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BesitzerInnen können Übergewicht ihrer Pferde nur schlecht beurteilen
05.10.2022 / News

/ Symbolfoto: Archiv/Horse World

PferdebesitzerInnen zeigten in einer aktuellen Studie italienischer WissenschaftlerInnen nur bescheidene Fähigkeiten, die körperliche Verfassung ihrer Tiere und deren Ausmaß an Fettleibigkeit bzw. Übergewicht korrekt einzuschätzen.

 

Fettleibigkeit und Übergewicht sind eine immer größere Gefahr für die Pferdegesundheit und werden bei Pferden immer häufiger beobachtet. Das zu hohe Körpergewicht sorgt nicht nur für eine Zunahme sogenannter ,Zivilisations-Krankheiten' wie EMS (Equines Metabolisches Syndrom), Cushing oder Insulin-Resistenz bei Pferden, sondern verursacht auch eine ganze Reihe weiterer Erkrankungen und verschärft gesundheitliche Probleme, etwa die Neigung zu Hufrehe, ein allgemein erhöhtes Verletzungsrisiko und Arthrose.

Um den Körperzustand und das Ausmaß von Übergewicht bei seinem Pferd beurteilen zu können, gibt es mehrere Wege und Möglichkeiten – zu den häufigsten und praktikabelsten zählt die Anwendung des sogenannten ,Body Condition Scores’ (BCS, ein Maßstab für subkutanes Körperfett) sowie des ,Cresty Neck Scores’ (CNS, ein Maßstab für Fett entlang des Halskamms). Beides sind wichtige Instrumente zur Einschätzung des Fettleibigkeitsrisikos, und Besitzer und Betreuer sollten in der Lage sein, ihre Tiere mit ihnen richtig zu beurteilen.

Aber sind sie das auch tatsächlich? Genau dieser Frage wollten italienische ForscherInnen rund um Sara Busechian und Luca Turini in einer nun veröffentlichten Studie auf den Grund gehen. Sie machten sich daran, die Fähigkeit von PferdebesitzerInnen zu vergleichen, die BCS- und die CNS-Werte ihrer Tiere richtig einzuschätzen, wobei sie deren Ergebnisse auch mit denen eines erfahrenen Prüfers — eines staatlich geprüften Tierarztes – verglichen.

Ihre Studie umfasste 259 erwachsene Pferde, die hinsichtlich Alter, Geschlecht, Rasse und Art der Disziplin/Aktivität breit gestreut waren und insgesamt 30 verschiedenen BesitzerInnen gehörten. 163 Pferde (62,9 %) waren als ,jung’ eingestuft, 77 (29,7 %) als ,erwachsen’ und 19 (7,4 %) als ,alt’. Hinsichtlich Geschlecht waren 25 Hengste (9,6 %), 153 Stuten (59,1 %) sowie 81 Wallache (31,3 %) in der Testgruppe, bezüglich Rasse waren 126 (48,6 %) Vollblüter, 92 (35,5 %) Warmblüter, 18 (7,0 %) Ponys, 13 (5,0 %) Kaltblüter und 10 (3,9 %) Barockpferde in der Kohorte enthalten.

Für jedes Pferd wurde der Body Condition Score von seinem Besitzer auf einer Skala von 0 bis 5 nach dem Carroll- und Huntington-System bestimmt. Der Cresty-Neck-Score wurde ebenfalls auf einer Skala von 0 bis 5 bewertet. Die Besitzer waren nicht an den beiden Bewertungssystemen geschult worden, keiner hatte Veterinärmedizin oder verwandte Disziplinen studiert, was sie auf die Bewertungen hätte vorbereiten können. Sie bekamen lediglich ein illustriertes Blatt ausgehändigt, das die einzelnen Bewertungsstufen der beiden Skalen darstellte, jeweils mit einer Skizze und einer kurzen Beschreibung in italienischer Sprache (siehe Grafik unten).

 

Alle BesitzerInnen waren aber der Ansicht, dass sie über umfassende Kenntnisse in Sachen Reiten sowie im Umgang mit Pferden verfügen und mindestens 10 Jahre lang Pferde besessen oder geritten haben.

Die Ergebnisse waren bemerkenswert – und auf den ersten Blick schienen sich die BesitzerInnen gar nicht so schlecht geschlagen zu haben: Sie schätzten ein, dass bei 29 % der Pferde eine Überkonditionierung (also ein zu hohes Körpergewicht) vorlag, im Vergleich zu 24 %, wie der Tierarzt feststellte. Die Besitzer schätzten weiters, dass 2 % der Pferde fettleibig waren, verglichen mit 1 %, wie der Tierarzt feststellte. Also alles nicht dramatisch weit auseinander, könnte man meinen.

