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Schlaue Tiere gähnen länger – Pferde im Spitzenfeld
08.10.2016 / News

Wer schlau ist, gähnt auch länger – das ist das Ergebnis einer neuen Studie aus den USA.
Wer schlau ist, gähnt auch länger – das ist das Ergebnis einer neuen Studie aus den USA. / Foto: Fotolia/dmussman

Wer länger gähnt, hat auch ein leistungsfähigeres Gehirn mit mehr Nervenzellen – diesen Zusammenhang konnten amerikanische Forscher belegen. Pferde zählen in beiden Kategorien zur Spitzengruppe.

 

Gähnen ist ein Verhalten, das nahezu alle Säugetiere gemeinsam haben und das auch der Mensch zeigt. Über die Funktion des Gähnens räseln Forscher seit Jahrzehnten – und sind dabei zu unterschiedlichsten Theorien gelangt. Das Interesse an der Erforschung des Gähnens ist weltweit so groß, daß es mittlerweile sogar einen eigenen Wissenschafts-Zweig gibt, der sich ausschließlich mit diesem Phänomen beschäftigt: die Chasmologie.

Zu den führenden „Gähnologen" der Welt zählt der Amerikaner Andrew C. Gallup, der bereits mehrere bahnbrechende Arbeiten zu diesem Thema publiziert hat. Gallup war es auch, der 2010 im Rahmen einer Studie nachweisen konnte, daß das Gähnen offenkundig eine thermoregulatorische Funktion für das Gehirn hat: Bei Versuchen mit Ratten zeigte sich, daß nach dem Gähnen die Temperatur des Gehirns leicht absinkt und dazu beiträgt, den Wärme-Haushalt des Körpers und des Gehirns im Gleichgewicht zu halten und damit seine Funktionalität und Leistungsfähigkeit zu erhalten.

Wenn diese Theorie korrekt ist – wofür einiges spricht – dann müsste das jedoch auch bedeuten, daß große Gehirne mit vielen Nervenzellen stärker gekühlt werden müssten als kleine mit weniger Nervenzellen, was durch ein längeres Gähnen erreicht werden könnte. Es müsste also einen Zusammenhang geben zwischen der – von Spezies zu Spezies unterschiedlich langen – Gähndauer und der „neurologischen Ausstattung' ihres Gehirns, so die Hypothese von Andrew C. Gallup. Und diese wollte er im Rahmen einer Studie überprüfen.

Wie aber misst man die Gähn-Dauer unterschiedlicher Spezies? Gallup fand dafür eine einfache und effektive Lösung: Er suchte – und fand – im Youtube-Universum zahlreiche Clips, in denen Menschen und diverse Tierarten herzhaft gähnten – und maß mit der Stoppuhr, wie lange dies jeweils dauert. Insgesamt wurden 204 Gähn-Vorgänge von 177 Individuen auf diese Weise ausgewertet, die 24 verschiedene Arten (darunter auch der Mensch) repräsentierten. Die dabei erhobene durchschnittliche Gähndauer jeder Spezies wurde anschließend mit bereits bekannten Daten über Gehirngröße, dem Verhältnis von Gehirn zu Körpermasse (EQ = Encephalisierungsquotient) und der Anzahl der Nervenzellen in der Großhirnrinde der jeweiligen Spezies verglichen.

Das Ergebnis war eindeutig und bestätigte Gallups Hypothese uneingeschränkt: Die Arten mit der längsten Gähndauer waren auch jene mit dem größten Gehirn bzw. der größten Anzahl von Nervenzellen im Gehirn (nach Gallup der verlässlichste Indikator für ein leistungsfähiges Gehirn) – die Übereinstimmung zwischen diesen Faktoren war überwältigend.

An der Spitze der Rangliste steht nach Gallups Analyse der Mensch – er kommt auf eine durchschnittliche Gähndauer von ca. 6,5 Sekunden und hat mit 21 Milliarden Nervenzellen in der Großhirnrinde (Cortex) auch das potentiell leistungsfähigste Gehirn. Afrikanische Elefanten liegen in beiden Rankings auf Rang zwei – sie gähnen ca. 6 Sekunden lang und haben ca. 5,6 Milliarden Nervenzellen im Cortex.  Danach folgen bereits Schimpansen und Gorillas, also Primaten.

Pferde sind in beiden Rankings weit vorn zu finden – sie gähnen im Schnitt 3,7 Sekunden lang und verfügen über 1,2 Milliarden Nervenzellen im Großhirn. Zum Vergleich: Mäuse gähnen nur 0,8 Sekunden lang und haben nur vier Millionen Nervenzellen.

Nur in Einzelfällen stimmte die Gähndauer nicht exakt mit der Nervenzellen-Anzahl überein: So gähnen Katzen durchschnittlich 2,1 Sekunden und damit etwas kürzer als Hunde (2,2 Sekunden), haben aber fast doppelt soviele Nervenzellen (Katzen: ca. 300 Millionen – Hunde ca. 160 Millionen). Dies könnte jedoch an methodischen Unschärfen – etwa der getroffenen Clip-Auswahl – liegen, zumal die individuelle Gähndauer bei nahezu jeder Spezies stark variieren kann: Beim Menschen lag diese in den verwendeten Clips zwischen 2,55 und12,93 Sekunden, beim Pferd zwischen 2,51 und 7,14 Sekunden – um nur zwei Beispiele anzuführen.

An den grundsätzlichen Erkenntnissen ändert das jedoch nichts: Der Zusammenhang zwischen der Dauer des Gähnens und der Komplexität des Gehirns (bestimmt anhand der Zahl der Nervenzellen im Cortex) ist evident – was sich insbesondere an der signifkant längeren Gähndauer bei Primaten zeigt, die deutlich über jener anderer Säugetiere liegt. Gallup zusammenfassend: „Unsere Ergebnissen bestätigen die Sichtweise, daß das Gähnen eine grundlegende neurophysiologische Funktion erfüllt – insbesondere jene, wie bereits frühere Forschungen nahelegen, daß Gähnen ein Anpassungs-Verhalten ist, um den Blutkreislauf im Gehirn und dessen Kühlung zu verbessern und damit die Reizverarbeitung und die gesamte Funktionsfähigkeit zu steigern."

Die Studie „Yawn duration predicts brain weight and cortical neuron number in mammals" von Andrew C. Gallup, Allyson M. Church und Anthony J. Pelegrino ist am 4. Oktober 2016 in der Zeitschrift ,Biology Letters' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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