährige Rudolf I. von Habsburg, der am 1. Oktober 1273 zum römisch-deutschen König gewählt worden war, stellte sich hier erfolgreich dem etwa 46-jährigen Ottokar II. entgegen und legte so den Grundstein für die Dynastie der Habsburger im Bereich des heutigen Österreich. Benannt ist die Schlacht nach den beiden Orten Dürnkrut und Jedenspeigen im Marchfeld in Niederösterreich, zwischen denen sie stattfand. In den beiden Gemeinden Dürnkrut und Jedenspeigen wird seit dem Jahr 2003, jeweils im Wechsel, im Gedenken an die Schlacht ein Mittelalterfest veranstaltet. (Wikipedia)
Gestütsparade Privatgestüt in MVP
„Stunt“ – gefährliches, akrobatisches Kunststück – „Stuntman, Stuntgirl“ – jemand, der berufsmäßig gefährliche und akrobatische Szenen für Hauptdarsteller übernimmt. [DUDEN Das Fremdwörterbuch; 5. Auflage]
Kommentare sind hier überflüssig!
Eine Begleiterscheinung der Show – eine „wahre“ Wohltat für „Laden“ und Ansatz diese Pferdes.
Als Ende der achziger Jahre des letzten Jahrtausends Thomas Fröch bei einem Verkehrsunfall unschuldig und völlig sinnlos sein junges Leben verlor, war es der Wunsch seines Vaters, des bekannten Fahrers und Turnierrichters Fritz Fröch, dass sein Sohn mit jenem Dressurwagen, auf dem er so oft als Beifahrer in unnachahmlich eleganter Haltung mit hohem Zylinder als Beifahrer gedient hatte, zu Grabe gefahren werden sollte. Der Zug wird angeführt von Hans Gschwandtner und Ing. Helmut Kouluch, Josef Leitner und dem Wagenbauer Fritz Hofmann, an den Leinen des Vierspänners ist Hans Wolf, als Beifahrer und Sicherer des Sarges dient der Autor dieser Zeilen.
Aus Sicherheitsgründen wurden die vier Pferde von vier erfahrenen Pferdemenschen geführt – es wurde dem erhöhten Risiko, das einem solchen Ereignis vorhersehbar innewohnt, kundig begegnet.
ZUR SERIE: „Sicherheit für Pferde und Menschen“ ist eine Artikelserie von Dr. Reinhard Kaun, die in unregelmäßiger Folge auf PRO PFERD erscheinen wird und zum Sammeln gedacht ist. Die fachliche Basis stellt die im Jahre 2014 ins Leben gerufene Ausbildung zum „Sicherheitsexperten Pferd“ (Equine Awareness Manager) dar.
ZUM AUTOR: Dr. Reinhard Kaun ist Tierarzt seit 1969 und ständig beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, der im Laufe seiner 33-jährigen Tätigkeit als Gerichtsgutachter mehr als tausend Gutachten erstattet hat. Neben vielen Qualifikationen im Pferdesport (z.B. FEI-Tierarzt, Turnier- und Materialrichter, FEI-Steward, Dopingbeauftragter) war er als Fachtierarzt für Pferdeheilkunde und Fachtierarzt für Physikalische Therapie und Rehabilitationsmedizin tätig.
HINWEIS: Sämtliche Quellennachweise sind bei Bedarf beim Autor abrufbar. Sollte an einem Quellennachweis ein Zweifel bestehen, so ist der Autor unter www.pferd.co.at zu kontaktieren.
18.02.2023 - Sicherheit für Pferde und Menschen: Risiko und Gefahren für Kinder
Sicherheit für Pferde und Menschen: Risiko und Gefahren für Kinder 18.02.2023 / News
„Sicherheit für Pferde und Menschen“ ist eine Artikelserie von Dr. Reinhard Kaun, die in unregelmäßiger Folge auf PRO PFERD erscheinen wird und zum Sammeln gedacht ist. Die fachliche Basis stellt die im Jahre 2014 ins Leben gerufene Ausbildung zum „Sicherheitsexperten Pferd“ (Equine Awareness Manager) dar. In Folge 2 geht es um die Risiken und Gefahren, denen Kinder im Umgang mit Pferden ausgesetzt sein können.
