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Unfälle mit Pferden: Verletzungen des Bodenpersonals sind besonders schwer
09.06.2018 / News

Auch Personen, die Pferde vom Boden aus betreuen, sind Gefahren ausgesetzt – aber nur in seltenen Fällen durch Helme oder sonstige Sicherheitsausrüstung geschützt.
Auch Personen, die Pferde vom Boden aus betreuen, sind Gefahren ausgesetzt – aber nur in seltenen Fällen durch Helme oder sonstige Sicherheitsausrüstung geschützt. / Symbolfoto: Simone Aumair

Australische Ärzte haben Unfälle untersucht, die Kindern und Jugendlichen im Umgang mit Pferden bzw. beim Reiten passiert sind. Ein überraschendes Ergebnis: Verletzungen des sogenannten ,Bodenpersonals’ – also von Personen neben bzw. beim Pferd – stellten sich als besonders schwerwiegend heraus.

 

Schon der einleitende Satz der englischsprachigen Zusammenfassung geht unter die Haut: „Mit Pferden verbundene Verletzungen sind für ein Viertel aller tödlichen Sportunfälle von Kindern verantwortlich.“ Diese Hiobs-Botschaft muss man erst einmal verdauen, bevor man sich in die Details der Studie vertiefen kann – doch gerade diese Details sind es, die interessant sind und die durchaus das Potenzial haben, eine Bewusstseinsveränderung in der Pferdeszene einzuleiten und so vielleicht dazu beizutragen, diese bedrückend hohe Todesrate nachhaltig zu verringern.

Durchgeführt wurde die Untersuchung von Wissenschaftlern der ,Surgical Research Group’ am ,Murdoch Children’s Research Institute’ der Unversität von Melbourne sowie vom Royal Children’s Hospital Melbourne. Über eine Periode von 16 Jahren hinweg wurden die Daten von insgesamt 505 PatientInnen (Alter bis max. 16 Jahre), die ins Traumazentrum einer großen Kinderklinik mit pferde-bezogenen Verletzungen eingeliefert worden waren. Die Patienten-Daten wurden statistisch analysiert und nach unterschiedlichsten Kategorien bzw. Kriterien ausgewertet  – so etwa hinsichtlich ihrer demographischen Merkmale, nach dem Schweregrad der Verletzungen, ob sie einen Helm getragen haben oder nicht und ob sie beim Unfall auf dem Pferd geritten sind oder nur beim Pferd waren (mounted/unmounted).

Die Auswertungen brachten  z. T. durchaus unerwartete Ergebnisse:

– Die Mehrheit der Unfälle bzw. Verletzungen ereignete sich im privaten Bereich (56%) – nur 23 % passierten bei einem sportlichen Event bzw. in einem sonstigen Kontext mit Aufsichts (also bei Kursen, Trainings etc.).

– Die häufigsten Verletzungen im Zusammenhang mit Pferden sind Kopfverletzungen.

– Reitende Patienten machten den Großteil der kindlichen PatientInnen aus (77%).

– Bei reitenden Patienten war es wahrscheinlicher, dass sie Frakturen der oberen Extremitäten oder Verletzungen der Wirbelsäule erlitten – und sie trugen auch mit höherer Wahrscheinlichkeit einen Reit- bzw. Sicherheitshelm.

– Die nicht-reitenden Patienten waren vorwiegend männlich – und sie waren eher von Gesichts- oder Bauchverletzungen betroffen.

– Bemerkenswerterweise hatten die nicht-reitenden Patienten – also das sogenannte ,Bodenpersonal’ – signifikant mehr schwere und kritischere Verletzungen und mussten demzufolge auch einen längeren Krankenhausaufenthalt (2,0 Tage gegenüber 1,1 Tage) hinnehmen.

– Bei den nicht-reitenden Patienten war die Wahrscheinlichkeit einer intensivmedizinischen Versorgung oder einer Operation doppelt so hoch – und die Wahrscheinlichkeit einer schweren Kopfverletzung sogar acht mal so hoch.

