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Nach Tod zweier Teenager: So soll Australiens Vielseitigkeit sicherer werden
09.10.2019 / News

31 Empfehlungen des Untersuchungsrichters sollen den australischen Pferdesport und insbesondere den Vielseitigkeitssport künftig noch sicherer machen.
31 Empfehlungen des Untersuchungsrichters sollen den australischen Pferdesport und insbesondere den Vielseitigkeitssport künftig noch sicherer machen. / Symbolfoto: Julia Rau

Nach dem tragischen Tod von Olivia Inglis und Caitlyn Fischer im Jahr 2016 liegt nun der abschließende Bericht des Untersuchungsrichters vor. Darin werden zahlreiche Empfehlungen ausgesprochen, um die Sicherheit auf VS-Turnieren zu erhöhen – Australiens Pferdesportverband reagiert positiv.

 

Es war wohl die schwärzeste Stunde des australischen Pferdesports, als im Jahr 2016 innerhalb weniger Wochen zwei hochtalentierte und hoffnungsvolle junge Vielseitigkeitsreiterinnen bei Turnieren tödlich verunglückten: Am 6. März 2016 starb die 17-jährige Olivia Inglis bei den Scone Horse Trials in Hunter Valley/Australien nach einem Rotationssturz mit ihrem Pferd Coriolanus. Wenige Wochen später – am 30. April 2016 kam die 19-jährige Caitlyn Fischer bei den Sydney Horse Trials in Australien ums Leben – sie starb an schweren Kopfverletzungen infolge eines Rotationssturzes, nachdem ihr Pferd Ralphie auf sie gefallen war (siehe auch unseren Bericht dazu). Die Todesfälle sorgten bei Pferdefreunden auf der ganzen Welt für Entsetzen und Bestürzung – und schockierten die gesamte australische Öffentlichkeit zutiefst.

Das Trauma von damals sitzt in Australien noch immer tief – und hat auf mehreren Ebenen zu einer umfangreichen Aufarbeitung der tragischen Geschehnisse geführt. So hat sich u. a. der australische Pferdesportverband ,Equestrian Australia’ (EA) eingehend mit den beiden Todesfällen beschäftigt – vor allem aber wurde eine umfassende gerichtliche Untersuchung der erschütternden Unglücksfälle durch den stellvertretenden Untersuchungsrichter von New South Wales, Derek Lee, durchgeführt, der nach umfangreichen Anhörungen und Gutachter-Stellungnahmen letzte Woche seinen abschließenden Bericht vorgelegt hat.

Im Zentrum dieses Berichts stand die Frage, ob die Sicherheitsmaßnahmen bei den betreffenden Turnieren ausreichend waren, um das Risiko von schweren Verletzungen oder gar tödlichen Unfällen von Reitern so gering wie möglich zu halten. Und es wurde auch auf Bedenken eingegangen, wonach der Pferdesport in hohem Maße von Freiwilligen bzw. ehrenamtlichen Helfern abhängig ist, denen häufig die für die Gewährleistung von Sicherheit erforderlichen Fähigkeiten und Ausbildungen fehlen. Auf Basis dieser Analyse wurden vom Untersuchungsrichter insgesamt 31 Empfehlungen ausgearbeitet, um künftige Pferdesportveranstaltungen – insbesondere Vielseitigkeitsturniere – noch sicherer zu machen und unnötige Risiken zu vermeiden.

31 Empfehlungen, um Sicherheitsrisiken zu minimieren

Eine dieser Empfehlungen lautet, die Turnierbestimmungen dahingehend zu ändern, dass künftig bei jeder pferdesportlichen Veranstaltung mindestens ein medizinisches Notfall-Team vor Ort sein muss, das aus mindestens zwei medizinisch geschulten Kräften besteht, die über die erforderlichen Mindestkenntnisse verfügen, um lebensrettende Erste-Hilfe-Maßnahmen für all jene Verletzungen zu leisten, die typischerweise bei Reitturnieren auftreten können.

Diese Empfehlung ist wohl auf die Aussage der Mutter von Olivia Inglis – Charlotte – zurückzuführen, die bei der Untersuchungen ihre Bedenken äußerte, wonach der Sanitäter, der vor Ort ihre Tochter betreute, „sehr, sehr nervös“ agiert habe und möglicherweise mit der Situation überfordert war. Wie sich herausstellte war dies ein Mitarbeiter eines privaten Sanitätsdienstes, und kein offizieller Mitarbeiter der Rettung von New South Wales. „Wir wussten nicht, dass ein privates Unternehmen vor Ort engagiert worden war, das ganz andere Standards für seine Mitarbeiter hatte", so Charlotte Inglis vor dem Untersuchungsrichter. „Er war mit einer sehr schlimmen Situation konfrontiert, und das war für ihn enorm stressig."

