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Smartphone bewährt sich bei Lahmheitsanalyse von Pferden
09.02.2023 / News

Die Ganganalyse zur Erkennung und besseren Beurteilung von Lahmheit bei Pferden kann mithilfe eines normalen Smartphones und einer speziellen, KI-basierten Software einfach und zuverlässig durchgeführt werden, so eine schwedische Studie.

 

Die Illustration des Versuchsaufbaus: Die ForscherInnen nahmen mit einem Multikamerasystem und einer einzigen Smartphone-Kamera Pferde auf, die in einem Korridor hin und her trabten. Am Ende wurden die Abweichungen bzw. Verschiebungskurven beider Systeme miteinander verglichen. Illustration: Felix Järemo Lawin et.al.

 

Computer Vision ist eine Technologie, die sich auf das Extrahieren von Informationen aus Bildern und Videos konzentriert und ist heute ein essentieller Bestandteil der sogenannten künstlichen Intelligenz (KI), mit einer nahezu unüberschaubaren Fülle an möglichen Anwendungsgebieten. So bietet Computer Vision – wie eine aktuelle Studie aus Schweden zeigt – auch ein überzeugendes neues Mittel für die objektive orthopädische Gangbeurteilung bei Pferden, die noch dazu auf einer leicht zugänglichen Hardware, nämlich einem handelsüblichen Smartphone, basiert.

Das Forscherteam machte sich daran, die Leistungsfähigkeit einer Bewegungsanalyse zu untersuchen, die auf einer einzigen Smartphone-Kamera zur Lahmheitsbeurteilung sowie einer markerlosen Computer Vision-Technologie basierte. Die dabei verwendeten Deep-Learning-Modelle wurden darauf trainiert, die Pixelkoordinaten von Körperteilen des Pferdes für jeden Frame des vom Smartphone aufgezeichneten Videos auszugeben. Das „Trainingsmaterial" für das System enthielt Pferde mit vielen verschiedenen Fellfarben und unterschiedlichem Körperbau, aber keines hatte physische Markierungen, die an der Haut angebracht waren.

Die Ergebnisse dieses „Smartphone-Systems" verglichen die AutorInnen mit den Resultaten eines aufwendigen optischen Bewegungserfassungssystems (Motion Capture System) mit insgesamt 13 Kameras sowie auf auf dem Fell der Pferde angebrachten reflektierenden Bewegungsmarkern. Verglichen wurden insbesondere die vertikalen Bewegungen von Kopf und Becken zwischen den beiden Systemen.

25 Pferde wurden mit einem Smartphone und dem 13-Kamera-Motion-Capture-System aufgenommen, während sie zweimal auf einer 30-Meter-Strecke auf und ab trabten. Das Smartphone-Video vom iPhone 12 Pro Max wurde mit künstlichen neuronalen Netzen verarbeitet, die die Richtung, Aktion und Bewegung von Körpersegmenten des Pferdes erkennen. Nach der Filterung wurden die vertikalen Verschiebungskurven von Kopf und Becken mittels Kreuzkorrelation zwischen den Systemen synchronisiert. Dadurch wurden 655 und 404 übereinstimmende schrittsegmentierte Kurven für den Kopf bzw. das Becken gerendert.

Die Resultate waren auch für die ForscherInnen bemerkenswert und zeigten eine erstaunlich hohe Übereinstimmung zwischen den beiden Systemen. Die Ergebnisse zeigen, dass die durchschnittlichen Fehler pro Versuch der Smartphone-extrahierten Variablen im Vergleich zu den Motion-Capture-extrahierten Variablen klein genug waren, um kein signifikantes Hindernis darzustellen, sie für eine objektive Lahmheitsbewertung einzusetzen. Die aufgezeichneten durchschnittlichen Fehler bzw. Abweichungen pro Versuch von 2,17 mm für den Kopf und 2,19 mm für das Becken lagen deutlich unter der zuvor aufgezeichneten Abweichung zwischen den Messungen von 18 mm für den Kopf und 6 mm für das Becken.

