News 

Rubrik
Zur Übersichtzurück weiter

Die neuen Fälle des Dr. K.: Insektenbekämpfung mit Folgen – Beweise und ihre Sicherung
24.08.2024 / News

Ein Wettrennen mit fatalem Ausgang und die falsche Anwendung eines Insektenmittels sind nur zwei Beispiele dafür, wie wichtig und entscheidend eine präzise und ,gerichtstaugliche' Beweissicherung für jegliche Rechtssprechung ist. Diese Verantwortung trägt in letzter Konsequenz jeder Pferdemensch.


In Offenbarung Johannes 6,8 wird der vierte Reiter der Apokalypse beschrieben: „Er reitet auf einem fahlen Pferde und sein Name ist - Tod“.

 

Das fatale Wettrennen

Es war ein schöner Samstagnachmittag im August, als eine Gruppe von vier Reitern, unter ihnen die Reiterin M., durch die Ortschaft O. ritt und vor dem Hause Nr. 21 anhielt – dort wohnte nämlich der nunmehr Beschuldigte, der in einigen Wochen mit dem Pferde der M. an einem Galopprennen teilnehmen wollte. Um dem später Beschuldigten die Möglichkeit zu eröffnen, das Pferd kennenzulernen und – wie er später aussagte – auf seine Renn- und Wettbewerbsfähigkeit zu testen. Die vier ReiterInnen waren bereits über eine Stunde unterwegs und die Pferde waren verschwitzt. Nach einem kurzen Gespräch saß der (jetzt) Beschuldigte auf das Pferd der M. auf und ritt, begleitet vom ebenfalls berittenen W. einige hundert Meter nach Osten zu einer Wiese. An einem vereinbarten Punkt startend, wollten die beiden Reiter dann über die Wiese galoppieren, als das Pferd der M., welches der Beschuldigte ritt - plötzlich nicht mehr kontrollierbar - abbog und durchging.  Das Pferd galoppierte mit dem Beschuldigen im Sattel, der seinerseits Warnrufe ausstieß, durch die Ortschaft O.; neben der Straße stand zu diesem Zeitpunkt das Kind A.S., das niedergestoßen und schwer verletzt wurde. Der Beschuldigte hatte dies nur unklar mitbekommen, erst nach einigen hundert Metern konnte er das Pferd durchparieren.

Das Gericht, das mit dieser Strafsache befasst war, wollte vom bestellten Sachverständigen wissen, ob dem Beschuldigten aus reitsportlicher Sicht ein Fehlverhalten anzulasten ist.

Aus dem Straf-Akt waren folgende Befunde zu erheben:

– Das Pferd der M. ist ein Vollblut-Wallach.
– Der Beschuldigte konnte das Pferd plötzlich nicht mehr zügeln.
– Der Beschuldigte und W. haben ein Wettrennen veranstaltet.
– W. konnte stehen bleiben, das Pferd des Beschuldigten ist, nicht mehr kontrollierbar, durchgegangen.
– Zeuge: Das Kind ist vom Pferd überritten worden. Der Beschuldigte ist nur knapp an mir mit hoher Geschwindigkeit vorbeigaloppiert, das Kind wurde zur Seite geschleudert. Die beiden Reiter hatten vor, ein Wettrennen zu veranstalten.
– Nach Aussage der M. sei der Beschuldigte absichtlich abgebogen, um der Personengruppe bei dem Kind sein Reitkönnen zu zeigen: dass das Pferd selbstständig durchgegangen sei, schließe sie aus; der Beschuldigte habe ihr Pferd unterschätzt. Ihr Pferd sei sehr friedlich, aber auch temperamentvoll, wenn es um Geschwindigkeit geht.
– W. gab an, dass er mit dem Beschuldigten ein Wettrennen veranstaltet habe.
– Der Beschuldigte gibt an, dass er kein Wettrennen unternommen habe, sondern dass das Pferd durchgegangen sei – möglicherweise sei es erschrocken. Er habe dieses Pferd vorher noch nie gesehen und auch nie geritten.