Doch ein Blick auf die Detailergebnisse zeigte ein anderes Bild: Sobald man die Resultate der Einzelbewertungen näher betrachtete, wurde offensichtlich, dass die Übereinstimmung zwischen den Besitzern und dem Tierarzt bei beiden Bewertungsskalen nur gering war – und die Besitzer dazu neigten, Pferde entweder niedriger oder höher als der Tierarzt zu bewerten. Wie sehr man im Detail auseinander war, zeigen diese beiden Grafiken:

 

 

So haben die BesitzerInnen einen BCS-Wert von 3 für etwa 120 Pferde vergeben – während er seitens des Tierarztes für fast 160 Pferde vergeben wurde. Auch beim CNS-Wert gab es erhebliche Diskrepanzen: Der Wert 2 wurde seitens der BesitzerInnen für ca. 90 Pferde vergeben – während ihn der Tierarzt für fast 140 Pferde vergab. Dafür wurden die Werte 0 und 1 sowie die Werte 3, 4 und 5 von den BesitzerInnen deutlich öfter vergeben, mitunter um ein Vielfaches.

Doch wie lassen sich diese z.T. gravierenden Unterschiede erklären? Die statistischen Auswertungen geben dazu einige Hinweise: So zeigte die Studie, dass die Übereinstimmung zwischen den Beobachtungen der Besitzer oder des Tierarztes auf verschiedene Weise durch Alter, Geschlecht, Rasse und Art der Aktivität beeinflusst werden kann. Die AutorInnen wörtlich: „Der Kappa-Koeffizient von Cohen (dieser bestimmt das Maß der Übereinstimmungen zwischen zwei Werten – je höher der Kappa-Wert, desto höher die Übereinstimmung, Anm.) nahm tendenziell mit dem Alter der Pferde zu und änderte sich von einer leichten Übereinstimmung zu einer moderaten Übereinstimmung bezüglich des CNS-Werts.“ Bei älteren Pferden war die Übereinstimmung zwischen BesitzerInnen und Tierarzt also größer – wofür die AutorInnen ebenfalls eine Erklärung liefern: „Ältere Pferde haben länger bei ihren Besitzern gelebt als die anderen, und ihre Halter waren höchstwahrscheinlich eher daran gewöhnt, ihr BCS und ZNS zu bewerten, um das Wohlbefinden ihrer Tiere besser zu überwachen, insbesondere wenn sie von chronischen Krankheiten betroffen sind.“

Auch die Art der Disziplin bzw. Aktivität beeinflusste den Grad der Übereinstimmung zwischen Besitzer- und Tierarzt-Bewertung von BCS und CNS, so die AutorInnen: „Tatsächlich hatten Besitzer von Westernpferden ein optimales Maß an Übereinstimmung mit dem Tierarzt für BCS, während andere keine oder nur eine geringe Übereinstimmung zwischen den Besitzern und dem Tierarzt hatten. Dies könnte damit zusammenhängen, dass die Besitzer hinsichtlich der Bewertung morphologischer Merkmale besser geschult sind.“ Die Rasse des Pferd scheint ebenfalls die Übereinstimmung zwischen BesitzerInnen und Tierarzt ebenfalls zu beeinflussen, so die AutorInnen.

Die AutorInnen sagten, dass ihre Ergebnisse im Wesentlichen mit jenen anderer Studien übereinstimmen und die Schwierigkeiten verdeutlichen, die BesitzerInnen haben können, das Risiko ihrer Pferde für Übergewicht und damit verbundene Krankheiten wie Hufrehe richtig einzuschätzen. Die Studie zeige außerdem, wie wichtig es ist, BesitzerInnen und Halter in dieser Fähigkeit noch besser und intensiver zu schulen. In Verbindung mit einer regelmäßigen tierärztlichen Untersuchung der Pferde könnte dies die Entwicklung von Fettleibigkeit, Überkonditionierung und damit verbundenen Krankheiten verhindern – insbesondere bei Rassen, die anfällig für EMS und Hufrehe sind, so das Resümee der AutorInnen.

Die Studie „Are Horse Owners Able to Estimate Their Animals’ Body Condition Score and Cresty Neck Score?" von Sara Busechian, Luca Turini, Micaela Sgorbini, Camillo Pieramati, Lorenzo Pisello, Simona Orvieto und Fabrizio Rueca ist am 3. Okt. 2022 in der Zeitschrift ,Veterinary Science' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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