Im täglichen Umgang mit Pferden sind es häufig die kleinen, schmerzhaften Lästigkeiten, Fehlgriffe und Beeinträchtigungen, die bei Pferden Missbehagen auslösen und zur Störung der Gesundheit führen. In seinem umfangreichen Archiv hat Dr. K. einige dieser „Angriffe gegen das Wohlbefinden" dokumentiert.
„Du sollst nicht leere Phrasen dreschen!"
Am Realgymnasium, das ich in den späten sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts besuchte und 1963 mit der Reifeprüfung abschloss – es war wie auch andere herausragende Institutionen nach dem Geschlecht der Khevenhüller benannt – unterrichtete Professor Dr. Erich Stumptner das Fach „Deutsch“, immer mit Bedacht auf Pflege und ebenso korrekte wie präzise Anwendung der Muttersprache seiner Schüler (da gibt es nichts zu Gendern, es war eine reine Knabenschule!!). Drückte sich einer der Schüler schwammig und unklar, oder gar unter Verwendung von „Allgemeinplätzen“ aus, forderte er Klarheit ein mit: Du sollst nicht leere Phrasen dreschen!!
Das fiel mir ein, als ich die vielen, jetzt in Mode gekommenen Verwendungen das Begriffes „Tierwohl“ [ „Tierwohl wie Heu“; „Kräuterextrakte für Tierwohl“] oder in einem kleineren Segment „Pferdewohl“ beobachtete. Mein DUDEN – Bedeutungswörterbuch führt dazu an:
„Wohl: Zustand in dem sich jemand wohl fühlt“ – und führt eine Reihe von Beispielen an: Wohlgefallen, Wohltat, Wohlstand, Wohlwollen, Wohlfahrt, Wohlergehen. Das Etymologische Wörterbuch des Deutschen (dtv 2000) leitet „wohl“ von „wollen“ ab, weshalb -wie ich meine – für unsere Pferde bzw. Tiere überhaupt der Begriff „Wohlbefinden“ der treffendste ist, denn unter „Befinden“ definiert der DUDEN einen „gesundheitlichen Zustand“: also ein guter gesundheitlicher Zustand ist gewollt und im „Wohlbefinden“ umfasst – gute Gesundheit mit Wohlbefinden ist aber mehr als die Abwesenheit von Krankheit:
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Gesundheit ist ein Zustand völligen psychischen, physischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen1. Es bezieht sich auf den körperlichen und geistigen Zustand eines Menschen oder einer Gruppe2. Ein gesunder körperlicher Zustand wird als Salubrität bezeichnet2.
Quelle: Wikipedia
Salutogenese
Salutogenese, vom amerikanisch-israelischen Medizinsoziologen Aaron Antonovsky vorgelegtes Konzept, das in den letzten Jahren eine zentrale Bedeutung erhalten hat und das zur Abkehr von pathogenetischen, d.h. krankheitsorientierten, Stress-Konzepten führte. Gefragt wird, wie Menschen trotz Belastungen und Stress gesund bleiben bzw. welche Mittel (Ressourcen) einer Person zur Verfügung stehen bzw. sich aktivieren lassen, um mit Stress fertig zu werden, Belastungen zu ertragen und die eigene Gesundheit zu erhalten bzw. nicht krank zu werden (Gesundheitspsychologie, Empowerment). Salutogenese betont die Suche nach Faktoren, welche die Aufrechterhaltung von Gesundheit bedingen. Salutogenese ist ein Konzept, das eng verbunden mit der Prävention ist. Aus dem Blickwinkel der Salutogenese bedeutet Prävention damit nicht nur die Veränderung krankheitsverursachender und -aufrechterhaltender Bedingungen, sondern auch eine Unterstützung vorhandener gesundheitsbegünstigender Ressourcen.
Quelle: Wikipedia
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In meiner Auffassung ist der Grundgedanke der Salutogenese - auf Pferde übertragen – sehr gut anwendbar, insbesondere wenn der Mensch sich ständig vor Augen hält: Pferde leiden stumm!
Der Worte sind genug gewechselt,
Laßt mich auch endlich Taten sehn!
Indes ihr Komplimente drechselt,
Kann etwas Nützliches geschehn.
Goethe, Faust. Vorspiel auf dem Theater, 1808.