Eine weitere Empfehlung betrifft die Verfügbarkeit von lebenswichtiger medizinischer Notfallausrüstung vor Ort. So war während der Untersuchung aufgedeckt worden, dass lebenswichtige Instrumente zum Freilegen bzw. Absichern von Olivia Ingliss Atemwegen nicht effektiv funktionierte. So waren etwa weder eine Larynxmaske noch ein Endotrachealtubus, die für die medizinische Notversorgung in diesem Fall erforderlich gewesen wären, nicht vor Ort im Krankenwagen vorhanden waren. Das gleiche gilt auch im Fall von Caitlyn Fischer – auch hier standen diese beiden wichtigen Notfall-Mittel nicht am Unfalltag zur Verfügung.

Der Untersuchungsbericht sprach auch noch weitere Empfehlungen aus:

– So sollen etwa alle Hindernisrichter vor einem Turnier eine Art ,Trainings-Video’ ansehen, in dem der richtige Umgang mit kritischen Situationen demonstriert wird;

– es soll ein nationaler Sicherheits-Manager bzw. -Beauftragter auf Vollzeitbasis angestellt werden;

– Parcours und Gelände-Kurse bzw. -Hindernisse müssen ausreichend auf ihre Sicherheit getestet werden;

– es muss ein definiertes Verfahren zur Überprüfung und Aufarbeitung schwerer Unfälle entwickelt werden, die eine medizinische Versorgung nach sich gezogen haben;

– es muss ein Meldesystem implementiert werden, das es den Teilnehmern ermöglicht, sicherheitsrelevante Bedenken vertraulich zu kommunizieren.

Beim letztgenannten Punkt ist zu erwähnen, dass Olivia Ingliss Mutter Charlotte vor dem Untersuchungsrichter auch ausgesagt hatte, dass sie bei der Geländebesichtigung Bedenken hinsichtlich des Hindernisses 8 geäußert hatte, an dem wenig später ihre Tochter verunglückte. Die verwendeten Stangen wären ungewöhnlich schmal gewesen, und die Bodenlinie nur schlecht erkennbar – und sie hatte diese Bedenken auf dem Weg zum Abreiteplatz auch mit Olympiareiter Shane Rose besprochen. Ihrer Tochter Olivia habe sie gesagt, vor diesem Hindernis aufzugeben, wenn Coriolanus die vorangehenden Hindernisse nicht gut springen würde. Charlotte Inglis meinte, es bräuchte eine andere Kultur unter Vielseitigkeitsreitern und Trainern, damit sie gehört werden, wenn sie Bedenken bei bestimmten Hindernissen hätten.

Australischer Pferdesportverband zeigt sich kooperationsbereit

In einer ersten Stellungnahme zu dem Bericht des Untersuchungsrichters und dessen Empfehlungen meinte der australische Pferdesportverband, dass man den Bericht als konstruktiv bewerte und zur Kenntnis nehme – und weiter daran arbeiten werde, die Sicherheit im Pferdesport zu verbessern und die Risiken zu minimieren – dies habe für den Verband höchste Priorität.

„Um die Empfehlungen umzusetzen, wird ,Equestrian Australia’ eine Konsultationsphase mit wichtigen Interessengruppen im ganzen Land starten“, so der Verband, der auch betonte, bereits eine Reihe von Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt zu haben oder dabei zu sein, diese umzusetzen. Dazu zählen etwa strengere Bestimmungen für die medizinische Versorgung, einschließlich der Mindestanforderungen bezüglich Fähigkeiten bzw. Ausbildung der Einsatzkräfte sowie bezüglich der Ausrüstung.

Es wurde auch schon ein Vollzeit-Sicherheitsmanager ernannt, der die Verbesserung der Sicherheit und die Risikominimierung in allen Aspekten des Pferdesports vorantreiben soll, auch ein detailliertes Protokoll für die Untersuchung und Analyse von Unfällen wurde bereits eingeführt.

Zudem sei bereits seit 1. Februar 2018 bei Vielseitigkeitsturnieren ab zwei Sternen abwerfbare Hindernisse verpflichtend vorgeschreiben – und man habe ein System zur Risikobewertung  – das sogenannte ,EquiRating’ – für jedes Pferd eingeführt, und zwar auf der Grundlage seiner bisherigen sportlichen Leistungen. Damit würden die Reiter zusätzliche Informationen erhalten, um fundierte Entscheidungen über das relative Wettbewerbsrisiko auf einem bestimmten reitsportlichen Niveau treffen zu können.

,Equestrian Australia’ abschließend: „Wir sind uns der Verantwortung bewusst, die wir gegenüber den ReiterInnen, ihren Familien und auch gegenüber unseren ehrenamtlichen Mitarbeitern tragen – und sind bereit, von den Empfehlungen des Untersuchungsberichts zu lernen und diese, wo es praktikabel ist, auch umzusetzen. Der Vorstand und die Mitarbeiter von ,Equestrian Australia’ sprechen den Familien von Olivia Inglis und Caitlyn Fischer nochmals unser Beileid aus. Wir erkennen die Stärke und den Mut beider Familien an, den diese in diesem schwierigen Prozess gezeigt haben. Olivia und Caitlyn waren außergewöhnliche junge Frauen und Reiterinnen. Ihr tragischer Tod hat die Pferdesport-Gemeinde zutiefst bestürzt – und ist für uns Mahnung und Auftrag, auch künftig an der Minimierung des reitsportlichen Risikos zu arbeiten.

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