Die Form der Oberlinie eines Pferdes sagt viel über seine Verfassung und sein Wohlbefinden aus – das ist das Ergebnis einer französischen Studie, in der insgesamt 85 Reitschulpferde mit Hilfe eines ausgeklügelten Verfahren vermessen und analysiert wurden.
Dass die Körperhaltung von Tieren auch ihren emotionalen Zustand widerspiegelt, ist nicht neu und wurde bereits in zahlreichen Untersuchungen aufgezeigt. Die französischen Forscher der Universität Rennes gingen für ihre aktuelle Studie aber noch einen Schritt weiter: Sie setzten erstmals ein modernes computerbasiertes Verfahren ein, um eine Verbindung zwischen schlechtem Wohlbefinden und bestimmten feststehenden (chronischen) Körperhaltungen von Pferden herzustellen. Als Verfahren diente dabei die sogenannte ,geometrische Morphometrie’, bei der die Form bzw. Körperhaltung mit Hilfe von zahlreichen Messpunkten in seiner Gesamtheit erfasst und beschrieben werden kann.
Die Hypothese der Forscher rund um Emilie Sénèque war, dass Pferde mit einem beeinträchtigten Wohlbefinden dieses auch durch bestimmte feststehende Körperhaltungen zum Ausdruck bringen – dass sich also gleichsam der innere emotionale Zustand von Pferden auch anhand ihrer Körperhaltung – im konkreten Fall anhand der Form der Oberlinie – ablesen lässt.
Die Wissenschaftler analysierten Fotos von insgesamt 85 Reitschulpferden – 50 Wallache und 35 Stuten, die sich in Bezug auf den Status ihres Wohlbefindens deutlich unterschieden. Das Wohlbefinden jedes einzelnen Pferdes wurde von den Forschern auf der Grundlage des Vorkommens von stereotypen oder sonstigen abnormalen Verhaltensweisen, einer depressiven Haltung und der Position ihrer Ohren beurteilt.
Des weiteren wurde von jedem einzelnen Pferd ein exaktes Oberlinien-Profil – im Stehen als auch im Schritt – angefertigt, indem 30 digitale Messpunkte entlang der Oberlinie jedes Pferdes definiert wurden. Anschließend wurde mit Hilfe statistischer Verfahren das Oberlinien-Profil in Verbindung zum zuvor erhobenen Zustand des Wohlbefindens der Pferde gebracht.
Dabei stellten die Wissenschaftler fest, dass Pferde mit stereotypen oder abnormalen Verhaltensweisen und in geringerem Maße solchen mit depressiven Körperhaltungen tendenziell ein flacheres oder sogar „hohles“ Oberlinien-Profil aufweisen, insbesondere am Hals und an der Kruppe. Die Pferde mit beeinträchtigtem Wohlbefinden konnten eindeutig durch ihre Gesamthaltung unterschieden werden.
Das Resümee der Forscher: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass schlechtes Wohlbefinden auch mit chronischen Veränderungen der Haltung verbunden ist, welche die natürlichen Formen bzw. Biegungen der Wirbelsäule des Pferdes auslöschen", so die Autorinnen im Open-Access-Journal PLOS ONE. Und weiter: „Diese Ergebnisse bestätigen und vertiefen die Ergebnisse früherer Studien. Diese veränderten Oberlinien-Profile können ein zusätzlicher Indikator für ein schlechtes Wohlbefinden von Pferden sein, der vor Ort bzw. von den Eigentümern auch einfach anzuwenden ist."
Die Studie „Could posture reflect welfare state? A study using geometric morphometrics in riding school horses" von Emilie Sénèque, Clémence Lesimple, Stéphane Morisset und Martine Hausberger ist im Februar 2019 in der Zeitschrift ,PlosOne' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.