Die Schlussfolgerungen der StudienautorInnen waren eindeutig: „Pferdebedingte Verletzungen bei Kindern sind schwerwiegend. Nicht-reitende Patienten unterscheiden sich von reitenden Patienten in Bezug auf Geschlecht, Alter und der Wahrscheinlichkeit der Verwendung von Schutzausrüstung, aber auch hinsichtlich des Schweregrads der Verletzungen und der Notwendigkeit intensiver oder invasiver medizinischer Betreuung. Diese Studie zeigt insbesondere auf, wie wichtig es vor allem für nicht-reitende Personen ist, wachsam und auf ihre Sicherheit bedacht zu sein, wenn sie sich im Umfeld von Pferden aufhalten – und schlägt gezielte Sicherheits-Kampagnen für diese Zielgruppe vor, um Unfälle und Verletzungen vorzbeugen, sowohl bei organisierten als auch bei privaten Reitaktivitäten.“

Die Untersuchung „Horse-related injuries in children - unmounted injuries are more severe: A retrospective review" von Grace E.L. Wolyncewicza, Cameron S. Palmer, Helen E. Jowett, John M. Hutson, Sebastian K. King und Warwick J. Teague ist im Mai 2018 in der Zeitschrift ,Injury' erschienen und kann in englischer Kurzfassung hier nachgelesen werden.

Studie: Gefährdung des ,Bodenpersonals’ wird vielfach unterschätzt

Dass auch nicht-reitende Personen in besonders hohem Maße von pferdebezogenen Unfällen und Verletzungen betroffen sind, hat bereits eine im September 2014 ebenfalls in der Zeitschrift ,Injury' veröffentlichte Studie aufgezeigt. Die Untersuchung analysierte Verletzungsfälle von PatientInnen der Universitätsklinik von Kentucky (USA) im Zusammenhang mit Pferden über einen Zeitraum von fünf Jahren (von 2003 bis 2007). Dabei zeigte sich, daß knapp mehr als die Hälfte der insgesamt 284 Unfälle durch einen Sturz vom Pferd (54 %) bzw. durch Tritte/Ausschlagen des Pferdes (22 %) verursacht werden. Die häufigsten daraus resultierenden Verletzungen sind Arm- und Beinbrüche (33 %) sowie Kopfverletzungen (27 %).

Während Personen auf dem Pferd öfter von Verletzungen des Oberkörpers und der unteren Extremitäten betroffen sind, so werden Personen am Boden öfter im Gesicht sowie im Unterleib verletzt. Schwere Kopfverletzungen betreffen beide Personengruppen in gleichem Ausmaß – auffallend war jedoch, daß alle drei Todesfälle, die im Untersuchungszeitraum registriert werden mussten, Personen am Boden betrafen: Eine wurde durch einen Tritt an den Kopf getötet, eine zweite durch einen Tritt gegen den Brustkorb – und die dritte stürzte beim Verladen ihres Pferdes vom Anhänger.

Das Resümee der Studienautoren war eindeutig: Der Umgang mit Pferden birgt ein erhebliches Verletzungspotential – und zwar gleichermaßen für Personen auf dem Pferd und für Personen auf dem Boden. Und sie empfahlen dringend, bei jeglichem Umgang mit dem Pferd – ob nun auf dem Boden oder im Sattel – auf entsprechende Sicherheitsausrüstung und ganz besonders auch auf das Tragen eines Sicherheitshelms zu achten. Bei den 284 untersuchten Unfällen wurde nur in 12 Fällen – das sind 6 % – ein Helm verwendet.

Die Untersuchung „On and off the horse: mechanisms and patterns of injury in mounted and unmounted equestrians." von Samuel P. Carmichael, Daniel L. Davenport, Paul A. Kearney und Andrew C. Bernard ist im September 2014 in der Zeitschrift ,Injury' erschienen und kann in englischer Kurzfassung hier nachgelesen werden.

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