„In dieser Arbeit haben wir gezeigt, dass Deep Learning-Modelle und Computer Vision angewendet werden können, um eine orthopädische Ganganalyse für Pferde zuverlässig durchzuführen, wenn sie während der Lahmheitsbewertung auf einer Geraden an der Hand traben", so das Resümee der AutorInnen. Und sie fügten hinzu: „Die Benutzerfreundlichkeit und die gute Übereinstimmung mit dem Motion-Capture-System deuten darauf hin, dass die Smartphone-Einzelkamera-Anwendung ein vielversprechendes Werkzeug zur Erkennung klinisch relevanter Asymmetriegrade bei Pferden ist und eine häufige und bequeme Gangüberwachung im Laufe der Zeit ermöglicht."

Die ForscherInnen räumten zwar ein, dass Motion-Capture-Systeme als Goldstandard für die Messung der Bewegung von Körpersegmenten für die Ganganalyse gelten. Das Anbringen der erforderlichen reflektierenden Markierungen an Pferden ist jedoch in einer klinischen Situation ressourcen- und zeitaufwendig, und die Ausrüstung stellt für eine Tierarztpraxis eine erhebliche finanzielle Investition dar. Dies behindert den groß angelegten klinischen und wissenschaftlichen Einsatz des Systems.

Im Vergleich dazu hat die Benutzerfreundlichkeit des Smartphone-Systems aus klinischer Sicht klare Vorteile, da es erschwingliche, wiederholte Beobachtungen von Pferdepatienten ermöglicht. Das könne dabei helfen, die beträchtlichen Unterschiede zwischen den Studien zu verstehen, die bei der Gangasymmetrie beobachtet wurden, sagten sie. Es gäbe zwar technische Nachteile bei Verwendung von Computer-Vision-Techniken mittels Smartphone – etwa eine geringere Genauigkeit und ein Mangel an dreidimensionaler Bewegung, doch müssen, so die AutorInnen, diese Nachteile „gegen den Vorteil abgewogen werden, ein leichtes, tragbares und kostengünstiges System zur Datenerfassung zur Verfügung zu haben, das wiederholbare Beobachtungen des Pferdes ermöglicht.“

Andere Systeme, etwa solche, die Trägheitsmesseinheiten oder Motion-Capture-Technologie verwenden, sind in der Regel teurer, manchmal auf Laborumgebungen beschränkt und erfordern mehr Aufwand in Bezug auf die Platzierung von Markierungen und Sensoren am Pferd. „Dies führt unweigerlich dazu, dass weniger Messungen durchgeführt werden, und es ist allgemein bekannt, dass niedrige Stichprobenumfänge von Pferden der Standard in vielen biomechanischen Studien von Pferden sind. Diese Studie hat gezeigt, dass eine einfache Anwendung auf einem Smartphone ein Werkzeug für die flexible und zuverlässige Erfassung von kinematischen Asymmetriedaten von Pferden sein kann. Dies eröffnet künftig Möglichkeiten für groß angelegte biomechanische Forschungsstudien in Nicht-Laborumgebungen.“

Zusammenfassend hielten die ForscherInnen fest: „Die Benutzerfreundlichkeit und die gute Übereinstimmung mit den Resultaten des mit mehreren Kameras arbeitenden Motion-Capture-Systems zeigen, dass die Anwendung des Smartphone-Systems ein vielversprechendes Instrument zur Erkennung klinisch relevanter Asymmetrien bei Pferden ist, was eine häufige und bequeme Gangüberwachung im Laufe der Zeit ermöglicht." Man komme daher zu dem Schluss, dass „das Smartphone-Tool Lahmheit verlässlich erkennen kann und für den Tierarzt einfach zu bedienen ist."

Die Studie „Is Markerless More or Less? Comparing a Smartphone Computer Vision Method for Equine Lameness Assessment to Multi-Camera Motion Capture" von Felix Järemo Lawin, Anna Byström, Christoffer Roepstorff, Marie Rhodin, Mattias Almlöf, Mudith Silva, Pia Haubro Andersen, Hedvig Kjellström und Elin Hernlund ist am 24. Jänner 2023 in der Zeitschrift ,animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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