Befundaufnahme an Ort und Stelle durch den bestellten Sachverständigen:

Der Beschuldigte zeigte im Sattel seines eigenen Pferdes die Reitstrecke – trotz ausdrücklicher Order des SV, nur Schritt oder kurzen Trab zu reiten, ritt er in schnellem Galopp auf die Ortschaft zu. Der Beschuldigte legte beim Ortstermin eine Reihe von Teilnahmenachweisen an nicht näher bezeichneten Wettkämpfen, Haflingerreiten, Geschicklichkeitsreiten, Gasselfahren, Skijöring  und Galoppreiten vor. Seiner Mitteilung gemäß könne er schon länger reiten als gehen, Ausbildungen oder Lizenzen habe er keine – er nehme aber auch mit fremden Pferden an vielen Lizenz freien Bewerben teil.

Die Befundaufnahme am Pferde der M. brachte zutage, dass der beim Unfall sechsjährige Warmblut-Wallach auf Kandare (mit Kinnkette) gezäumt war. Nach dem gegenständlichen Vorfall war das Pferd im Maule blutig verletzt und kann seither nur mehr mit gebissloser Zäumung geritten werden. Nach etwa 15 Minuten unter dem Sattel und Demonstration aller Gangarten war das Pferd ruhig, aufmerksam und durchlässig.

Analyse der erhobenen Befunde

– Entgegen der früheren Angabe ist das verfahrensgegenständliche Pferd kein Vollblüter, sondern ein Warmblut, also vom Typ her gesehen nicht zwingend ein Rennpferd.
– Die Behauptung des Beschuldigten, das Pferd habe aus eigenem Antrieb „umgedreht“, wurde durch die Befundaufnahme relativiert: Der Beschuldigte wendete bei der Befundaufnahme sein eigens Pferd um einen Pfahl und galoppierte aus dieser Wendung sofort an; dieses „Antreiben“ wirkte wie eine (bekannte) gewohnheitsmäßige Reitweise.
– Aus SV- Sicht ist es als unwahrscheinlich einzustufen, dass von zwei Pferden, die schon über eine Stunde (beim Ritt nach O.) in einer Gruppe nebeneinander gegangen sind, eines plötzlich umdreht und durchgeht.
– Vielmehr liegt die Annahme nahe, dass das ins Auge gefasste „Wettreiten“ – von dem mit Sicherheit auszugehen ist - mit einem „Überraschungsmanöver“ starten sollte, welches gegenüber dem Kontrahenten einen Startvorteil verschaffen sollte.
– Eine externe Quelle für „Reizen oder Antreiben“ konnte nicht eruiert werden und war auch beim zweiten Pferd nicht nachvollziehbar.  
– Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der Beschuldigte den „Antritt“ seines Leihpferdes testen wollte: also das Vermögen, vom Start an Tempo zu machen. [Mit einem Vollblüter, also einem geborenen Rennpferd, kann auch auf der Strecke das Tempo noch erhöht werden, bei Warmblutpferden gibt die Renntaktik vor, den Startvorteil zu nützen!]
– Der Beschuldigte hat eine – erkennbar - starke Einwirkung auf sein jeweiliges Reitpferd, wie die Befundaufnahme gezeigt hat: er „überfällt“ das Pferd mit den „antreibenden Hilfen“.
– Ein Pferd, das eine solche fordernde Reitweise nicht gewohnt ist, reagiert mit Kontrollverlust, geht durch und wird irrational.
– Der Beschuldigte kannte das verfahrensgegenständliche Pferd nicht, wusste aber, dass es sich um ein sehr schnelles Pferd handelt, weshalb er den Start bei einem Galopprennen erwogen hat.