Er war einer der berühmtesten Reiter seiner Zeit, seine Abenteuer im Sattel galten als wagemutig und tollkühn – seien es Sprünge in einen Steinbruch, Ritte auf den Eisschollen der gefrorenen Donau oder der mächtige Satz über ein Fuhrwerk.
Im „Sándor – Album“ sind die Szenen von seinem „Leib“-Maler J.G. Prestel festgehalten, der den ungarischen Hocharistokraten Moritz Graf Sándor von Szlavnicza (1805 – 1878) und dessen Leibpferd Tartar stets begleitete - und Szenen festhielt, die in unserer Zeit ohne Zweifel als „Überschreitung des tolerierten Risikos“ angesehen würden – Wagemut und Tollkühnheit – die Grenzüberschreitung wohnt diesen Begriffen bereits inne.
Es bedarf keiner großen Menschenkenntnis, anzunehmen, dass der in der Internetbeschreibung als „Sportler“ bezeichnete Graf Sándor Nachahmer gefunden hatte, er war also vermutlich Influencer und hatte Follower – nur die Bandbreite war aus den gesellschaftlichen Gegebenheiten dieser Zeit gering und beschränkt – dies ist in unserer Zeit grundlegend anders: vermeintliche wagemutige und tollkühne Eskapaden (Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, dtv 2000: „mutwilliger Streich, falscher Sprung eines Dressurpferdes, unbesonnene Handlung“) werden medienwirksam angekündigt, unter begeisterter Teilnahme vollbracht und – häufig – unkritisch nachgeahmt. Es wird zunehmend schwerer, an den mündigen und freien Willen aufgeklärter Menschen – auch in der Pferdewelt – zu glauben, wenn der normale Tagesablauf nur mehr mit „Handy-Assistenz“ von Bloggern, Gurus und Influencer zu bewältigen scheint. [Social Media -Zitat: „Schön langsam geht mir die Bevormundung auf die Nerven. Ach, wie haben wir damals überlebt, als es noch kein Händy (sic!) gab?“]. Vorbilder zu haben, ist keineswegs verwerflich, sofern das „Vorbild“ ein „Gesamtbild“ ist und nicht ein aus Scherben lückenhaft zusammengesetztes Mosaik – die Bedeutung solcher Betrachtungsweise ist für Umgang, Verkehr und Sport mit Pferden von essentieller Bedeutung.
Die Realität sieht aber anders aus, man kann auswählen:
– Springspezialisten
– Dressurspezialisten
– Fahrspezialisten
– Voltigierer
– Spezialist für Schnürlhalfter, Führstricke und spezielle Gerten
– Gurus für Bodenarbeit
– MeisterInnen der Kommunikation mit Pferden
– Ratgeber für Pferde mit psychischen Problemen (die darüber „reden“ wollen)
– Pferdetrainer im Nebenberuf
– …und nicht zu vergessen, die „Flüsterer“!
Die Liste ließe sich lange fortsetzen.
Pferde sind jedoch nicht teilbar, zweifelsfrei kann man je nach Begabung manche „Talente“ besonders fördern – jedoch im entscheidenden Moment der Gefahr bleibt ein Pferd ein Pferd – ungeachtet besonderen Könnens auf einzelnen Gebieten – die hippologische Wissenschaft nennt es die „Besondere Tiergefahr beim Pferd“, die in vielen Artikeln und Aufsätzen vom Autor immer wieder dargestellt wurde.
Gestütsparade in einem Privatgestüt in MVP
Als Hasardeur wird ein Mensch bezeichnet, der leichtsinnig und im Vertrauen auf sein Glück Risiken in Kauf nimmt und Alles aufs Spiel setzt, ohne Rücksicht auf andere Lebewesen [DUDEN: Das Fremdwörterbuch, 5., 1990] – Menschen und Pferde – Hasardeure haben in der Nähe von Pferden nichts verloren!
Der Autor sieht hier eine zeitgemäße und veritable Chance für Gurus, Blogger und Influencer als positive Verkünder eines Sicherheitsgedankens – in Wort und Bild – segensreich tätig zu sein.
Social Media: „Schlimm, aber Unfälle passieren und ich denke, dessen sollte sich jeder der reitet oder ähnliche Sportarten betreibt, bewusst sein.
Dann immer nach einem Schuldigen zu suchen, finde ich grenzwertig, denn solche Unfälle möchte keiner. Schuldzuweisungen helfen keinem.“
– Ungeklärte oder unklare Todesfälle oder schwere Verletzungen müssen in Österreich von Amts wegen aufgeklärt werden – es kann nicht einfach achselzuckend zur Tagesordnung übergegangen werden.
