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Pferde beobachten zwischenmenschliches Verhalten genau - und ziehen ihre Schlüsse
09.06.2025 / News

Mit größter Aufmerksamkeit beobachteten die Testpferde, wie die menschlichen Akteure miteinander umgingen – und passten ihr eigenes Verhalten daran an.
Mit größter Aufmerksamkeit beobachteten die Testpferde, wie die menschlichen Akteure miteinander umgingen – und passten ihr eigenes Verhalten daran an. / Foto: Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen

Pferde verfolgen das Miteinander von Menschen ganz genau und passen ihr eigenes Verhalten entsprechend an, wie wissenschaftliche Arbeiten der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen zeigen.


Pferde sind außergewöhnlich scharfsinnige Beobachter – das weiß man aus zahlreichen Forschungsarbeiten der letzten Jahre. Sie sind beispielsweise Meister darin, menschliche Emotionen aus dem Gesichtsausdruck abzulesen und zu interpretieren – und sie können sich, wie eine Studie aus dem Jahr 2019 nachwies, vom Menschen detailgenau abschauen, wie man eine Futterkiste öffnet. Doch die pferdliche Beobachtungskunst geht sogar noch ein Stück weiter, wie jüngste wissenschaftliche Arbeiten von Studierenden der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) nahelegen.

Für ihre Abschlussarbeiten gelang es Annika Roll, Anna Beyer und Angela Föll, drei Studierenden des Studiengangs Pferdewirtschaft zusammen mit ihren Professorinnen Maren Bernau und Konstanze Krüger darzustellen, dass Pferde sehr genau hinschauen, wenn sich zwei Menschen über eine Futterstelle streiten oder einig sind. Sie ziehen aus der Beobachtung ihre Schlüsse – und passen die Wahl ihres Futterplatzes an.

Für die Versuchsreihen wurden zwei Eimer als Futterplätze verwendet. Nachdem festgestellt wurde, welchen Eimer ein Pferd bevorzugte, spielten die Personen vor, dass man für das Füttern aus dem bevorzugten Eimer weggeschickt wird und für das Nutzen des anderen Eimers (man nahm daraus ein Stück Karotte und aß es) ein Lob bekommt.

Konkret spielte sich das so ab: Im Falle der ,Missbilligung' sprach eine Person die andere an, fuchtelte mit den Armen und sagte barsch: „Nein, nein, tu das nicht“, bis sich diese Person schließlich zurückzog. Im Falle der ,Zustimmung' verbeugte sich die eine Person in Richtung der essenden Person, berührte ihre Schulter und sagte sanft „Gut gemacht“, während diese Person ruhig weiteraß. Diese Demonstration wurde täglich sechsmal wiederholt. Nach der sechsten Demonstration verließen beide Personen den Demonstrationsbereich.

Die Mehrzahl der Pferde stellte sich – nachdem sie dieses ,Schauspiel' beobachtet hatten – tatsächlich um und fraßen nun aus dem anderen Eimer: 12 von 17 Pferden veränderten ihre Präferenz für einen Futterplatz signifikant, nachdem sie dort ,Zustimmung' in der Mensch-Mensch-Interaktion beobachtet hatten. 

Und noch ein bemerkenswertes Resultat ergab sich aus diesen Versuchsreihen: Pferde in Sozial- bzw. Gruppenhaltung passten sich in einem höheren Prozentsatz der Versuche an die Mensch-Mensch-Demonstrationen an als Pferde in Einzelhaltung.  

Das Resümee der Autorinnen: „Dies deutet erstmals darauf hin, dass manche Tiere ihre Fütterungsstrategien ändern, nachdem sie Mensch-Mensch-Demonstrationen mitangesehen haben, und dass diese Anpassung möglicherweise von sozialer Erfahrung abhängt. Da die Pferde die beobachtete Präferenz für einen Futterplatz auch in Abwesenheit der Demonstratoren beibehielten, vermuten wir, dass sie durch individuelle und soziale Lernmechanismen lernten."

Sozialer Rang, Alter und Geschlecht der Pferde hatten hingegen „keinen Einfluss auf ihre Lernleistung. Bestimmte Demonstratoren hatten jedoch tendenziell einen stärkeren Einfluss auf die Leistung der Pferde."

Zukünftige Forschung sollte die Dauerhaftigkeit dieser Präferenzänderung ohne wiederholte Demonstrationen weiter untersuchen und feststellen, ob langfristiges soziales Lernen einsetzt, so die Schlussfolgerung der Forscherinnen. Dies hätte „wichtige Auswirkungen auf die unbeabsichtigten langfristigen Auswirkungen menschlicher Interaktionen auf die Kommunikation zwischen Arten."

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Pferde das Miteinander von Menschen in vielen Situationen sehr genau und aufmerksam beobachten – möglicherweise auch dann, wenn dies den Menschen gar nicht bewusst ist. Wenn man seinem Pferd also beispielsweise einen Futterplatz, einen neuen Trainingsort oder einen Pferdetransporter „schmackhaft“ machen möchte, sollte man sich tunlichst an diesen Orten nicht mit anderen Personen streiten bzw. diesen Ort nicht mit negativen Emotionen verbinden. Denn ganz offensichtlich – und das haben auch schon andere Untersuchungen bestätigt – können Pferde in uns Menschen lesen wie in einem offenen Buch, und sie nehmen sich unsere Gefühle stets sehr zu Herzen ...

Die drei Bachelor-Arbeiten wurden am 17. März 2025 im renommierten Journal Animal Cognition veröffentlicht und können in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden:
Krueger, K., Roll, A., Beyer, A.J. et al. Learning from eavesdropping on human-human encounters changes feeding location choice in horses (Equus Caballus). Anim Cogn 28, 23 (2025).

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