----------------------------------------

Zu solchen Galopprennen ist festzuhalten, dass es sich hierbei nicht um Pferderennen im Rahmen geregelter Bedingungen einer Rennbahn (z.B. Freudenau, Baden-Baden) unter strenger Aufsicht einer Rennleitung handelt,  sondern dass solche Rennen als Publikumsattraktion eines örtlichen Reitvereins (zur Aufbesserung der Vereinskasse) veranstaltet werden.

Die Teilnehmer an solchen Rennen haben in der Regel keinerlei Ausbildung, weder als Rennreiter noch als Freizeitreiter, und bewegen sich dann mit überproportionalem Wagemut in der Sphäre der Lizenzlosen in lizenzfreien Bewerben, tierärztliche Kontrollen der Pferde gibt es nicht oder selten.

Im Sprachjargon echter Pferdeleute werden solche Veranstaltungen als „Rennen der Gesetzlosen“ verpönt, zumal der Aspekt des Wohlbefindens der Pferde völlig missachtet wird – wie könnte man sonst auf den Einfall kommen, Kaltblutpferde ins Rennen zu schicken und „das Letzte“ aus ihnen herauszutreiben.

Die Reiter/Fahrer sind nicht zwingend auch die Eigentümer, weshalb ein Sieg ohne Schonung der Pferde Vorrang hat.

Diese Rennen haben – weil sie besonders unfallschwanger sind – eine große Anziehungskraft auf sensationsgeiles Publikum.

Der „Rennverlauf“ in einem abgezäunten Oval einer Wiese ist gezeichnet von einem mehr oder weniger geregeltem Durchgehen, erkennbar daran, dass viele Pferde nach dem Zieleinlauf nicht durchpariert werden können.

Kontrollverlust infolge von Reizen und Antreiben (§ 1320 ABGB) zählt zu den atypischen, vorhersehbaren Tiergefahren beim Pferd; Durchgehen infolge der instinkthaften Unberechenbarkeit ist eine typische Tiergefahr.
---------------------------------------

– Das Resultat des „Proberennens“ war im vorliegenden Fall blutiger Schaum vor dem Maul, erhebliche Verletzungen im Bereich der Mundhöhle und ein verdorbenes Pferd – sowie ein schwerverletztes Kind.


Gutachtensauftrag: Ist dem Beschuldigten aus reitsportlicher Sicht ein Fehlverhalten anzulasten?

Gutachten:

1.    Der Beschuldigte hat es unterlassen, sich mit dem, ihm unbekannten Pferde durch Abreiten vertraut zu machen. Reiterlich korrekt wäre es gewesen, wenn der Beschuldigte das Pferd für mindestens 15-20 Minuten in allen Gangarten „durchgeritten“ hätte, um sich von der Rittigkeit, der Durchlässigkeit, dem Gehorsam und dem Ausbildungsstand ein Bild machen zu können.

2.    Der Beschuldigte, der über lange Erfahrung in der ländlichen Rennreiterei verfügt, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit am Vorfalltage das gegenständliche Pferd in einer Art und Weise geritten und angetrieben, die einen Kontrollverlust zu Folge hatte. Er hat sein Reitvermögen überschätzt und die daraus resultierende Heftigkeit des Pferdes unterschätzt.

3.    Die Darstellung des Beschuldigten, dass ihm das Pferd unmotiviert durchgegangen wäre, ist aus fachlicher Sicht und unter Berücksichtigung der Reit- Demonstration bei der Befundaufnahme nicht glaubhaft. Die nicht unerheblichen Verletzungen des Pferdes in seinem Maul sind nicht Folge einer vitalen Bedrohung des Beschuldigten, sondern Konsequenz eines reiterlichen Fehlverhaltens. Blutig-Reiten eines Pferdes wird bei allen pferdesportlichen Veranstaltungen unter dem Schutze eines Reglements (ÖTO, FEI, Rennvereine) als grober Verstoß geahndet.
[U 70/9Xw]

Henry Alken (1785-1841) The Doncaster St. Leger: „The Start“

Der Platz für Pferderennen ist die Pferderennbahn!!