– Die Ermittlungsorgane Polizei und Staatsanwaltschaft klären in der Regel mithilfe Sachverständiger auf, ob ein strafrechtlich relevantes Verhalten kausal für den Tod eines Menschen war.
– Wird diese Frage bejaht, erhebt das Strafgericht (meist) Anklage.
– Die Recht- suchenden Menschen bekommen vom Gericht dann ein Urteil im Namen der Republik.
– Auf dieser Basis können Unfälle analysiert werden – diese Rekonstruktionen und Analysen sind die Grundlagen zukünftiger Unfall-Vermeidung.
– Entscheidungen aus Strafprozessen oder in deren Folge Zivilprozessen sind das Fundament der rechtlichen Aufarbeitung von Unfällen – Satisfaktion oder Genugtuung in psychischer Hinsicht kann ein Gericht nicht „liefern“.
Beim Risiko, das die Unternehmungen des Grafen Sándor begleitete, hat sich vermutlich die Frage nach Zulässigkeit oder Toleranz noch nicht gestellt – reich begütert und wirtschaftlich unabhängig wäre Graf Sándor selbst im Falle schwerer Verletzungen niemandem zur Last gefallen, mit Ausnahme seinem unmittelbaren Umfeld – er trug also die Verantwortung für sich, sein Handeln und sein Pferd weitgehend alleine.
Diese Situation hat sich durch die tiefgreifenden Veränderungen der Gesellschaft bis in unsere Zeit grundlegend verändert.
Ob ein „Tun“ sich innerhalb oder außerhalb des Erlaubten bewegt, wird – wie bereits auf Folie 11 dargestellt – von einer Fülle von Faktoren bestimmt, die ein Korsett für das Sicherheitsdenken darstellen, das von der Gesellschaft definiert wird und das keinen starren Charakter hat – kurz gesagt – es gibt keine normierte Liste oder keinen fixen Katalog von Handlungen im Umgang mit Pferden, die prinzipiell „erlaubt, nicht erlaubt, toleriert oder nicht toleriert“ sind, sieht man von klaren disziplinären oder strafrechtlichen Vorgaben ab.
Mag für einen vortrefflichen Reiter ein (geglückter) Sprung über einen Leiterwagen noch innerhalb der Grenzen liegen, träfe dies für einen mäßigen Reiter nach einem (missglückten) Sprung nicht mehr zu – es ist also immer der Einzelfall, der einer Beurteilung unterliegt.
Für viele Menschen verläuft die rote, nicht zu überschreitende Linie bedauerlicherweise erst dort, wo – wie`s im Jargon heißt: „die Versicherung aussteigt“ . [Social Media – Zitate: „Ich reite schon, seit ich klein bin und weiß über die Risiken bestens Bescheid – und somit ist es mein Risiko!“ oder „Gut, ich bin erwachsen, ist mein Risiko. Mein Pferd wird nach Hause laufen im Notfall…“] oder wo eine Handlung strafrechtlich relevant wird.
Es ist ein Fluch unserer Zeit, dass Gedanken nicht konsequent zu Ende geführt werden, das unselige Verb „andenken“, „es ist angedacht“ gibt davon beredtes Zeugnis – ein Gedanke wird aufgeworfen, aber nicht bis zur letzten Konsequenz zu Ende „gedacht“, nämlich dass möglicherweise eine Hundertschaft an „Rettern“ mobilisiert werden muss, um eine Person, die glaubt, riskantes Verhalten sei Privatsache, wieder zu finden, wenn das Pferd ohne Reiter verstört im Stall ankommt.
Der Autor hat zur Illustration seiner „Risiko-Rundreise“ aus seinem Bildmaterial, vielen Recherchebefunden und Realfällen „selbstredende“ Darstellungen zusammengetragen, in denen seiner Ansicht nach hart an die Grenzen des tolerierten Risikos heran gegangen bzw. diese überschritten werden. Beim Ausloten der Grenzen des tolerierten Risikos ist immer zu bedenken, ob ein Sinn für ein solches Verhalten ableitbar ist oder ob es – Sinn entleert - um reine Selbstdarstellung geht.
