News 

Rubrik
Zur Übersichtzurück weiter

Studie: Auswirkungen von frühem Anreiten sind von der Haltung abhängig
11.10.2018 / News

Wann ist der richtige Zeitpunkt, um mit der Ausbildung zu beginnen – diese Frage wurde von Prof. Uta König von Borstel im Rahmen einer Meta-Studie untersucht.
Wann ist der richtige Zeitpunkt, um mit der Ausbildung zu beginnen – diese Frage wurde von Prof. Uta König von Borstel im Rahmen einer Meta-Studie untersucht. / Symbolfoto: Simone Aumair

Es ist eine der ,Gretchenfragen’ der Reiterei: Wann ist das optimale Alter, um Pferde anzureiten bzw. erstmals im Turniersport einzusetzen? Die Verhaltens-Spezialistin Prof. Uta König von Borstel hat diese Frage im Rahmen einer Meta-Studie untersucht – und kam zu ebenso überraschenden wie interessanten Ergebnissen.

 

Wann beginne ich mit der Ausbildung meines Pferdes? Diese Frage stellt sich irgendwann jedem Pferdebesitzer, Züchter und Reiter – und sie wird nach wie vor ebenso intensiv wie kontrovers diskutiert. Die Standpunkte gehen weit auseinander: Während die einen im frühen Anreiten eine skandalöse Fehlentwicklung sehen und vehement Vorschriften fordern, die ein Mindestalter für den ersten Trainings- bzw. Wettkampfeinsatz für Pferde festlegen, beurteilen andere es als völlig unbedenklich, wenn Pferde schon sehr jung mit ihrer Ausbildung beginnen sollen. An Argumenten mangelt es beiden Seiten nicht: So weisen manche Experten darauf hin, dass selbst unter den denkbar besten Haltungsbedingungen das evolutionär bestimmte Bewegungsniveau eines Pferdes kaum erreicht werden kann – und jedes Mittel, dem heranwachsenden Pferd zusätzliche Bewegung zu verschaffen, für die Entwicklung seiner Muskulatur und seines Skeletts daher nur hilfreich sein kann. Auf der anderen Seite ist es ebenso wahrscheinlich, dass eine übermäßige Belastung von empfindlichen, noch nicht vollständig ausgebildeten Strukturen einen dauerhaften gesundheitlichen Schaden verursachen kann, z. B. wenn Knorpel noch nicht vollständig entwickelt sind.

Wie aber stellt sich diese Kontroverse in wissenschaftlicher Hinsicht dar? Gibt es Studien, die Argumente für die eine oder die andere Seite liefern – und gibt es so etwas wie einen ,wissenschaftlichen Konsens’ über die Beurteilung dieses für die Pferdebranche so wichtigen Themas? Die renommierte Verhaltensspezialistin Prof. Dr. Uta König von Borstel vom Institut für Tierzucht und Haustiergenetik der Georg-August-Universität Göttingen hat sich dieser Frage angenommen und im Rahmen einer Meta-Studie insgesamt 21 wissenschaftliche Untersuchungen ausgewertet, in denen die Auswirkungen eines frühen Anreitens bzw. eines frühen Turniereinsatzes auf die Gesundheit und die Dauer der Wettkampfkarriere von Pferden analysiert werden. Die Studien wurden dabei in zwei große Gruppen eingeteilt – nämlich 1) in Untersuchungen (insgesamt 15) , die populations-basiert waren und im Wesentlichen auf der Auswertung von Wettkampfdaten ohne spezifische Informationen zu Ausbildungs oder Haltungspraktiken beruhten, sowie 2) in Untersuchungen (insgesamt 6), in denen gezielte Verbindungen zwischen den Auswirkungen von frühem Training bzw. Wettbewerb und den Haltungsbedingungen sowie den Effekten auf Gesundheit und Dauer des Wettkampfeinsatzes geprüft wurden.

Die Auswertung brachte ein auf den ersten Blick überraschendes Ergebnis: Der weitaus überwiegende Teil der Studien – insgesamt 71 % – deutet darauf hin, dass ein früher Einstieg ins Training bzw. in den Wettkampf für die Gesundheit und die Dauer der Sportkarriere von Pferden durchaus vorteilhaft wäre, während nur ein geringer Teil der Untersuchungen ergab, dass diese Auswirkungen eher unbedeutend bzw. widersprüchlich (19 %) wären. Nur ein kleiner Teil der Studien – nämlich 10 % – kam zu dem Schluss, dass die Folgen für Gesundheit und Wettkampfkarriere schädlich waren. Die Vorteile eines frühen Trainings- bzw. Wettkampf-Einstiegs zeigten sich unabhängig von der Art des Trainings und auch des Mindestalters beim ersten Wettkampfstart (z. B. Rennpferde: 2 Jahre, Dressur- und Springpferde: 3 Jahre).

Dieses durchaus verblüffende Resultat ist jedoch in einem wesentlichen Punkt zu relativieren, wie Prof. Dr. Uta König von Borstel betonte: Bei den populationsbasierten Studien sind mögliche Störfaktoren aufgrund einer Art ,Vorauswahl’ zu berücksichtigen, die das Ergebnis verfälschen können: Die Gruppe älterer Pferde weist wahrscheinlich einen höheren Anteil an Tieren auf, die von vornherein eine schlechtere Gesundheit und/oder Leistung hatten und daher auch nicht in einem jüngeren Alter zur Ausbildung herangezogen wurden. Daher ist dieses Ergebnis durchaus mit Vorsicht zu genießen.

Bemerkenswerterweise zeigen jedoch auch die verfügbaren Studien mit einem kontrollierten Studiendesign einen gesundheitlichen Nutzen für einige Pferde, die in einem sehr jungen Alter mit ihrer Ausbildung begonnen haben. Diese Untersuchungen weisen jedoch auf einen entscheidenden Punkt hin: nämlich, dass frühes Training bzw. frühes Anreiten nicht unabhängig von den Haltungsbedingungen beurteilt werden darf: Während Pferde mit großzügigem Weidegang von zusätzlicher Ausbildung profitieren, ist das gleiche Training für junge Pferde schädlich, wenn sie in Einzelboxen gehalten werden.

Das Resümee von Prof. Dr. König von Borstel: „Die Meta-Analyse bestehender Studien zum Einfluss des Alters bei Trainingsbeginn und/oder erstem Wettkampfstart zeigt, dass – im Gegensatz zur gängigen Vorstellung, dass frühes Training der Gesundheit des Pferdes schadet – ein eher früher als ein eher später Trainingsbeginn mit einer besseren Gesundheit des Skeletts und einer längeren Wettkampfkarriere verbunden ist. Es gibt jedoch auch Hinweise darauf, dass nur Pferde mit Weidehaltung von einem frühen Training profitieren, während das gleiche, intensive Training bei Pferden in Boxenhaltung für die Gesundheit des Skeletts schädlich sein kann. Das unterstreicht, wie wichtig es ist, Anreize für eine kontinuierliche Bewegung durch Gruppenhaltung, Weidegang und zusätzliche Gymnastizierung für junge Pferde zu schaffen.“

Die Meta-Studie „Influence of age at first training or competition start on health and duration of competition careers in horses: a review and meta-analisis“ von Prof. Dr. Uta König von Borstel wurde im Rahmen der 14. Jahrestagung der ,Internationalen Gesellschaft für Pferdewissenschaften' (ISES) von 21.–24. September 2018 in Rom vorgestellt.

Kommentare

Bevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...
Zur Übersichtzurück weiter

 
 
ProPferd.at - Österreichs unabhängiges Pferde-Portal − Privatsphäre-Einstellungen