-------------------------------------

Die „Gesetzlosen“
Viele Unfälle beim Freizeitsport „Reiten“ ereignen sich als eine Folge undisziplinierten und regellosen Verhaltens Einzelner. Von besonderem Übel sind „habituelle Galopp-Strecken“ und – damit verbunden – das schnelle „Hatzerl“.
Die „Hatz“ leitet sich ursprünglich von der Jagd mit Hunden ab, aber auch die schnelle Verfolgung von (berittenen) Menschen kann damit gemeint sein; in jedem Falle geht es um  rudelweises, sehr schnelles Vorwärtsstreben, das bei einer Reitergruppe immer mit großen Gefahren verbunden war (Krieg, Manöver) und ist: besonders verwerflich ist die Eigenschaft mancher „Freizeitreiter“ , um „die Ecke zur Galoppstrecke zu biegen“ und ohne Verabredung und Vorwarnung los zu preschen.

-------------------------------------

 

Ein Insektenmittel mit Folgen

Der Geschädigte kaufte bei einem örtlichen Produktenhändler ein Insektenmittel, um es bei den eigenen Pferden anzuwenden.  Da gemäß dem Aufkleber als Zieltierart explizit „Rind/Schwein“ angegeben war, frug der später Geschädigte einen Mitarbeiter des Landesproduktenhändlers, ob das Mittel auch für Pferde geeignet wäre. Die Antwort – angeblich im Wortlaut – war: „Ich bin der Meinung, wenn dieses biologische Mittel für Rinder geeignet ist, wird es wohl auch für Pferde verwendet werden können.“

Auf Grund dieser Feststellung kaufte der Geschädigte das Präparat und setzte es bei zwei Warmblutpferden und zwei Ponys ein. Wenige Tage danach traten am Rücken dieser vier Pferde Hautveränderungen auf, die eine konsultierte Tierärztin als tiefgreifende Hautentzündung mit Haarausfall im Behandlungsgebiet ansprach und eine erhebliche Druckschmerz-Empfindlichkeit im Rückenbereich als Befund erhob. Die gezielte Behandlung wurde eingeleitet und etwa vier Wochen später vorläufig abgeschlossen.

Der Geschädigte begehrt nun von der Haftpflichtversicherung des Produktenhändlers Schadenersatz für entstandene Behandlungskosten und für das notwendig gewordene Anmieten eines Leihpferdes für seine Frau, die sich zu dieser Zeit einer Reitausbildung unterzog . Die eigenen Pferde sind noch immer nicht völlig genesen.

Die in Anspruch genommene Versicherung beauftragte den Sachverständigen mit diesen Fragestellungen:
– Welcher Art ist der entstandene Schaden?
– Wie hoch ist der Schaden zu beziffern?
– Hat der Mitarbeiter des Produktenhändlers erkennen können, dass das von ihm empfohlene Mittel für Pferde nicht geeignet ist?
– Hätte der Geschädigte die Untauglichkeit des Mittels erkennen können oder müssen?
– Sind die erlittenen Verletzungen tatsächlich auf das gegenständliche Präparat zurückzuführen?


Befunde wurden erhoben aus dem Schadensakt der Versicherung, durch Untersuchung der Pferde und übergebene Dokumente:

Der Befund der intervenierenden Tierärztin hielt fest [zit.]:

„Dermatitis profunda im Bereich des Mähnenkamms, entlang der Rückenlinie über die Kruppe bis zum Schweifansatz; die Haut ist hochgradig geschwollen und berührungsempfindlich.

Bei der Kontroll-Untersuchung nach 4 Wochen ist ein langsamer Heilungsprozess erkennbar, das Haarwachstum setzt langsam ein – die Nagelprobe ist jedoch hochgradig positiv.

Die Nutzung der Großpferde ist nach wie vor nicht möglich.