Ich plane daher, in einigen Folgen solche „Schwachstellen mit Angriffspunkten zur Verbesserung“ darzustellen, wobei ich nicht streng thematisch vorgehen werde, sondern die Absicht habe, meine umfangreichen Foto-Archive aus Vorträgen, Lehrverpflichtungen, tierärztlicher Praxis und Gerichtsgutachterarbeit zu durchforsten, mit Fokus auch auf Themen, die im Beitrag der vergangenen Woche aufgezeigt wurden, aber auch darüber hinausgehen; und es werden vor Allem die kleinen schmerzhaften Lästigkeiten, Unannehmlichkeiten und Angriffe gegen das Wohlbefinden sein, die Missbehagen auslösen und zur Störung der Gesundheit führen:
– Schlecht angepasste Gebisse und/oder Führen mit Quetschung der Lefzen und Unterkiefer (Nussknacker-Effekt)
– Schlecht angepasstes Martingal oder andere Hilfszügel
– Zäumungsfehler jedweder Art
– Grobe Zügelhand oder gleichbleibende Anlehnung
– Unpassender oder defekter Sattel
– Drückendes Brustblatt oder Kummet
– Zwickender Sattelgurt und Gurtenlagen
– ReiterInnen mit schwankendem und instabilem Sitz
– Mangelhafte Pflege von Schlauch und Vagina
– Suboptimaler Hufbeschlag
– Falsche Fütterung
– Grobe, lieblose Umgangsformen wie Longieren mit Kopflonge („polnische Bremse“) oder Longierbrille
– Nicht erkennen oder Ignorieren von Ungemach und mangelndem Wohlbefinden mit Verlust von Losgelassenheit und Rittigkeit.
– Kalter und liebloser Umgang ohne wechselseitige Bindung.
Oberflächliche oder tiefere Hautverletzung über dem Augenbogen sind häufig und scheinen zunächst meist harmlos zu sein oder werden kunstgerecht chirurgisch versorgt, aber: jede Wundheilung ist mit Juckreiz verbunden, weshalb aus Verletzungen mit Bagatelle-Charakter durch Scheuern eine schwere sekundäre Wundheilungsstörung – mit Gefahr für das Auge – entstehen kann. Um dies zu vermeiden, sollte in Betracht gezogen werden:
– Ausbinden des Pferdes rechts und links, wenn es unbeobachtet ist;
– Entfernen von möglichen Scheuerstellen in der Box
– Kopfverband mit Tubigrip ® oder Still-Einlagen.
– Vor Allem aber Laserbestrahlung (unter Augenschutz), im Anschluss bedecken mit Wundsalbe z.B. Mirfulan®
Dieses Pferd hatte einen Holzteil zwischen die Schneidzähne des Unterkiefers eingebissen, die Schleimhaut hatte sich entzündet, das Fressen wurde eingestellt und beim Aufzäumen wurde das Tier kopfscheu und aggressiv – eine kleine Ursache (1.5 x 0.7 cm) mit großer Wirkung.
Widersetzlichkeit, nachdem ein neuer Sattel gekauft und – angeblich „fachgerecht“ angepasst worden ist – der Abdruck zeigt jedoch klar, dass der Sattel die Freiheit der Wirbelsäule einengt, und nur partiell aufliegt; beim Vorreiten war zu sehen, dass die Reiterin „über“ dem Pferde saß.
Dieses Pferd war nicht zu „fett“, wie der mobile Sattelhändler meinte, als er in seinem riesigen Saddle Truck keinen passenden Gurt gefunden hatte, das Pferd war herzkrank und das vermeintliche Fett war ein Senkungsödem.
Der 1921 verstorbene Oberst a.D. Peter Spohr beschäftige sich jahrelang mit naturnahen Heilmethoden für Pferde: Luft und Wasser waren seine wichtigsten Heilmittel.
