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Neue Option zur Arthritis-Behandlung bei Pferden
11.12.2022 / News

Osteoarthritis trifft viele Pferde und verursacht nicht nur Leid und Schmerzen, sondern auch erhebliche wirtschaftliche Schäden.
Osteoarthritis trifft viele Pferde und verursacht nicht nur Leid und Schmerzen, sondern auch erhebliche wirtschaftliche Schäden. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay

Laut einer neuen Studie könnte der Wirkstoff Agmatin eine praktikable neue Option sein, um Pferden mit Osteoarthritis zu helfen – mit dem großen Vorteil, dass der Stoffwechsel und die Magenschleimhaut der behandelten Pferde deutlich weniger belastet würden.

 

Osteoarthritis ist eine weit verbreitete, durch Verschleiß bedingte Gelenkerkrankung bei Pferden (insbesondere Sportpferden) und laut div. Untersuchungen für mehr als 60 % der Lahmheiten von Pferden in den USA verantwortlich, mit jährlichen wirtschaftlichen Schäden von bis zu 1 Milliarde US-Dollar, wie Takashi Taguchi und seine Forscherkollegen von der Louisiana State University in ihrer Studie einleitend bemerkten.

Es gibt bislang nur begrenzte Möglichkeiten, das Fortschreiten von Osteoarthritis zu begrenzen – meist mit unterschiedlichen Erfolgsaussichten und Ergebnissen. Der primäre Behandlungsfokus liegt oft auf der Linderung der Schmerzen, beispielsweise durch den Einsatz von nichtsteroidalen entzündungshemmende Medikamenten (sogenannten NSAIDs), die routinemäßig zur Behandlung von Osteoarthritis verwendet werden. Die systemische Verabreichung derartiger Medikamente über einen längeren Zeitraum kann jedoch den Stoffwechsel, die Nieren und die Magenschleimhaut belasten und wird daher nicht empfohlen.

Alternativen zu herkömmlichen NSAIDs zur Linderung von Beschwerden durch Osteoarthritis wären daher willkommen und könnten die Möglichkeiten für eine langfristige Anwendung erweitern, wie die AutorInnen in ihrer aktuellen Untersuchung festhielten. Sie betonten, dass Schmerzen im Zusammenhang mit Osteoarthritis sehr verschieden sein können – dass neuropathische Schmerzen (Nervenschmerzen) Berichten zufolge in den frühen Stadien vorherrschen und diese häufig sogar gegen NSAIDs resistent sind. Der Suche nach alternativen Wirkstoffen komme daher besonders hohe Bedeutung zu: „Die Fähigkeit, neuropathische Beschwerden bei Pferden zu lindern, könnte die Lebensqualität von Pferden mit Osteoarthritis erheblich verbessern“, so die AutorInnen.

Das Studienteam ging in seiner Untersuchung davon aus, dass Agmatin  – auf der Grundlage von Berichten über seine schmerzstillenden Eigenschaften – eine praktikable Option für die Behandlung von Osteoarthritis sein könnte. Agmatin, eine natürlich vorkommende Verbindung, wird durch Arginin-Decarboxylierung gebildet und soll eine neuroprotektive und antineuropathische Wirkungen haben, sprich: gegen Nervenschmerzen wirken, indem es bestimmte Rezeptoren beeinflusst, wie dies in mehreren Studien beschrieben wurde.

In ihrer Untersuchung stellten die ForscherInenn drei Hypothesen auf:
(1) Agmatin verbessert das Gangbild von Pferden mit Osteoarthritis der vorderen Gliedmaßen, und zwar in einem vergleichbaren Maß wie das etablierte NSAID-Medikament Phenylbutazon, und mehr als eine Kontrollgruppe;
(2) Magengeschwür-Belastung bei Pferden würde in der Gruppe der Phenylbutazon-Verabreichung am größten sein, gefolgt von der Kontrollgruppe – und beide wären stärker belastet als durch Agmatin-Verabreichung;
(3) Die Agmatin-Spiegel im Plasma von Pferden steigen nach oraler Verabreichung an.

Um diese Hypothesen zu überprüfen, wurden bei Pferden mit Osteoarthritis an den vorderen Gliedmaßen vor, während und nach der Verabreichung von Agmatin, Phenylbutazon und der Kontrolle die Belastung der Gliedmaßen und der Magenschleimhaut (durch Magengeschwüre) gemessen. Zusätzlich wurden Plasma-Agmatin-Spiegel und primäre Metaboliten (Abbauprodukte des Stoffwechsels) in Intervallen während jedes Behandlungsblocks quantifiziert.