Eine weitere Kontrolle ist in 3 Wochen geplant.“

Befundaufnahme an den Pferden (Zweieinhalb Monate nach Anwendung):

Über die Nämlichkeit der verletzten Pferde bestand nach Überprüfung kein Zweifel. Bei den zwei Warmblutpferden (Brauner, Fuchs) ergab sich eine erhöhte Palpationsempfindlichkeit jeweils zwei Handbreiten entlang der Mittellinie des Rückens vom Mähnenkamm bis zum Schweifansatz.  Gestört sind somit reiterlich sehr wichtige Strukturen wie behaarte Haut, Muskulatur und Faszien am Rücken sowie die dort befindlichen Energiebahnen (Gouverneursgefäß, Blasenmeridian innerer und äußerer Ast, links und rechts); die Hautdefekte sind in zögerlicher Abheilung, insbesondere beim Fuchs verzögert. Die beiden Großpferde sind in Hinblick auf § 222 StGB (Un-Nötigkeit, Vermeidbarkeit von Schmerz) im Reitdienst gegenwärtig nicht einsetzbar.

Die beiden Ponys scheinen voll rehabilitiert zu sein.

Analyse der Befunde im Hinblick auf den Gutachtensauftrag:

– Welcher Art ist der entstandene Schaden?

Gutachten: Da der Rücken eines Pferdes reiterlich als eine komplexe Einheit anzusehen ist, sind traumatisch zugefügte, pathologisch – anatomische und pathohistologische Veränderung mit patho-physiologischen Konsequenzen verbunden: im gegenständlichen Fall sind die beiden verletzten Groß- Pferde bis zu einem erfolgreichen Abschluss der medizinischen Behandlung, gefolgt – bei Bedarf – von einem status rehabilitandi - zum Reitdienst nicht  einsetzbar.

– Wie hoch ist der Schaden zu beziffern?

Gutachten: Der Geschädigte legte eine Liste mit 10 Positionen für möglichen Schadenersatz vor. Sämtliche Punkte, die zur Wiederherstellung der Pferde und den damit verbundenen Begleitkosten zusammenhängen, sind schlüssig und nachvollziehbar. Geltend gemachte Ausgaben, die auch ohne den Einsatz des Insektenmittels angefallen wären, wie Impfungen, Entwurmungen und Bewegung der Pferde, sind nicht vorfallkausal; für die angeführte tierärztliche Abschlussuntersuchung i.d.H. von € 250.00 liegt kein Beleg und keine nachvollziehbare Krankengeschichte vor.

– Hat der Mitarbeiter des Produktenhändlers erkennen können, dass das von ihm empfohlene Mittel für Pferde nicht geeignet ist?

Gutachten: Der Mitarbeiter des Landesproduktenhändlers hat sich über die Produktempfehlung der Herstellerfirma hinweggesetzt, als er das Präparat, das sowohl in seiner Beschriftung als auch seiner auffälligen Bebilderung für die Verwendung bei Rind & Schwein einschränkt, in seiner Beratung wörtlich „wohl auch für Pferde verwendbar“ darstellte. Aus sachverständiger Sicht war dies eine persönliche Mutmaßung, eine Haftung dafür hat nicht der Sachverständige zu beurteilen und hängt wohl auch von der hierarchischen Stellung des Beraters ab, und auch davon, ob für den Geschädigten dieser als „Verkaufs“ - Berater erkennbar war.

– Hätte der Geschädigte die Untauglichkeit des Mittels erkennen können oder müssen?

Gutachten: Der Geschädigte konnte auf Grund des Etikettes auf der Packung klar und mühelos (ohne Sehhilfe) die Zulassung für Rind & Schwein erkennen; die Herstellerfirma bietet eine breite Produktpalette auch für Pferde an, die jedoch im Preis (bedeutend) höher liegen. Eine nicht-widmungsgemäße Anwendung eines Produktes fällt in die Sphäre des Letztanwenders und widerspricht dessen Sorgfaltspflicht.

– Sind die erlittenen Verletzungen tatsächlich auf das gegenständliche Präparat zurückzuführen?