Das empfehlenswerte Werk gibt es mittlerweile in einem Nachdruck:
EOD Reprint der Originals ist erhältlich bei Bayrische Staatsbibliothek unter ISBN 3-226-00814-5
Alte, schwer heilende Wunden und „wildes Fleisch“ peinigen viele Pferde, namentlich Füchse und Schimmel, mit Schmerz und Juckreiz. Ich konnte immer wieder feststellen, dass es zu den beliebten Salbenverbänden gute Alternativen gibt:
– Alte, feuchte („saftelnde“) Wunden und wildes Fleisch darf man keinesfalls durch Abwischen oder festes Betupfen immer wieder stören, besser ist es, sie kontrolliert der Frischluft auszusetzen, dann mit einem milden Wassermantel einige Minuten abzuspülen, bis eine Farbveränderung der Oberfläche erkennbar ist, hierauf wird der Wundbereich mit einem sanften, mäßig warmem Luftstrom aus einem Haarföhn getrocknet. Ist ein Lasergerät zur Verfügung, ist eine anschließende Bestrahlung der nicht glänzenden, trockenen Oberfläche für einige Minuten ein wunderbarer Heil-Reiz!
– Gute Lasergeräte mit Punkt- und Flächenapplikation gibt es in sehr handlicher Stiftform, batteriebetrieben und leistungsstark mit 30 – 50 mW; ich bin der Ansicht, dass Jedermann und Jedefrau, die Tiere, Kinder und Familie hat, diese relativ preiswerte Investition wagen sollte. Der Bienenstich, die Fieberblase, das aufgeschundene Knie und die Folgen drückender Schuhe lassen sich einfach und allerorts behandeln, ohne alles „einschmieren“ zu müssen – die Wundoberfläche soll aber immer möglichst trocken sein.
Verbände müssen manchmal sein; werden sie nicht „kunstgerecht“ angelegt, können sie für Pferde höchst unangenehm und schmerzhaft und kontraproduktiv sein. Es sollte eine betroffene Extremität immer mit einem vom Huf-Rand, also von unter her, aufgebauten Verband, überlappend in zwei bis drei Etagen nach oben aufgebaut werden: das Ziel muss sein, eine distale Stauung zu vermeiden.
Speziell bei Füchsen – wie schon dutzende Male erwähnt – sind Schutzverbände mit großer Sorgfalt anzulegen und ein Druck auf das Sesambein (Pfeile) unbedingt zu vermeiden.
Fehler bei der Erstversorgung können fatale Folgen haben, die bis zur Lahmheit und Dienstunfähigkeit des Pferdes führen können.
Solche Bilder sind Tierschutz – relevant – kein Leckerli und keine Satteldecke mit Goldfäden vermag solche Schmerzzufügung auszugleichen.
Schuld an der Widersetzlichkeit des Pferdes waren neben der Hand der Reiterin völlig unpassendes Equipment: Reit-Zaum und Trense, Sattel und Sattelunterlagen – passendes Zubehör ist eine Obliegenheitspflicht!
Der „strotzende“ Kandaren-Baum bedeutet Tierquälerei par excellence! Ebenso wie falsch angewandte Hilfszügel oder der absolut abzulehnende Griff in den Trensenring!
Es ist müßig, über die Berechtigung oder Erneuerung des Spitzensports zu diskutieren, solange Bilder wie die Folgenden auf den Reitplätzen von Einstellbetrieben….
….. oder renommierten Staatsgestüten zu erleben sind.
Unbeantwortet bleibt die Frage: Wer ist dafür verantwortlich, dass diese „Tagesordnung“ endlich verschwindet – ich denke, die Antwort kann nur sein: der sehende und gebildete Pferdemensch mit Zivilcourage!
Zum Abschluss der heutigen Folge geht’s ins Grüne - ein beliebtes Spielchen: „Zentrifugieren eines Pferdes“ ohne optische Anlehnung, ohne Longierpeitsche und mit baumelden Steigbügeln, eine „probate“ Methode, um Pferde gegen leichte Schenkelhilfen abzustumpfen.
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Gutachten, Fotos, Grafiken und Literatur: Archiv und ex libris Dris. Kaun.
Eine Bitte: Meine Aufsätze, Publikationen und Kommentare sollen Pferdeleuten unserer Tage zu Orientierung, Selbsteinschätzung und Beziehung zu Pferden dienen. Personen, die kommerziell mit Pferden Kontakt haben, mögen die von Anstand und Benehmen vorgegebenen Regeln respektieren, Quellen anführen und korrekt zitieren – danke!
Sollten Leser meiner Aufsätze einzelne Themen vertiefen wollen, so kann auch - unter den oben angeführten Bedingungen - aus dem reichen Fundus der kostenlosen Downloads auf www.pferd.co.at geschöpft werden.