Es ist rechtlich anerkannt, sich unter bestimmten Voraussetzungen gefährlich zu verhalten. Ein Risiko oder eine Gefahr ist eine Situation, in der mit gewisser Wahrscheinlichkeit der Erfolgseintritt anzunehmen ist aus der ex-ante Sicht - (also aus vorheriger Einschätzung).
Maiwald, Jescheck FS, 405 (407) / Kindhäuser, Strafrecht AT, § 11 Rn. 6 aus Jasmin Hain: Was ist ein „erlaubtes“ Risiko? Seminar-Arbeit 2018.
Bei der Betrachtung der folgenden Bilder mögen Leser vorurteilsfrei und mit klugem Menschenverstand beurteilen, wie die dargestellte Situation aus dem Aspekt „Sicherheit für Pferd und Mensch“ einzuordnen ist, ob das dargestellte „Tun“
– riskant und gefährlich ist,
– ob ein Unfall zumindest möglich ist,
– einen erkennbaren Sinn hat,
– hippologisch wertvoll ist,
– und aus der „Sicht“ des oder der Pferde vertretbar ist.
Wenn Sie, geschätzte Leserschaft, bei den Bildern nicht auf den ersten Blick erkennen, worin hier ein riskantes Verhalten oder eine Gefahrensituation dargestellt sein bzw. bestehen soll, so bedenken Sie bitte, dass der Beurteilungsmaßstab der „durchschnittliche fleißige Mensch im Umgang mit Pferden“ ist. Der jeweilige Einzelfall wird nach Schadens- oder Unfällen dann im Auftrag der Gerichte, Staatsanwaltschaften oder Versicherungen von dazu zertifizierten Sachverständigen beleuchtet und analysiert – im Ergebnis, dem Gutachten, wird dann nach Befundaufnahme und Rekonstruktion der Ereignisse dargetan, ob Sie persönlich – werte Leserin, geschätzter Leser – vorhersehbar in der Lage waren, diese spezielle riskante Gefahrensituation zu erkennen und meistern.
Der erwartete und geforderte Sorgfaltslevel der Gerichte, Strafverfolgungsbehörden und Versicherern wird erkennbar jedenfalls in den letzten Jahren kontinuierlich und deutlich angehoben.
Risiko- und Gefahrensituationen für Kinder
Dieses Foto entstand während einer großen Veranstaltung in einem Pferdezentrum.
„Zentrifugieren“ eines Pferdes ohne Sicherheitsvorkehrungen für Mensch und Tier
„Titanen der Rennbahn“ mit hunderten Pferden und Zuschauern – laut und Tumult reich – Bück (BRD)
Tüchtiger oder untüchtiger Gehilfe zur Verwahrung des Gespannes?? Aufgenommen bei den Turnierstallungen anlässlich einer Staatsmeisterschaft im Gespannfahren.
ABGB § 1313a.
„Wer einem andern zu einer Leistung verpflichtet ist, haftet ihm für das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters sowie der Personen, deren er sich zur Erfüllung bedient, wie für sein eigenes."
Fotos wie dieses bzw. sehr ähnliche findet man wohl zu hunderten im Internet und sozialen Medien. Das Bild spricht wohl für sich selber – süß, nicht wahr?!! Und dazu kann man beispielsweise lesen: „Unsere „Lisi“ ist brav wie eine Kuh – jedes Kind kann mit ihr….“ (Abb.: Pixabay)
Der Verladevorgang – speziell unter den unruhigen Bedingungen eines laufenden Turniers, ist von Haus aus risikoreicher als unter normalen Umständen – dieses Pferd hat sich erheblich „geziert“, bevor es dann doch in den Anhänger ging – die gesamte Zeit über Stand das Kind auf der Verladeklappe.
Inmitten des Trubels am Rande des Springplatzes bei einer Staatsmeisterschaft spazierte – vermutlich der Opa – mit einem Kind in „etwas“ sorgloser Ausrüstung: man beachte „Zäumung“ des Pferdes und die völlige Schutzlosigkeit von Kopf, Händen und Füßen der Reiterin.
Gestütsparade auf einem Privatgestüt in MVP – der Fahrer fährt die vollbesetzte Coach mit dem Sechsspänner wie einen Marathonwagen, das kleine Kind neben ihm auf dem Bock durfte dann auch noch die Leinen übernehmen.