Gutachten: Der bestellte Sachverständige war nicht Augenzeuge der Applikation und der Entstehung der gegenständlichen Hautveränderungen, hält sie aber für möglich. Die gutachterliche Einschätzung beruht auf den erhobenen Befunden und anamnestischen Berichten.

 

Befunde und Rekonstruktionen

Das Gutachten eines Sachverständigen für forensische Veterinärmedizin und forensische Hippologie hat immer ein Konvolut an Befunden und – meist – eine Vorfall-Rekonstruktion als Fundament. Die bekannte „Weisheit“: ein Bild sagt mehr als 1000 Worte hat vor Gericht und als Beweis aber nur dann Gültigkeit, wenn der Abbildung „Dokumenten-Charakter“ verliehen wird.

Griffelbein eines Pferdes als „Symbolbild“ – das Verfahren, bei dem dieses Bild dem Gericht als „Beispiel“ vorgelegt wurde, drehte sich um eine „traumatische Griffelbein-Fraktur“ – wenig überraschend, hatte der erkennende Richter noch nie von einem „Griffelbein“ gehört – Sachverständige sind Gehilfen des Gerichts – nicht immer ist eine korrekte fachliche Aufklärung bei allen Verfahrensbeteiligten willkommen, weshalb in allen meinen Gutachten zu Punkt 5 „Fall-Analyse“  folgende Präambel zu finden ist:

----------------------------------------

5. Gutachterliche Fallanalyse, Interpretation und fachliche Wertung der Befunde sowie Schlussfolgerungen für das Gutachten
Sämtliche Befunde, Ereignisse und Grundlagen für diesen Punkt unterliegen im Folgenden einer ausschließlich fachlichen Qualifikation nach dem Stand der Wissenschaft, der Literatur und dem Erfahrungsschatz des Gutachters; juridische Wertungen werden expressis verbis nicht vorgenommen.
Dieses Kapitel dient dazu, die Gedankengänge und Schlussfolgerungen des SV für das GA transparent und nachvollziehbar darzustellen. Siehe dazu auch Quellenangaben am Ende des GA.
Eine weitere Aufgabe dieses Abschnitts besteht darin – dem allgemeinen Gutachtensauftrag und dem sachverständigen Auftrag im Ermittlungsverfahren (StPO) folgend – „das mangelnde Wissen der Justiz und der Rechtskonsumenten unaufgefordert mit Insiderwissen um Vorgänge, Prozesse, Gepflogenheiten und Lebenssituationen zu substituieren“ (OLG Wien zu 16 R 223/12 z).
Allgemeine Darstellung von Personen bezieht sich immer auf alle erdenklichen geschlechtlichen Varianten.

---------------------------------------
 

Unfallfoto von einem verletzten und in der Folge euthanasierten Pferd nach einem Sprung über ein Vielseitigkeitshindernis. Um die bildliche Darstellung als brauchbares Dokument einsetzen zu können, müsste als Mindestmaß an Information der Tag und die Uhrzeit der Aufnahme eingeblendet sein.
   

Spuren, die leicht übersehen werden und schnell veränderlich sind, haben nur dann Aussagekraft, wenn sie fachgerecht asserviert oder mit exakten Maßangaben versehen werden – Nachvollziehbarkeit ist hier das Schlüsselwort.

 

Nicht alle Errungenschaften der Technik sind für die forensische Hippologie praktisch, einzelne Erfindungen der „Alten“ – hier ein Hufwinkelmesser – sind manchmal handlicher.

 

Mit weißer Schulkreide bei dunklen Pferden, mit farbiger Kreide bei hellen Pferden lässt sich Auflage, Widerrist- und Schulterfreiheit sowie Lage auf den Dornfortsätzen und Länge des Sattels einfach überprüfen und – nachvollziehbar (fotografisch) dokumentieren, vorausgesetzt es wird klar festgehalten: Datum, Uhrzeit, Nämlichkeit des Pferdes, Details zum Sattel – Übersichtsaufnahmen von allen Seiten und Detailaufnahmen. Der Vorteil dieser einfachen Methode liegt darin, dass das Pferd dabei geritten werden, also die „Sattelprobe in Bewegung“ stattfinden kann.