Ihre Studie, die ein Drei-Wege-Crossover-Design verwendete, umfasste sechs erwachsene Vollblutpferde – drei Stuten und drei Wallache – mit Lahmheit in ihren Vorderbeinen, die durch Osteoarthritis verursacht wurden. Die Pferde erhielten 30 Tage lang entweder täglich oral Phenylbutazon (6,6 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht), Agmatinsulfat (25 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht) oder eine Kontrolle, mit 21-tägigen Pausen zum Wirkstoffabbau (,Auswaschperioden’) zwischen den Behandlungen.

Die Überprüfung des Gangsbilds bzw. des jeweiligen Lahmheitsgrades wurde sowohl durch subjektive als auch objektive Verfahren durchgeführt – subjektiv durch ausführliche Bewertungen eines spezialisierten Tierarztes nach der anerkannten Lahmheitsskala der ,American Association of Equine Practitioners’ (AAEP) sowie objektiv durch detaillierte Messungen jener Kräfte, die von den vorderen Gliedmaßen auf einer in den Boden eingelassenen Kraftdruckplatte übertragen wurden. Die Spiegel von Agmatin und Agmatin-Metaboliten im Plasma wurden ebenfalls vor, während und nach jeder Behandlungsperiode bewertet. Die Belastung mit Magengeschwüren, basierend auf Gastroskopie-Untersuchungen sowie auf chemischen Analysen der Blutproben, wurde vor und nach den Behandlungen überprüft.

Die Ergebnisse waren für das Forscherteam durchwegs vielversprechend – alle drei aufgestellten Hypothesen wurden bestätigt: Die mittels Kraftdruckplatte gemessenen Kräfte (Brems- bzw. Verzögerungskräfte) waren nach der Verabreichung von Agmatin im Vergleich zur Phenylbutazon-Gruppe höher, was auf ein verringertes Schmerzniveau der Pferde schließen lässt. Auch erhöhte Spiegel von Zitronensäure nach 15-tägiger Verabreichung von Agmatin deuten auf eine Verringerung von Gelenkschmerzen hin, wobei dieser Effekt „möglicherweise über entzündungshemmende Wirkungen und die Wiederherstellung des gestörten Flusses des Zitronensäurezyklus in neuropathischen Nerven“ erzielt werde, so die Forscher.

Es verbesserten sich zwar auch bei der Phenylbutazon-Gruppe die objektiven und subjektiven Lahmheitswerte nach 14 und nach 29 Tagen, doch legen die erhobenen Werte nahe, dass eine 14-tägige Verabreichung notwendig ist, um die größte Wirkung zu erzielen. Das sei insofern bedenklich, als Berichte nahelegen, „dass Phenylbutazon bereits nach 9-tägiger Verabreichung erhebliche gastrointestinale Nebenwirkungen hat“, sprich: zu einer Schädigung der empfindlichen Magenschleimhaut führen kann. Zudem wird berichtet, dass Phenylbutazon die Bildung der natürlichen Gleitmittel des Pferdegelenkknorpels (die sogenannte ,Proteoglykansynthese’) nach 14 Tagen reduziert. „Daher wird die Verabreichung von Phenylbutazon für mehr als 14 Tage in Folge, insbesondere bei Pferden mit Osteoarthritis, im Allgemeinen nicht empfohlen“, so die AutorInnen. Die Studienergebnisse zeigen zudem, dass Agmatin bei Pferden nach oraler Verabreichung bioverfügbar ist (Bestätigung von Hypothese 3).

Insgesamt untermauern die Untersuchungsergebnisse den Wert von Agmatin als Zusatztherapie zu Kurzzeit-Phenylbutazon bei Beschwerden durch Osteoarthritis bei Pferden im Bereich der Vorderbeine, so das Studienteam. Die orale Verabreichung von Agmatin könnte eine taugliche und praktikable Ergänzung zu aktuellen Strategien zur Behandlung von Symptomen im Zusammenhang mit Osteoarthritis bei Pferden sein. Die Autoren halten es dabei für plausibel, dass Agmatin-Metabolite – also die Abbauprodukte – und nicht Agmatin selbst für die schmerzlindernde Wirkung verantwortlich sein könnten. Sie räumten zugleich ein, dass die geringe Anzahl von Pferden eine Einschränkung der Studie darstellte, da die Verwendung von Agmatin in einer breiteren Population erst bewertet werden müsse.

Die Studie „Agmatine Administration Effects on Equine Gastric Ulceration and Lameness" von Takashi Taguchi, Francisco J. Morales Yniguez, Catherine Takawira, Frank M. Andrews und Mandi J. Lopez ist am 8. Dez. 2022 in der Zeitschrift ,Journal of Clinical Medicine' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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