Wirklich Mutige werden auf diesem Bild keine Gefahr erkennen, denn schließlich trägt die Jugendliche Helm und Handschuhe – und „Balance“ ist auf einem Fahrrad auch kein Thema?? Ein kleiner „Insternburger“ im Pferdemaul – na ja! (Abb.: eine namentlich bekannte Reiterzeitung)
„Kindermarathon“ anlässlich der Gestütsparade auf einem Privatgestüt in MVP – mehrere Teilnehmer am Start – unterwegs in sehr flotter Fahrt – der Autor kann hier keinen erzieherischen Wert erkennen, wenn Minimalvoraussetzungen nicht erfüllt sind. „Früh übt sich“ – wer sich im späteren Leben über die überlieferten Grundsätze und Ausbildungsregeln hinwegsetzen wird: der fatale Satz “das hab` ich immer schon so gemacht“ wird so zur Wahrheit!
ZUM AUTOR: Dr. Reinhard Kaun ist Tierarzt seit 1969 und ständig beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, der im Laufe seiner 33-jährigen Tätigkeit als Gerichtsgutachter mehr als tausend Gutachten erstattet hat. Neben vielen Qualifikationen im Pferdesport (z.B. FEI-Tierarzt, Turnier- und Materialrichter, FEI-Steward, Dopingbeauftragter) war er als Fachtierarzt für Pferdeheilkunde und Fachtierarzt für Physikalische Therapie und Rehabilitationsmedizin tätig.
HINWEIS: Sämtliche Quellennachweise sind bei Bedarf beim Autor abrufbar. Sollte an einem Quellennachweis ein Zweifel bestehen, so ist der Autor unter www.pferd.co.at zu kontaktieren.
11.02.2023 - Sicherheit für Pferde und Menschen: Gefahrenquelle Lärm
Sicherheit für Pferde und Menschen: Gefahrenquelle Lärm 11.02.2023 / News
„Sicherheit für Pferde und Menschen“ ist eine Artikelserie von Dr. Reinhard Kaun, die in unregelmäßiger Folge auf ProPferd erscheinen wird und zum Sammeln gedacht ist. Die fachliche Basis stellt die im Jahre 2014 ins Leben gerufene Ausbildung zum „Sicherheitsexperten Pferd“ (Equine Awareness Manager) dar. In Folge 1 geht es um den Faktor Lärm und die Gefahren und Risiken, die beim Umgang mit Pferden von ihm ausgehen können.
»Mein Bruder«, sprach er, »reite heute nicht
Den Schecken, wie du pflegst. Besteige lieber
Das sichre Tier, das ich dir ausgesucht.
Tus mir zu Lieb. Es warnte mich ein Traum.«
Und dieses Tieres Schnelligkeit entriss
Mich Banniers verfolgenden Dragonern.
Mein Vetter ritt den Schecken an dem Tag,
Und Ross und Reiter sah ich niemals wieder.
Friedrich Schiller „Wallensteins Tod“
[aus: DIE ZEIT Nr. 4/2023]
Zweifellos – es ist höchst löblich, dass sich präsidiale Narren über das zulässige Höchstgewicht berittener Possenreißer beschränkend Gedanken machen!
Jedoch – entgegen vieler Erzählungen und frommer Überlieferungen, wonach die Zeit um Weihnachten, den Jahreswechsel und das keimende neue Jahr eine stille – ja sogar die stillste - Zeit des Jahres wäre, ist die Realität extrem laut und lärmend, erfüllt mit Explosionen von Raketen und Detonation von Böllern, von dröhnenden Kirchenglocken, von lärmenden einzelner oder in Umzügen formierten „Narren“ im Fasching, von ausgelassenen und lauten Perchten und vom kreischenden Fußvolk.
Für die Tierwelt, ob in Haus und Hof oder freier Wildbahn stellen diese Lärmlawinen enorme Belastungen dar, in deren Folge allenthalben Verängstigung und Unsicherheit erkennbar ist. Doch die Einwirkung von „Lärm“ auf Pferde ist vielfältig, Brauchtumsumzüge und Hochzeiten, Feuerwerke und Steinbruch-Betriebe wirken durch Blasmusik, Böller und Sprengungen auf die empfindlichen Tiere ein.
Pferde sind Lebewesen mit feinem Gehör und hoher Sensibilität für Schwingungen, sie sind als Beutetiere auch Fluchttiere, auf Grund ihrer instinkthaften Wachheit können sie sehr leicht – wenn plötzlich aufgeschreckt – zur Gefahr für Menschen und Umwelt werden.