 

Die Rückenschablone aus Holz (links) war eines der ersten Hilfsmittel bei der Sattelvermessung, das flexible Kurvenlineal (rechts) brachte einen erheblichen Vorteil in der individuellen Abformung.
   

Die biegsame Messwelle, mithilfe der an einigen Referenzpunkten die Rückenform abgebildet und auf Zeichenpapier übertragen werden kann, ist ein einfaches und wertvolles „Instrument“ für jeden Pferdebesitzer – vor Allem kann durch ein Schwenken um 180 Grad eine Rücken- Asymmetrie erkannt werden, die sehr oft zu reiterlichen Problemen führt oder aber auch Folge ungleicher Rücken-Gymnastizierung ist.

 

Für ein Pferd macht es keinen Unterschied, ob es am Turnier oder im Stall leidet – Leiden und Schmerz werden stumm ertragen – der verantwortungsbewusste Mensch muss es erkennen – und wenn nötig – dokumentieren, um die Nachvollziehbarkeit zu sichern; Aussagen wie „ich habe das Gefühl ….“  oder eine Empörung auf Sozialen Medien helfen einem Pferde nicht!

 

Zum Nachstellen von Situationen (z.B. Rekonstruktion bei der Befundaufnahme), aber auch zur Demonstration im Gerichtssaal eignen sich die Modelle für Künstler ganz hervorragend. Mit Modellen wird das assoziative Gedächtnis von Beteiligten und Zeugen besser motiviert als bei rein abstrakter, verbaler Beschreibung.

Nicht von ungefähr kennt man in der Rechtsprechung als Begriff die Beweis-Last – es herrscht bei Manchen jedoch die irrige die Ansicht, dafür sind nur Gerichte, Staatsanwaltschaften, Polizei, Ärzte, Tierärzte und andere rechtsnahe Gruppen verantwortlich – doch in die Verlegenheit, sich „frei beweisen“ zu müssen, kann Jeder kommen, und aus manchen Verantwortungen und Aufgaben kann man sich nicht „stehlen“ ……..

 

…….wie das Gedicht „Das Pferd und der Esel“ von La Fontaine zeigt:

Man muss einander helfen in der Welt;                        
Denn stirbt dein Nachbar, kann es leicht geschehen,                                    
Dass seine Last auf deinen Rücken fällt.

Ein Esel musste einst mit einem Pferde gehen,                     
das nichts als nur sein leichtes Zaumzeug trug;                     
der Esel aber war bepackt genug.

So wandte er sich an das Pferd mit Flehen:                     
„Hilf mir ein wenig, oder ich muss sterben!                         
Was ich erbitte, ist für dich nicht viel,                         
die Hälfte meiner Last ist dir nur Spiel,                         
und großen Dank wirst du erwerben.“

Das Pferd schlugs ab und wollte nichts mehr hören.                 
Doch als der Esel fiel, was half ihm das sein Wehren?                 
Es musste mit des Esels voller Last sich plagen                     
und obendrein des Esels Haut noch tragen.

 

 

Gutachten, Fotos, Grafiken und Literatur: Archiv und ex libris Dris. Kaun.
Eine Bitte: Meine Aufsätze, Publikationen und Kommentare sollen Pferdeleuten unserer Tage zur Orientierung, Selbsteinschätzung und Beziehung zu Pferden dienen. Personen, die kommerziell mit Pferden Kontakt haben, mögen die,  von Anstand und Benehmen vorgegebenen Regeln respektieren, Quellen anführen und korrekt zitieren – danke!

Kommentare

Bevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...
Zur Übersichtzurück weiter

 
 
ProPferd.at - Österreichs unabhängiges Pferde-Portal − Privatsphäre-Einstellungen