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Gastkommentar: Sind Pferde für Kinder gefährlich?
13.10.2017 / News

Sabine Dell
Sabine Dell'mours Plädoyer: Jeder Reitanfänger ist mit einem Reitgurt besser bedient – aber für ein Kleinkind ist der Reitgurt (ohne Bügel!) mit zwei Griffen ein MUSS! / Foto: Verband der Österreichischen ReitpädagogInnen

Ein dreijähriges Kind aus Deutschland, ein vierjähriges aus Österreich – beide beim Reiten im Steigbügel hängen geblieben und zu Tode gekommen. Für viele Laien mag sich angesichts dieser entsetzlichen, tragischen Unglücksfälle die berechtigte Frage stellen: Sind Pferde denn wirklich so gefährlich?

Ohne vorschnelle Antwort stelle ich im Gegenzug die Frage, ob Autos gefährlich sind. Das Auto ist ein technischer Gegenstand, der von sich aus nicht gefährlich ist – doch in Bewegung gesetzt kann die von seiner Masse ausgehende Energie ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellen: je schneller, desto gefährlicher.

Doch dieses Risiko erscheint uns beherrschbar: Wir verlassen uns auf die technische Perfektion, die regelmäßige Wartung, auf die eigene oder fremde Fahrkenntnis und Zurechnungsfähigkeit. Doch würden Sie ihr Kind in eine technisch fragwürdige Rostlaube setzen oder seine Fahrausbildung einem fachlich nicht versierten Laien anvertrauen? Wohl nicht, oder?

Zurück zum Pferd: Das Pferd ist ein seit Jahrtausenden domestiziertes Tier mit einer sehr engen und historisch hochinteressanten Beziehung zum Menschen. Es ist grundsätzlich gutmütig und trotz seiner biologischen Einordnung als Fluchttier in der Lage, durch Erziehung, Ausbildung und Haltung sowie einen professionellen Umgang den ihm angeborenen Fluchttrieb gut zu kontrollieren.

Es wird ihn jedoch nie gänzlich verlieren! So wie die Masse des Autos physikalisch wirkt, können auch Pferde immer wieder von Panik erfasst werden und davonlaufen – je schneller, desto gefährlicher.

Statistiken bestätigen, dass die Folgen eines Autounfalles durch das Anschnallen deutlich gemindert werden können. Daher gilt die gesetzliche Gurtpflicht samt der Verordnung, entsprechende Kindersitze zu verwenden.

Um jedoch einen Unfall beim Pferd gut zu überstehen, ist das Wesentlichste die Möglichkeit, sich vom Pferd entfernen zu können – also eben nicht angeschnallt zu sein! Das Tragen eines passenden Reithelms als Pendant zum Kindersitz sollte obligatorisch sein.

Und es sollte endgültig der Vergangenheit angehören, dass Kleinkinder, die aufgrund ihrer motorischen Entwicklung überhaupt nicht in der Lage sind, Steigbügel zu koordinieren, in einen Sattel mit Bügeln gesetzt und auf möglicherweise ungeeigneten Reittieren in Begleitung von Laien geführt werden, wie es leider immer noch mancherorts vorkommt, weil das Risiko unterschätzt wird.

Hier muss es endlich ein Umdenken auf breiter Front geben. Jeder Reitanfänger wäre vorerst mit einem Reitgurt besser bedient – aber für ein Kleinkind ist der Reitgurt (ohne Bügel!) mit zwei Griffen ein MUSS! Ein weiteres Muss ist die Begleitung durch einen professionellen Kleinkind-Reitpädagogen. Auch dieser wird Unfälle nicht in jedem Fall verhindern können, aber er ist fachlich geschult, das geeignete Reittier auszuwählen, es entsprechend auszubilden und das Kind samt Pferd professionell zu führen.

Um die oben gestellte Frage zu beantworten: Pferde sind per se nicht gefährlich. Aber sie brauchen – wohl noch mehr als Autos – verantwortungsvolle Profis, die das von ihnen ausgehende Risikopotential kennen und minimieren können. Nur dann wird der Umgang mit Pferden und das Reiten die geistige, seelische und motorische Entwicklung von Kleinkindern optimal unterstützen und ihr Leben bereichern.
Sabine Dell’mour

Sabine Dell’mour ist Präsidentin des Verbandes der Österreichischen ReitpädagogInnen (www.reitpaedagogik.at)

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