Die Tierhaltungsverordnung sieht für Equiden deshalb – schützend und vorbeugend – vor, dass der Lärmpegel in ihrer Umgebung so gering wie möglich zu halten ist, dass dauernder oder plötzlicher Lärm zu vermeiden ist. Die Konstruktion, die Aufstellung, die Wartung und der Betrieb von Belüftungsgebläse, Fütterungsmaschinen oder anderer Maschinen sind so zu gestalten, dass sie so wenig Lärm wie möglich verursachen.
Durch Recherchen zu Schallemissionsuntersuchung im Rahmen von Baugenehmigungsverfahren lassen sich aus dem World Wide Net und seinen verschiedenen Quellen folgende Werte ableiten, die als gewohnte Lärmkulisse für Pferde angesehen werden können, wobei die meisten Spitzenwerte nur für jeweils kurze Zeit auftreten, also keineswegs kontinuierlich anzunehmen sind:
Treten gegen Boxenwände bei der Fütterung |
100 dB(A) |
Schlagen gegen Holzwände |
80 dB(A) |
Wiehern von Pferden |
85 dB(A) |
Reitunterricht (laute Stimme) |
82,5 dB(A) |
Verladegeräusche |
100 dB(A) |
Landwirtschaftliche Betriebsgeräusche |
100 dB(A) |
(Quelle: Internet)
Bezugswerte – ermittelt bei „normaler“ Pferdeverwendung – Messeinheit dB(A)
Stallgeräusche Messort: Stallgasse
Mindestwert: |
60,1 |
Pferdestall, 5 Boxen, nach Mittagsfütterung;
Spitzen: Abschnauben, an die Türe klopfen |
Mittelwert: |
50,0 |
|
Höchstwert: |
78,8 |
|
Mindestwert: |
62 |
Schiebetüren der Boxen bewegen |
Höchstwert: |
65 |
|
Pfiffe Messort: Kopfhöhe des Pferdes, 1 m Entfernung
Mindestwert: |
39,5 |
mehrere Pfiffe aus altem Schiedsrichter-Pfeiferl |
Mittelwert: |
97,7 |
|
Höchstwert: |
105,8 |
|
Straßenlärm Messort: in Kopfhöhe eines Pferdes
min. 71 |
max. 78 |
Reitweg im Niveau der Straße, neben einer Bundesstraße, WE, keine LKWs |
min. 66 |
max. 78 |
Reitweg 2 m unter dem Niveau der Straße und mit Leitplanke, neben einer Bundesstraße, WE, keine LKWs |
min. 67 |
max. 88 |
Reitweg 2 m über dem Niveau der Straße, neben einer Bundesstraße, WE, keine LKWs |
PKW hinter dem Pferd Messort: in Kopfhöhe eines Pferdes
min. 61 |
max. 64 |
SUV Diesel, 5 km/h auf Wiesenboden |
min. 93 |
max. 105 |
SUV Diesel, auf Asphalt, 20 km/h +Windböen |
Weide Messort: in Kopfhöhe des Pferdes
min. 68 |
max. 82 |
stark böiger Wind auf Wiese mit Obstbäumen |
Methoden:
Da das menschliche Gehör Töne unterschiedlicher Frequenz als verschieden laut empfindet, werden die Schallsignale im Schalldruck-Messgerät so gefiltert, dass die Eigenschaften des menschlichen Gehörs nachgeahmt werden. Man spricht dann von einer sogenannten A-Bewertung des Schallpegels, ausgedrückt in dB(A). Die Dezibel-Skala ist logarithmisch aufgebaut. Null dB(A) entspricht der Hörschwelle. 130 dB(A) ist etwa die Schmerzgrenze. (Quelle: www.sengpielaudio.com).
Umrechnungstabellen oder Formeln von dB zu dB(A) gibt es nicht.
dB(A) ist die Maßeinheit des Schalldruckpegels (Geräuschpegel) nach der international genormten Frequenzbewertungskurve A. Der gemessene Wert ist abhängig von der Entfernung zur Schallquelle. Eine Zunahme um 10 dB(A) entspricht in der subjektiven menschlichen Wahrnehmung einer Verdoppelung der Lautstärke.
Verwendete Geräte für die eigenen Messungen:
– CENTER 322 Data Logger Sound Level Meter > Messeinheit dB(A)
– Apple Schallpegelmesser App db > Messeinheit dB(A)
Schallpegelmesser sind Geräte zur Messung der Lautstärke oder Schallpegeln unter Verwendung von Luft – oder Schalldruck: synonym: Schalldruckpegelmesser, Dezibel-Messer, Lautstärke-Messer oder Lärm-Messer.
Da das menschliche Hörvermögen nicht alle Frequenzbereiche erfassen kann, werden Schalldruckpegel verwendet, um die Messungen mit menschlichen Reaktionen zu vergleichen – die hier verwendete Frequenzbewertung „A“ ist Standard und reflektiert die Reaktion des menschlichen Ohres auf Geräusche. Impulsgeräusche werden jeweils mit schneller Reaktionszeit gemessen.
(Quelle: Apple App db)
Um dem Leser zur Beurteilung der „normalen“ – also allgemein tolerierten Geräuschkulisse der „Umwelt“ Vergleichswerte zu bieten, werden zunächst die Grenzwerte der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm BRD) dargestellt, wobei festzuhalten ist, dass kurze Impulsspitzen die Immissionsrichtwerte tagsüber um nicht mehr als 30 dB(A) bzw. nachts 20 dB(A) überschreiten dürfen. Als „Nachtzeit“ gilt jeweils 22:00 bis 06:00 Uhr.
|
Nachts |
Tagsüber dB(A) |
Krankenhäuser, Pflegeheime |
35 |
45 |
Reine Wohngebiete |
35 |
50 |
Allgemeine Wohn-/Siedlungsgebiete |
40 |
55 |
Dorf-/Siedlungskerngebiete |
45 |
60 |
Stadtgebiete |
45 |
63 |
Gewerbegebiete |
50 |
65 |
Industriegebiete |
70 |
70 |
Dieses trockene Zahlenmaterial, das vom Autor aus Literatur, Internet und eigenen Messungen zusammengetragen wurde, soll dem Leser nun die Möglichkeit geben, das „Lärm- Umfeld“ der eigenen Pferde zu erfassen, wobei die Angaben jeweils als Orientierungswerte anzusehen sind.
Werden Pferde, die in einer sehr stillen Umgebung gehalten werden, plötzlich und ohne vorherige Konditionierung einem lärmintensiven Umfeld ausgesetzt, so ist eine heftige Reaktion vorhersehbar, die in ihrer Ausprägung natürlich von der individuellen Empfindlichkeit und Belastbarkeit abhängt.
Das Hörvermögen beim Menschen spielt sich in einem Frequenzrahmen von 20 Hz bis 20.000 Hz, dasjenige des Pferdes umfasst 50 Hz bis 33.500 Hz.
Das Gehör empfindet unterschiedliche Frequenzen als verschieden laut, weswegen – wie bereits erwähnt- bei Schall-Druckmessgeräten die Schallsignale derart gefiltert werden, dass die Eigenschaften des (menschlichen) Gehörs nachgeahmt werden. Man spricht dann von einer sog. A-Bewertung des Schallpegels – ausgedrückt in Dezibel A (dB A).
Der Wert von 0 dB A entspricht der Hörschwelle (des Menschen), 130 dB A der Schmerzgrenze (des Menschen), bei etwa 60 dB(A) Lärm als Belästigung empfunden wird und ab etwa 90 dB(A) Schäden am Gehör verursachen kann – ob dies bei Pferden ebenso ist, wissen wir nicht – durch Beobachtungen ist aber bekannt, dass die Schmerzgrenze des Menschen bei Pferden sichtbares Unbehagen hervorruft.
Der gemessene Wert ist jeweils abhängig von der Entfernung zur Schallquelle, wobei eine Zunahme der Messwerte um 10 dB A in der menschlichen Wahrnehmung einer Verdoppelung der Lautstärke entspricht.
Seriöse vergleichende Untersuchungen zwischen Menschen und Pferden sind dem erstattenden SV nicht bekannt. Da das Wahrnehmungsvermögen für Frequenzen beim Beute – und Fluchttier Pferd von Natur aus aber bedeutend höher ist, kann im Umkehrschluss – und aus Erfahrung – eine hohe Empfindsamkeit für Geräusche und ungewohnten Lärm hoher Intensität und Frequenz – insbesondere in Impulsform – vermutet werden.
Aus Erfahrung weiß man, dass kontinuierlich einwirkende Geräusche hoher Intensität die Nervosität von Pferden erheblich steigert, zusätzliche Impulsgeräusche können Panik auslösen. Als besonders unangenehm und belastend werden unerwartet auftretenden Mikrophon-Rückkoppelungen empfunden, die regelmäßig (auch) die Schmerzgrenze des Menschen übersteigen.
Im Hinblick auf die Allgemeine Verkehrssicherungspflicht ist deshalb Pferdeleuten dringend zu raten, ihre Pferde auf planbare lärmhaltige Ereignisse durch Konditionierung vorzubereiten und – wenn nur irgendwie machbar – den größtmöglichen Abstand zur „Lärmquelle“ einzuhalten. Es ist auch nicht verwerflich, wenn Pferde in kritischen Situationen von Bodenpersonal gesichert oder geführt werden.
Umzüge mit vielen Pferden sollten stets mit „Wellenbrechern“ durchsetzt werden, also entweder mit extrem verlässlichen Pferden oder erfahrenen Pferdeleuten zu Fuß.
Forensische Sicherheitsaspekte
Sicherheit ist keine Privatsache, sondern Anliegen und Verpflichtung jedes mündigen und verantwortungsbewussten Mitglieds der Gesellschaft. Der Umgang mit Pferden verpflichtet in unserer Zeit mehr denn je zur Übernahme dieser Verantwortung durch Lernen, Sammeln von Erfahrungen und Orientierung an Gesetzen, Regeln und erprobten traditionellen Usancen, weil diejenigen Menschen, die mit Pferden aufwachsen in die Minderzahl geraten, aber Quereinsteiger im späteren Alter nun das Hauptkontingent an Menschen, die Pferde halten, darstellen.
Es ist also darzustellen, welche Relevanz „Lärm“ im Umgang und Verkehr mit Pferden hat:
Der schon häufig angeführte und für Gerichtsentscheidungen bedeutsame Begriff „Vorhersehbarkeit“ hat nichts mit Wahrsagerei oder Kaffeesatzlesen zu tun, auch nicht mit Ängstlichkeit, sondern ist die rationale Erfassung, wie sich eine Situation entwickeln könnte, aber nicht zwingend entwickeln muss – ein „Gehirnakt“- in dem Wissen und Erfahrung zusammenfließen und aus Rücksicht zu Tieren, Menschen und Umwelt zu einer richtigen Einzelentscheidung des verantwortungsbegabten Menschen führen – denn: Sicherheit beginnt im Kopf!
Sicherheit ist ohne gegenseitige Rücksicht nicht zu gewährleisten – deshalb eine höfliche Ermunterung zum Abschluss des ersten Artikels zum Thema Sicherheit für Pferd und Mensch:
Sobald Ihnen ein Mitmensch höflich und rücksichtsvoll begegnet, wenn Sie mit Pferden auf dem Weg sind, also ein Kraftfahrer stehen bleibt oder sogar den Motor abstellt, ein Hundebesitzer seinen Hund an die Leine nimmt, Eltern lärmende Kinder im Zaum halten und, und, und.. – dann nehmen Sie dies nicht für selbstverständlich – ein Lächeln, ein freundliches Kopfnicken oder ein zugerufenes Danke ist die beste Methode, Rücksicht zur Gewohnheit werden zu lassen.
Gedanken formen Worte
Worte formen Taten
Taten formen Gewohnheiten
Gewohnheiten formen den Charakter.
Vermutlich: Charles Reade (1814–1884)
ZUM AUTOR: Dr. Reinhard Kaun ist Tierarzt seit 1969 und ständig beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, der im Laufe seiner 33-jährigen Tätigkeit als Gerichtsgutachter mehr als tausend Gutachten erstattet hat. Neben vielen Qualifikationen im Pferdesport (z.B. FEI-Tierarzt, Turnier- und Materialrichter, FEI-Steward, Dopingbeauftragter) war er als Fachtierarzt für Pferdeheilkunde und Fachtierarzt für Physikalische Therapie und Rehabilitationsmedizin tätig.
HINWEIS: Sämtliche Quellennachweise sind bei Bedarf beim Autor abrufbar. Sollte an einem Quellennachweis ein Zweifel bestehen, so ist der Autor unter www.pferd.co.at zu kontaktieren.
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